Borussia Mönchengladbach spielt am Samstagabend bei RB Leipzig.
Patrick Herrmann würde, wenn er zum Einsatz kommt, sein 320. Pflichtspiel für Gladbach absolvieren und damit Rainer Bonhof überholen.
Im Interview spricht der Stürmer über Rekorde, das Titelrennen, Friseure und den 1. FC Köln.
Mönchengladbach – Er ist ja oft bei uns der Kabine. Anfang der Saison habe ich ihn schon vorgewarnt: Bald habe ich dich (lacht). Er antwortete mir, dass er mir das auch von Herzen gönnt. Dass ich ihn jetzt wirklich eingeholt habe, ist etwas, auf das ich stolz bin. Rainer Bonhof ist hier ein riesiger Name. Ich habe ihn zwar nur an Spielen überholt, aber das ist dennoch eine Ehre für mich.
Vor fast genau zehn Jahren haben Sie mit 18 Ihr erstes Punktspiel für Borussia bestritten.
Die Zeit ist brutal schnell vorbeigegangen. Ich erinnere mich noch an mein erstes Spiel gegen Bochum, als wäre es gestern gewesen. Ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper, als ich in den Borussia-Park eingelaufen bin. Für mich, der aus der eigenen Jugend kam, hatte sich an diesem Tag ein Traum erfüllt. Ich hätte damals nicht im Entferntesten damit gerechnet, dass daraus mindestens zehn Jahre werden und dass der Klub so eine steile positive Entwicklung nimmt.
Patrick Herrmann, geb. am 12. Februar 1991 in Uchtelfangen, Saarland, verheiratet, ein Sohn (Leonard, geboren im November 2019). Im Sommer 2008 wechselte er ins Internat von Borussia Mönchengladbach – und blieb dem Klub bis heute treu. Herrmann durchlief alle DFB-Jugendnationalteams. Zwei A-Länderspiele. (LW)
Sie sind auch Rekordhalter…
…zum Beispiel bei den Auswechslungen, ich weiß.
Öfter als Sie, 141 Mal, wurde noch nie ein Spieler in der Bundesliga ausgewechselt.
Damit habe ich mir einen Eintrag in den Geschichtsbüchern gesichert (lacht). Ich sehe das heute gelassener. Umgekehrt heißt das ja, dass man sehr viele Spiele von Anfang gemacht haben muss. Vielleicht liegt das auch an meiner Spielweise. Ich versuche immer alles rauszuhauen - bis nichts mehr geht. Wenn die Sieben auf der Tafel aufleuchtet, mache ich mir da keinen so großen Kopf mehr drum wie noch mit Anfang 20.
Vor einem Jahr kamen Sie kaum noch zum Zuge und standen vor dem Absprung. Wie war das?
Bis dahin war es nie eine Option für mich, Borussia zu verlassen. Aber mein Vertrag lief aus, und ich spielte selten. Auch vom Verein kam bisher dahin kein Signal. Ich musste mich mit Optionen beschäftigen, auch wenn ich das eigentlich nicht wollte. Es gab konkreten Kontakt zum VfB Stuttgart. Aber alleine schon die Überlegung, Borussia zu verlassen und ein anderes Trikot anzuziehen, war komisch für mich. Ich war dann sehr froh, dass mich Borussia dann doch nicht freigab. In der Rückrunde lief es besser für mich. Und als ich dann meinen Vertrag verlängerte, war ich an dem Tag vielleicht der glücklichste Mensch in Mönchengladbach. Da ist mir ein riesiger Stein vom Herzen gefallen.
Vom Trainerwechsel von Dieter Hecking zu Marco Rose haben Sie offenbar profitiert.
Für mich war es nicht schlecht, dass für alle Spieler alles wieder bei null angefangen hat. Ich konnte mich neu zeigen und beweisen.
Für was steht Marco Rose?
Für attraktiven Fußball. Wir pressen hoch, sprinten sehr viel. Es macht Spaß. Ich bin ein Offensivspieler, ich will immer im Strafraum vorne drin sein und Tore erzielen. Und das kann ich.
Und wie ist der Trainer als Typ?
Sehr umgänglich. Er hat Humor, schaltet aber gedanklich zur richtigen Zeit auch wieder um, findet die richtigen Worte und kann uns sehr gut motivieren. In der Kabine gibt er uns den letzten Schub.
