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Bayer-Alptraum Jose MourinhoWie aus Wut und Empörung Schmerz wird

Lesezeit 3 Minuten

Ein Spieler liegt am Boden, Jose Mourinho erregt sich, Bayer 04 scheidet aus

Gegen den Mephisto des Fußballs fehlen Leverkusen und seiner braven Werkself im Halbfinale der Europa League die Mittel.

Als sich der Leverkusener Traum in Luft aufgelöst hatte, trat an seine Stelle die Empörung. Sie ist ein gutes Betäubungsmittel für den noch viel größeren Schmerz der Enttäuschung, der erst später seine Kraft entfalten sollte. Bayer 04 war auf dem letzten Schritt ins Finale der Europa League gescheitert, weil es nicht gelungen war, der AS Rom sieben Tage nach der 0:1-Niederlage in Italien mehr als ein 0:0 abzuringen. Und alle wussten nachher, warum. Weil die Römer sich bei jeder Gelegenheit einfach hingesetzt hatten, um Rhythmus und Spielfluss der Leverkusener zu unterbrechen und Zeit von der Uhr zu nehmen.

Am Ende war das Gefühl bei Bayer 04 überwältigend, Opfer einer zutiefst unsportlichen Inszenierung geworden zu sein. „Wir wünschen schon jetzt Sevilla im Finale alles Gute und drücken ihnen die Daumen“, zischte Leverkusens Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes nach dem Spiel verbittert. Jose Mourinho fochten solche Verwünschungen wenig an. Der Portugiese spielt als Trainer seit Jahrzehnten im Weltfußball die Rolle des Mephisto als Geist, der stets verneint. Im Universum des Negativen sucht er Seinesgleichen. Alle seine Titel, darunter die beiden in der Champions League mit dem FC Porto und Inter Mailand, hat der Portugiese mit Negativfußball gewonnen. Verteidigen, Lahmlegen, Provozieren und die Uhr manipulieren waren dabei die wirksamsten seiner Waffen. Und natürlich eine gnadenlose Effizienz im Ausnutzen der wenigen eigenen Chancen.

Bei jedem Anlass einfach auf dem Boden gelegen

So war es geradezu folgerichtig, dass ein einziges Tor, der Treffer des 20-Jährigen Edoardo Bove aus dem Hinspiel, ein Halbfinale mit vier Halbzeiten entschied. Im Olympiastadion hatte die Roma naiven Leverkusenern das Fußballspielen sieben Tage zuvor noch schwer gemacht. Im Rückspiel hat sie sich dem Fußball dann gänzlich verweigert. Mourinho ließ eine Mauer aus Leibern errichten, alle Wege versperren, Bälle ohne zweite Absicht aus der Gefahrenzone ballern und hieß seine Spieler, sich bei jedem Anlass einfach auf den Boden zu setzen oder legen, damit die Uhr das einzige ist, das weiterlaufen kann.

Die Worte „ekelhaft“, „Schande“, „Unsportlichkeit“ fielen pausenlos. Simon Rolfes sprach gar von einer „Verarschung des Schiedsrichters“ und hätte sich „20 Minuten Nachspielzeit“ gewünscht. Daten der Uefa belegten hinterher, dass die Partie mit 54 Minuten und 10 Sekunden Nettospielzeit nicht annähernd am unteren Ende der Halbfinalspiele des aktuellen Europapokals lag. Die Mailänder Klubs AC und Inter waren in ihrem Champions-League-Rückspiel am Dienstag mit 49:45 Minuten deutlich darunter geblieben. Was in Leverkusen alle auf die Palme brachte, war die Schamlosigkeit, mit der sich offensichtlich kerngesunde Spieler nach normalen Zweikämpfen einfach hinsetzten und nicht mehr weitermachten, als wollten sie gegen die Zerstörung des Weltklimas protestieren. Dazu fehlten nur die Absicht und der Klebstoff.

Es tut sehr weh
Bayer-04-Klubchef Fernando Carro

Die Werkself war allerdings auch ausgeschieden, weil vier glasklare Torchancen, zwei im Hin- und zwei im Rückspiel, nicht genutzt wurden. Ein beispiellos euphorisiertes Publikum verzieh ihr das aber und feierte sie minutenlang mit Beifall und Zurufen. Und ein Spieler wie Kerem Demirbay durfte sagen: „Ich bin stolz auf meine Mannschaft.“ Am Tag danach musste Trainer Xabi Alonso schon wieder in einer Pressekonferenz auftreten und über das Spiel gegen Borussia Mönchengladbach am Sonntag sprechen.

Nur ein Sieg, wie auch am letzten Spieltag in Bochum, lässt dem Tabellensiebten Bayer 04 realistische Chancen, auch kommende Saison international zu spielen. „Wir hätten das Weiterkommen verdient gehabt, aber wir müssen weitermachen“, sagte der von seinem einstigen Trainer und Lehrmeister Mourinho bezwungene Spanier. In der Stunde der Niederlage waren das aber nur theoretische Gedanken. „Es tut sehr weh“, gestand Klubchef Fernando Carro. Das Betäubungsmittel der Empörung funktionierte nicht mehr.