Leverkusen – Wer den Eindruck hat, dass auch in dieser Bundesliga-Saison das Meisterrennen mit dem übermächtigen FC Bayern ein erneut extrem langweiliges war, der sollte einen Blick auf die Tabelle der Schweizer Super League werfen. Einen Spieltag vor Saisonende hat dort Young Boys Bern 28 Punkte Vorsprung auf den „Verfolger“ FC Basel, bereits Mitte April hatte der Klub den Titel perfekt gemacht.
Unter der Leitung von Trainer Gerardo Seoane gewann Bern dank totaler nationaler Überlegenheit drei Meisterschaften in Serie, dazu 2020 den Pokal. Die Young Boys stellten in den vergangenen Jahren diverse Punkte- und Siegrekorde auf – und Seoane sich ins internationale Schaufenster. Entschieden hat sich der 42-Jährige nun für einen Wechsel zu Bayer 04 Leverkusen. Ab Sommer ersetzt der Schweizer Hannes Wolf auf der Trainerbank des Werksklubs. Seoane hat einen Vertrag bis 2024 unterschrieben und kostet etwa eine Million Euro Ablöse. Wolf kehrt nach erfüllter Europa-League-Rettungsmission zurück in die Nachwuchsabteilung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Leverkusen hatte sich, wie auch Eintracht Frankfurt, zuvor mit Dortmunds Edin Terzic beschäftigt. Doch zog es der Pokalsieger-Coach vor, zunächst in der zweiten BVB-Reihe hinter dem neuen Chefcoach Marco Rose zu bleiben – so machte Leverkusen bei Seoane Nägel mit Köpfen. Die Ansprüche an den neuen Trainer sind klar formuliert.
Angriffslustig und dominant
„Mit Gerardo Seoane wollen wir in der kommenden Saison wieder angreifen. Er ist dreimal in Folge mit den Young Boys Schweizer Meister geworden und hat 2020 auch den Pokalsieg geholt – und das mit einer attraktiven und offensiven Spielidee, die unserer Philosophie in Leverkusen sehr nahekommt“, sagte Leverkusens Sportdirektor Simon Rolfes. „Über einen angriffslustigen, dominanten und technisch anspruchsvollen Stil definieren wir uns hier seit langem. Und diese Spielweise wollen wir in den kommenden Jahren gemeinsam mit Gerardo Seoane weiterentwickeln und damit erfolgreich sein.“
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Seoane wurde als Sohn spanischer Einwanderer in Luzern geboren. Als Aktiver begann der frühere Innenverteidiger seine Profi-Karriere 1995 beim FC Luzern und beendete sie 2010 nach anderen Stationen in der Schweiz, einem Intermezzo bei Deportivo La Coruna und knapp 300 Profi-Einsätzen wieder in Luzern. Bei seinem Heimatverein übernahm er Anfang 2018 seinen ersten Cheftrainer-Posten und führte ein Durchschnittsteam dank 34 Punkten aus 17 Spielen in einer glänzenden Rückrunde von Platz neun noch auf Rang drei. So wurde Bern auf Seoane aufmerksam, als es galt, einen Nachfolger für den zu Frankfurt gewechselten Meistertrainer Adi Hütter zu finden. Und Young Boys bewies ein gutes Händchen – Seoane konnte die großen Fußstapfen seines Vorgängers ausfüllen. Die Kritik, er habe lediglich ein hervorragend funktionierendes Gebilde von Hütter übernommen und zum logischen Titel geführt, legte sich schnell. Seoane, der Ottmar Hitzfeld als großes Vorbild hat, verlor von 107 Liga-Spielen mit Bern nur elf und kann einen beeindruckenden Punkteschnitt von 2,32 vorweisen.
Sechs Sprachen fließend
Nach drei Jahren war es für Seoane nun aber Zeit für den „Sprung auf das nächste Level“, sagte er. „Ich finde es extrem reizvoll, einen Bundesliga-Kader mit solch einem Potenzial zu trainieren. Ich sehe ideale Bedingungen, um attraktiven Fußball zu spielen und in der Liga und in Europa unter den Top-Teams mitzumischen.“ Bayer-04-Geschäftsführer Rudi Völler zeigte sich von der Souveränität Berns beeindruckt. Auch Leverkusen hatte diese Stärke kürzlich zu spüren bekommen, in der Zwischenrunde der Europa League hatte Young Boys in überzeugender Manier 4:3 und 2:0 gegen Bayer 04 gewonnen und Ex-Trainer Peter Bosz einen schweren Schlag versetzt. Seoane „wird eine Bereicherung für die Bundesliga sein“, so Völler. Von Vorteil für Leverkusens bunt gemischten Kader ist dazu Seoane Sprachbegabung: Der Schweizer spricht Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch fließend.
Auf Hannes Wolf wartet derweil vor seiner Rückkehr zum DFB noch ein Abschiedsspiel in Dortmund. Geschäftsführer Völler beschrieb Wolfs Einsatz als „effektiv und zielführend. Wir waren angeschlagen. Hannes hat der Mannschaft mit seinem Trainerteam neues Leben eingehaucht. Ich bin überzeugt davon, dass wir ihn schon bald bei einem Profiklub wiedersehen werden.“