Gladbach ist Dritter mit 36 Punkten. Ist Ihr Team damit nahe am Optimum?
Diese Ausbeute hätte vor der Saison jeder unterschrieben. Vor allem daheim läuft es überragend. Der Zusammenhalt und die Mentalität in der Mannschaft stimmen einfach. Wir haben sicher noch Tiefs, aber aus denen kommen wir besser heraus. Wir sind gereifter und stabiler als im letzten Jahr.
Wie geht Borussia mit der Meisterfrage um?
Jeder Fan und auch jeder Spieler darf träumen. Das Ziel eines jeden Sportlers sollte es sein, mal einen Titel zu gewinnen. Aber ich bin da am Ende zurückhaltender.
Spricht wieder alles für den FC Bayern?
Jein, ich habe die Leipziger stark auf der Rechnung. Sie spielen überragenden, erfrischenden Fußball. In dieser Saison ist RB mein Favorit.
Mit einem Sieg könnte Borussia aber Leipzig überholten.
Das könnten wir, stimmt. Aber die Saison wäre auch danach noch lange nicht vorbei.
Vor dem Spiel in Leipzig: Lässt die Mannschaft wie RB zuletzt noch einen Star-Friseur einfliegen?
Gibt’s den bei uns? (lacht). Ich kenne jedenfalls keinen. Wir sind da, um Fußball zu spielen.
Aber zeigt das Beispiel nicht auch, dass einige Profis die Bodenhaftung verloren haben?
Als Profi-Fußballer genießt du das Privileg, schon als junger Mensch verdammt viel Geld zu verdienen. Man darf sich etwas gönnen, keine Frage. Aber man sollte schon bodenständig bleiben. Mein Leben hat sich jedenfalls nicht groß verändert. Aber wie ein Spieler mit seinem Geld umgeht, das muss er schon ganz alleine für sich selbst entscheiden.
Ganz sicher. Zum Beispiel die Hierarchie: Wenn du damals als junger Spieler bunte Fußballschuhe getragen hast, dann bekamst du von den älteren Spielern gleich mal ein paar Sprüche verpasst. Im nächsten Training hast du dich das dann nicht mehr getraut. Ich weiß noch: Nach jedem Training musste ich mit Tony Jantschke die Bälle einsammeln und alle Gerätschaften reinholen. Heute packen eher alle mit an, das ist mehr ein Miteinander. Auch die sozialen Medien gab es damals so noch nicht. Ich habe zwar Instagram, aber ich brauche sie nicht so.
Sie haben aber auf Instagram mitgeteilt, dass Sie jüngst erstmals Vater geworden sind.
Stimmt. Und es hat mich gefreut, dass Leonard in Gladbach geboren wurde. Ich habe ihn sofort als Mitglied von Borussia angemeldet – und mich gleich mit. Das Leben ändert sich komplett, aber es ist verdammt schön. Meine Frau und ich suchen in Mönchengladbach gerade ein Grundstück. Denn wir wollen hier auch nach meiner Karriere sesshaft werden.
Also könnten Sie sich auch vorstellen, nach Ihrer Laufbahn für Borussia zu arbeiten?
Das würde sich anbieten und wäre sicherlich ein Wunsch von mir. Jugendtrainer bei Borussia wäre bestimmt ganz cool, aber gesprochen wurde darüber noch nicht. Das ist ja auch noch etwas hin.
Nach dem Spiel in Leipzig steht das Derby gegen den 1. FC Köln an.
Ich sage das nicht einfach so: Aber das Derby gegen den FC ist für mich etwas ganz Besonderes. Für mich ist es das Spiel der Saison mit dem höchsten Stellenwert. Das merkt man schon in der Woche davor. Das Derby liegt einfach in der Luft. Auch bei mir schlägt der Puls im Training dann höher. Und wenn wir dann mit dem Bus am Stadion ankommen, ist die Stimmung ganz anders als sonst. Man spürt sofort die Brisanz auf und neben dem Platz. Man weiß: Heute müssen wir gewinnen, egal, was es kostet. Wir haben eine gute Bilanz gegen Köln, aber der FC ist im Aufwind. Das wird kein Selbstläufer für uns. Aber wir sind es alleine schon den Fans schuldig, dass wir das Derby gewinnen.