Leverkusen – Etliche Umarmungen für Paulinho fielen besonders lang aus. Es schien, als wolle jeder dem 22 Jahre alten Brasilianer am Samstagnachmittag extra herzlich zur geglückten Rückkehr an den Arbeitsplatz gratulieren. Beim Bestaunen seines Tores zum 4:0-Endstand gegen Schalke 04 in den Katakomben der Bay-Arena auf einem Fernseher kam Paulinho, Arm in Arm mit Vorbereiter Amine Adli, aus dem Strahlen kaum noch heraus. Während viele Profis von Bayer 04 Leverkusen ihr ehrliches Bedauern über die Trennung von Gerardo Seoane über die verschiedenen digitalen Kanäle zum Ausdruck gebracht haben, dürfte Paulinho – auch wenn er es selbst kaum offensiv kundtun würde – über den Trainerwechsel sehr glücklich sein.
Denn rund 24 Stunden vor dem Amtsantritt von Xabi Alonso hatte der Brasilianer noch in Seoanes Aufgebot für das Champions-League-Spiel in Porto (0:2) gefehlt, der Schweizer hatte einen Kaderplatz schlicht unbesetzt gelassen. Eine größere wortlose Demontage für einen Fußballer gibt es kaum. Vorangegangen war Paulinhos öffentlicher Vorwurf in Richtung Bayer 04, ihn aus politischen Gründen nicht einsetzen zu wollen. Der Spieler, seit seiner Verpflichtung 2018 unter keinem Leverkusener Trainer dauerhaft ein Faktor, sollte den Klub im Sommer verlassen, schlug aber alle für den Werksklub annehmbaren Offerten aus. Ein ablösefreier Wechsel, wie ihn der Stürmer forderte, war für Leverkusen keine Option. So schien alles auf einen Stammplatz für Paulinho auf der Tribüne bis zum Vertragsende im Sommer 2023 hinauszulaufen. Doch mit dem Trainerwechsel haben sich die Aussichten für den Olympiasieger deutlich aufgehellt.
Paulinho: Vom Aussortierten zum Torschützen
„Ich habe mit dem Klub zusammen entschieden, dass wir Paulinho noch einmal auf dem Platz sehen wollen“, erläuterte Xabi Alonso. „Für mich ist jeder Spieler eine Option, jeder kann helfen.“ Ich will, so sagte der spanische Trainer in seinem energisch klingenden Englisch, in das er wechselt, wenn er Zusammenhänge im Detail erklärt, „dass Paulinho noch mehr möchte. In seinen fünf Minuten gegen Schalke hatte er schon einen guten Einfluss.“ Für alle Profis gelte, das machte Xabi Alonso deutlich: „Ihr bestimmt die Startaufstellung, nicht ich! Wenn jemand einen Platz im Team haben möchte, dann soll er mir es zeigen. Dann wird er ihn bekommen.“
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Nun verhält es sich bei Paulinho wie beim Bundesliga-15. Bayer 04 Leverkusen insgesamt: Ein gutes Spiel bedeutet in der Krise noch lange keine Kehrtwende, zumal der Gegner kaum bundesliga-tauglich auftrat. Allerdings ist rund um die Werkself nach den schlimmen vergangenen Wochen eine Aufbruchstimmung spürbar. Die Emotionen und die Aura des neuen Coaches tun dem Verein gut. Paulinho und Rückkehrer Adli in guter Form wären für die zuletzt deutlich in die Lager „Startelf-Kandidaten“ und „Aussortierte“ aufgeteilte Mannschaft und Trainer Xabi Alonso vor den verbleibenden Englischen Wochen zudem ein Segen – zumal der Baske auf die verletzten Offensivkräfte Florian Wirtz, Karim Bellarabi und Sardar Azmoun verzichten muss.
Xabi Alonso hat bei Bayer 04 Vieles auf null gesetzt
Wie sich Xabi Alonsos Dreierkette bewährt, kann sich erst zeigen, wenn es wirkliche Bewährungsproben gibt. Die Doppel-Sechs mit Robert Andrich/Charles Aránguiz schien dem einstigen Weltklasse-Mittelfeldspieler aber gut zu gefallen. Beide hatten eine tiefere und ordnendere Funktion als unter Seoane. Für Kerem Demirbay, mehr Techniker als Taktiker, könnte das eine schlechte Nachricht sein – selbst wenn er als einer von wenigen Profis in den letzten Wochen unter Seoane einige gute Momente erlebt hatte. Doch Xabi Alonso hat vieles auf null gesetzt.
Ein nächster wichtiger Schritt wäre das Lösen des Knotens bei Patrik Schick. Der Stürmer müht sich seit Wochen, kommt auch regelmäßig zu Abschlüssen. Trifft aber ebenso regelmäßig die falsche Entscheidung oder das Tor nicht – wie zuletzt per Elfmeter in Porto. Vor dem Rückspiel gegen die Portugiesen am Mittwochabend in der Bay-Arena (21 Uhr/Dazn) wird Xabi Alonso weitere Einzelgespräche führen, um im besten Fall für weitere Umarmungen und grinsende Gesichter zu sorgen.