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Peter Bosz über Karriereende„Vielleicht ist Bayer meine letzte Trainer-Station“

Lesezeit 7 Minuten
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Peter Bosz trainiert Bayer 04 seit knapp einem Jahr.

  1. Peter Bosz wird seinen im Sommer auslaufenden Vertrag in Kürze verlängern.
  2. Im Interview wirft der Trainer einen Blick in die Zukunft und spricht über ein mögliches Karriereende in Leverkusen.
  3. Dazu bewertet der Niederländer die Krise von Kai Havertz und Bayers Chancen in der Rückrunde.

La MangaHerr Bosz, wie fällt Ihr Fazit nach dem einwöchigen Trainingslager in La Manga aus?

Sehr positiv. Es hat schlecht angefangen, mit der Nachricht von Charles Aránguiz’ Verletzung und schlecht aufgehört mit der Oberschenkelprellung von Sven Bender. Das waren Enttäuschungen. Aber alles dazwischen war gut. Ich habe viele Gespräche geführt, viel trainiert. Alles positiv.

Bei Ihrem Amtsantritt vor einem Jahr sagten Sie, dass die Bundesliga den „richtigen Trainer Peter Bosz“ noch nicht gesehen hat. Hat sich das mittlerweile geändert?

Damals hatte ich ja erst die fünfeinhalb Monate in Dortmund hinter mir. Das war zu kurz, um einen Menschen und dessen Arbeitsweise zu beurteilen. Jetzt ist ein ganzes Jahr in Leverkusen dazugekommen. Ich glaube, dass man meine Arbeit mittlerweile besser beurteilen kann.

Einfach ist es allerdings nicht. In der Rückrunde der vergangenen Saison hat Ihre Mannschaft teils herausragenden Fußball gespielt und sich die Champions League verdient. In der Hinrunde der aktuellen Saison gab es aber viele Aufs und Abs…

… wir hatten viele gute Spiele, aber auch viele schlechte, wie gegen Köln. Die Konstanz hat gefehlt. Um oben mitzuspielen, brauchen wir sie. Aber Konstanz ist das Schwierigste im Fußball. Auch Bayern und Dortmund waren nicht konstant. Leipzig ist es am besten gelungen, deshalb stehen sie im Moment auch vorn. Doch den einen Grund für die fehlende Konstanz gibt es im Fußball einfach nicht – dann wäre die Lösung ja auch einfach. Die Gegner beobachten uns natürlich auch. Das heißt, dass wir uns während der Saison weiterentwickeln müssen. Auch die fehlende Konzentration oder Glück spielen da mit rein. Da könnte ich jetzt noch viel mehr Dinge aufzählen.

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Wie zum Beispiel die Krise von Kai Havertz. Was macht Ihnen Mut, dass er wieder in die Form der Rückrunde 2019 kommt?

Der ist schon wieder in Form. Im ersten Training nach der Winterpause habe ich gleich gesehen, dass er anders war als in den Wochen vor der Pause.

Woran haben Sie das erkannt?

Er ist spontaner, gelöster. Nach einem Jahr Arbeit mit den Jungs kenne ich sie gut. Ich kann morgens an ihrem Gesicht erkennen, ob sie locker oder mit etwas beschäftigt sind. Kai war in den letzten Wochen vor der Winterpause beschäftigt. Es hat ihm wehgetan, wie er im Vergleich zur Vorsaison gespielt hat und was da sonst noch passiert ist. Das sieht man einem Jungen an, gerade einem sehr jungen Spieler. Er kam nach der Winterpause in die Kabine, wir haben kurz miteinander gesprochen, dann hat er trainiert. Und ich habe gesehen: Ah, er ist frisch. Auch wenn er in den kommenden Wochen vielleicht noch kein Tor schießt oder vielleicht mal schlecht spielt. In seinem Kopf ist er wieder frisch. Und das ist wichtig.

Haben Sie noch Hoffnungen, dass Havertz und auch Charles Aránguiz vielleicht doch über den Sommer hinaus in Leverkusen bleiben könnten?

Ich hoffe es natürlich. Ob es realistisch ist? Das ist eine andere Frage. Ich will immer mit den besten Spielern arbeiten.

Mit Kerem Demirbay, Nadiem Amiri und Exequiel Palacios stünde potenzieller Ersatz bereits zur Verfügung.

Man kann Spieler nicht miteinander vergleichen, das hasse ich. Es gibt keinen zweiten Spieler wie Kai Havertz. Da kann die Scouting-Abteilung auf jedem Feld in Europa suchen – nirgends wird es einen solchen Spieler geben. Ich gucke immer auf die Spieler, die mir zur Verfügung stehen. Das ist meine Aufgabe, aus diesen Spielern muss ich eine Mannschaft machen. Vielleicht dann mit anderen Qualitäten und anderen Schwerpunkten. Und wenn Kai gehen sollte, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass noch ein neuer Spieler kommt. Die Mannschaft darf sowieso nicht abhängig sein von nur einem Spieler. Es ist auch meine Aufgabe, das sicherzustellen.

