Köln – In der heutigen Bundesliga-Kolumne beschäftigen wir uns vor allem mit einem Spiel. Weil es ein denkwürdiges war. Werder Bremen, bekanntlich Aufsteiger, schrieb am dritten Spieltag Bundesliga-Geschichte. Auf Kosten von Borussia Dortmund, das ja eigentlich Abo-Meister Bayern jagen will, sich aber auch reichlich dämlich anstellte.
Nach 88 Minuten lagen die Gäste trotz einer starken Leistung beim hohen Favoriten mit 0:2 zurück. Doch dann sorgten die Joker Lee Buchanan (89.), Niklas Schmidt (90.+3) und Oliver Burke (90.+5) für eine spektakuläre Wende zum furiosen 3:2-Sieg der Bremer, die – norddeutsch passend – seit dieser Saison ein neues Ausweichtrikot in der Farbe Lachs haben. Noch nie hatte eine Mannschaft ab der 89. Minute noch drei Treffer erzielt. Den Siegtreffer hatte übrigens Mitchell Weiser, für den sein Ex-Klub Bayer 04 Leverkusen rein gar keine Verwendung mehr hatte, mit einem überragenden Steilpass auf Burke vorbereitet. „Die letzten Minuten waren pure Emotionen, das war Wahnsinn“, sagte Werder-Trainer Ole Werner. Rational erklären könne er das nicht. Der erst 34-jährige Coach fügte an: „Um diese Momente im Stadion zu erleben, dafür ist man Sportler geworden. So einen spektakulären Spielverlauf kann man sich nicht mal als Kind ausmalen.“ Widerspruch gab es keinen.
Borussia Dortmund ist dagegen nach dem Last-Minute-K.o. im Frustmodus.
„Das ist brutal ärgerlich, brutal dämlich“, schimpfte BVB-Trainer Edin Terzic. Dabei hatte der Vizemeister nach der 2:0-Führung durch Julian Brandt (45.+2) und Raphael Guerreiro (77.) seinem dritten Saisonsieg und der Tabellenführung entgegengesteuert, doch dann brachen alle Dämme. „Das wird uns ein paar Tage beschäftigen. Das werden wir analysieren, weil wir insgesamt kein gutes Spiel gemacht haben“, klagte Sportdirektor Sebastian Kehl. Besorgniserregend war vor allem das sorglose Defensivverhalten. Beim Bremer Anschlusstreffer war die gesamte Abwehr in der Verlosung, beim 2:2 ging Emre Can ging nicht ins Kopfballduell mit Schmidt, und beim Bremer Siegtor gab Nationalspieler Niklas Süle bei seinem Liga-Debüt eine ganz schlechte Figur ab.
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Salih Özcan, der BVB-Neuzugang aus Köln, hätte nach überstandener Verletzung mit seiner Aggressivität und Emotionalität der Borussia sicher gut getan, wurde von Terzic aber nicht eingewechselt. Özcans ehemaliger FC-Teamkollege Anthony Modeste durfte dagegen 81 Minuten im BVB-Angriff… Ja, was eigentlich? Die Bilanz des Neuzugangs spricht für sich: zwölf Ballkontakte, null Torschüsse, null Vorlagen, zwölf Prozent gewonnene Zweikämpfe.
Die andere Borussia aus Mönchengladbach hat den BVB an diesem Spieltag in der Tabelle überholt. Nach einer verkorksten Saison hat der neue Trainer Daniel Farke für Aufbruchsstimmung gesorgt.
„Diese sieben Punkte kann uns keiner nehmen. Das haben die Fans verdient, sie dürfen auch groß denken“, befand Farke nach dem hart erkämpften 1:0 gegen Hertha BSC, gab sich dann aber betont realistisch: „Wir sind weit davon entfernt, eine Spitzenmannschaft zu sein. In unserer Situation ist jeder Punkt Gold wert.“ Doch trotz aller Transfer- und Wechselspekulationen hat der neue Coach sein Team längst mitgenommen. „Die Stimmung ist eine andere. Letzte Saison war für uns alle kompliziert. Ich habe gerade einfach unfassbar viel Spaß auf dem Feld“, sagte Mittelfeldspieler Christoph Kramer, der wieder fester Bestandteil des Teams ist. Jetzt fiebern die Fohlen dem Spitzenspiel am kommenden Wochenende beim FC Bayern entgegen.
Und dann stellten zwei Klubs erneut unter Beweis, dass ihre Erfolge in der jüngeren Vergangenheit keine Eintagsfliegen waren.
Union Berlin und der SC Freiburg scheinen sportlich irgendwie alles richtig zu machen. Neuzugänge schlagen fast immer ein, Abgänge von wichtigen Spielern werden offenbar problemlos ersetzt, die Mechanismen greifen sofort, auf den Trainerbänken herrscht ohnehin mit Urs Fischer (Union) und Christian Streich (Freiburg) seit Jahren Kontinuität. Freiburg ist nach dem 1:0-Sieg im Süd-Schlager in Stuttgart wieder oben dabei, Union bezwang die ambitionierten Leipziger mit 2:1 und machte den Fehlstart von RB perfekt. Während bei den Köpenickern vieles so harmonisch wirkt, kehrt bei den Sachsen Unruhe ein. Von einem Bayern-Jäger, als den sie sich gerne sehen würden, sind sie mit nur zwei von neun möglichen Punkten meilenweit entfernt. Star-Neuzugang Timo Werner unkte bereits: „Es ist nicht genug. Ich will nicht sagen, dass harte Zeiten auf uns zukommen. Aber wir müssen dringend mal ein Spiel gewinnen, sonst wird es wirklich sehr dunkel.“