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Peter Bosz im Trainingslager in La Manga

Wer wird 2020 Deutscher Meister?

Das wird Bayern München sein. Sie haben noch nicht ihre beste Leistung gebracht, aber sie haben die besten Spieler.

Und Bayer 04 landet unter den Top vier.

Ich hoffe es. Das wäre eine super, super Leistung.

Sie werden, gerade in den Niederlanden, wohl immer mit dem Team von Ajax Amsterdam verknüpft sein, das 2017 bis ins Finale der Europa League kam. Lässt sich die Mannschaft irgendwie mit Bayer 04 vergleichen?

Schwierig, das war ein junges Team damals. Im Vergleich damit ist Leverkusen ja fast schon eine alte Mannschaft für mich (lacht). Die Final-Mannschaft von 2017, das weiß ich noch, hatte ein Durchschnittsalter von 21,7 Jahren. Und das auch nur, weil wir mit Lasse Schöne einen 30-Jährigen in der Startelf hatten. Matthijs de Ligt war 17, Kasper Dolberg 18. Ein Großteil der Mannschaft war gerade aus der Jugend hochgekommen. Ich hatte die ganze Mannschaft umgebaut. Bei Bayer 04 hat sich von den Namen her nicht viel geändert im vergangenen Jahr. Dafür aber die Spielweise. Das ganze Spiel wurde weiter nach vorne geschoben. Das ist der große Unterschied.

Welche Veränderungen sind schwieriger umzusetzen: Neue Spieler in ein bestehendes System zu bringen oder einen alten Kader in einer neuen Taktik zu schulen?

Das ist schwer zu sagen. Immer wenn ich zu einem neuen Verein gekommen bin, wurde ich gefragt: Wie lange dauert es, bis dein System funktioniert. Und ich musste immer antworten: Ich habe keine Ahnung. Bei Ajax hat es drei Monate gedauert. Am schnellsten ging es bei Leverkusen. Schon das erste Spiel gegen Gladbach war sehr gut – auch wenn wir es leider verloren haben. Die Spieler hatten meine Vorstellungen aber sehr gut umgesetzt.

Die Sommer-Neuzugänge Demirbay, Amiri und Moussa Diaby haben allerdings eine Weile gebraucht, um sich zurechtzufinden.

So wie wir trainieren, ist es für alle Spieler eine Umstellung. Egal, wo sie herkommen. Da brauchen sie immer etwas mehr Zeit. Bei Moussa kam noch dazu, dass er kein Deutsch sprechen konnte.

Sie werden Ihren auslaufenden Vertrag bei Bayer 04 in den nächsten Tagen verlängern – vermutlich bis 2022.

Ich glaube, dass es sich vor dem Paderborn-Spiel entscheiden wird. Wenn die Rückrunde anfängt, wird Klarheit herrschen. Beide Parteien, der Verein und ich, wir haben die Absicht, miteinander weiterzuarbeiten. Ich bin sehr zufrieden und der Verein ist auch sehr zufrieden.

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Peter Bosz

Wie sind die Gespräche gelaufen?

Man redet über alles, es war locker. Was mir gefällt, was mir weniger gefällt, wie der Verein das sieht. Neuzugänge, Ziele – über all diese Sachen.

Was Ihnen weniger gefällt, werden Sie an dieser Stelle wohl nicht verraten…

Nein, das müssen meine Gesprächspartner nicht noch in der Zeitung lesen. Sie wissen es ohnehin.

Ein Blick in die Zukunft: Gibt es andere Ligen, die Sie als Trainer reizen würden?

Ich würde es nicht auf Länder und Ligen beziehen, sondern auf Vereine. Der Klub muss wissen, was für einen Trainer er sich holt. Und der Verein, der mich holt, weiß, was er bekommt. Man kann vieles über mich sagen, aber nicht: Mal abwarten, was dann kommt. Offensivfußball kann man in Deutschland, England, Spanien und sogar in Italien spielen. Aber ganz ehrlich: Ich will nicht mehr 15 Jahre Trainer sein.

Haben Sie sich ein Renten-Eintrittsalter gesetzt?

Das werde ich nicht machen. Aber in 15 Jahren wäre ich 71 (lacht). Und dann werde ich nicht mehr im Trainingsanzug auf dem Platz oder an der Linie stehen. Die Trainer, die das machen, respektiere ich natürlich. Jeder muss das für sich selbst entscheiden. Aber das heißt auch: Wenn ich hier verlängere, dann ist es gut möglich, dass es vielleicht sogar meine letzte Trainerstation ist. Aber ich werde mich nicht festlegen. Wenn ich sagen würde: Noch vier Jahre, dann ist Schluss – und dann kommt Barcelona… (schmunzelt) Das ist schwierig.