Vier Monate nach der verkorksten Weltmeisterschaft in Katar kommt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zu zwei Testspielen zusammen.
DFB-Auswahl vor Test in KölnHansi Flicks Baustellen auf dem Weg zur Heim-EM
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist erstmals seit dem frühen Aus bei der WM in Katar wieder zusammengekommen. Die Mannschaft von Bundestrainer Hansi Flick bereitet sich derzeit in Frankfurt auf die anstehenden Länderspiele in Mainz gegen Peru (Samstag, 20.45 Uhr) und am Dienstag in Köln gegen Belgien (20.45 Uhr). 15 Monate vor der EM in Deutschland beginnt ein neuer Turnierzyklus, und DFB-Sportdirektor Rudi Völler bemüht sich bereits, eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen und die Konkurrenz unter den deutschen Profis zu schüren. Nach den aktuellen Tests folgt im Juni eine weitere Abstellungsphase, anschließend bleibt dem Bundestrainer ein Jahr bis zur Heim-EM.
Welche Spieler sind nominiert?
Nicht nominiert jedenfalls sind so prominente und mit ihren Vereinen derzeit erfolgreiche Spieler wie Antonio Rüdiger, İlkay Gündoğan, Niklas Süle Thomas Müller oder Leroy Sané. Flick erklärte das mit Belastungssteuerung. Die Profiligen gehen in ihre entscheidenden Phasen, in der Champions League läuft die K.-o.-Runde. Da wollte der Bundestrainer offenbar lieber konsequent testen, statt Stars zu berufen, die er ohnehin nicht in Tests auf dem Platz sehen muss.
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Deshalb beriefen Flick und sein Stab sechs Debütanten: Kevin Schade (21), Ex-Freiburger von Premier-League-Klub FC Brentford. Dazu Mergim Berisha (24, Augsburg), Josha Vagnoman (22, Stuttgart), Malick Thiaw (21, AC Mailand) und Felix Nmecha (24, VfL Wolfsburg). Außerdem Marius Wolf (27), der in der vorletzten Saison von Borussia Dortmund an den 1. FC Köln ausgeliehen war und dort durchaus überzeugte. Allerdings war die Kölner Bilanz mit Wolf als Rechtsverteidiger eher dürr. Umso verblüffender, was der gebürtige Oberfranke derzeit auf dieser Position leistet.
Wer fehlt?
Jamal Musiala vom FC Bayern ist verletzt, was schade ist. Denn gern hätte man gesehen, wie eine Mannschaft spielt, die Chelseas Kai Havertz, Florian Wirtz von Bayer 04 und Musiala gleichzeitig auf dem Platz hat. Ebenfalls verzichten müssen die Fans auf die Wiedervereinigung des Duos Julian Brandt/Havertz, das in der Saison 2018/19 die Fans von Bayer Leverkusen verzückte. Doch auch Brandt ist verletzt.
Wie läuft der Verjüngungsprozess in Flicks Auswahl?
Rudi Völler hat bereits eine „wichtige Message“ an die Junioren-Spieler gerichtet, der Inhalt: Jeder habe noch die Möglichkeit, auf den EM-Zug aufzuspringen. Es könne „ganz schnell“ gehen, sagt Völler. Der deutsche Fußball erinnert sich gern an die sechs U-21-Europameister vom 2009, die fünf Jahre später in Rio Weltmeister wurden: Manuel Neuer, Mats Hummels, Benedikt Höwedes, Jérôme Boateng, Sami Khedira, Mesut Özil. Derzeit stehen fünf Europameister von 2021 im A-Kader: David Raum, Nico Schlotterbeck, Mergim Berisha, Florian Wirtz, Josha Vagnoman waren dabei, als Stefan Kuntz’ Mannschaft in Ljubljana das Finale gegen Portugal gewann.
Wie geht es Hansi Flick?
Ganz gut offenbar. Der Bundestrainer hat nach der WM Urlaub gemacht; er sei auch körperlich am Ende seiner Kräfte gewesen. Zuletzt hat er den Austausch mit den Trainern der Bundesligisten gesucht, war auch bei Steffen Baumgart in Köln. Der Bundestrainer ist motiviert, nach der WM wieder Ergebnisse zu liefern. „Wenn du eine Vereinsmannschaft trainierst, hast du relativ schnell die Chance, gewisse Dinge geradezurücken. Das ist bei der Nationalmannschaft so nicht möglich“, sagte er vergangene Woche dem „Kicker“.
Ist das WM-Aus in der Gruppenphase in Katar aufgearbeitet?
Jedenfalls werden Probleme benannt. Fußballerisch, körperlich und taktisch hat es Mannschaften gegeben, die schlechter waren als Deutschland – und die dennoch weiter gekommen sind. Das ist ein Problem, das durchaus grundsätzlicher Natur ist. Offenbar hofft man, sich bei Weltmeister Argentinien, aber auch beim Halbfinalisten aus Marokko etwas abgeschaut zu haben. Es geht darum, „Einheit, Teamgeist, Leidenschaft und Spirit“ herzustellen und mit den technischen Begabungen der Spieler zu verbinden, sagt Rudi Völler. Die DFB-Elf wird versuchen, an alte Zeiten anzuknüpfen, in denen die Mannschaft grundsätzlich jedes Spiel gewinnen wollte und eigentlich auch musste. Und sich nicht wie in Katar über ein Remis gegen die ja dann ebenfalls früh gescheiterten Spanier zu freuen, obgleich ein Sieg das Aus in der Gruppenphase verhindert hätte. „Ergebnisse spielen immer eine Rolle. Siege geben Vertrauen in die eigene Stärke, davon hatten wir vor Katar zu wenig. Auch das hat eine Rolle bei der WM gespielt“, hat Flick erklärt.
Was muss also besser werden?
Der Kader gewinnt keine Titel, das haben bei der WM neben den Deutschen auch die Brasilianer und Franzosen eindrucksvoll bewiesen. Statistisch hat die DFB-Elf kein schlechtes Turnier gespielt, doch ist eben mehr schiefgelaufen als bloß die 20 Minuten gegen Japan: Die Gegner haben aus wenigen Chancen viele Tore gemacht und Deutschland aus vielen Chancen zu wenige. Ein problematisches Muster. Muss sich ändern.
Wie will die Mannschaft nun ihre Fans zurückholen, um in einem Jahr in einem fußballbegeisterten Land die EM auszutragen?
Der Rückhalt hat ja nicht nur angesichts der Debatte um Katar und den verunglückten Umgang der DFB-Spitze mit dem Thema „One-Love-Binde“ gefehlt. Die Mannschaft hat in den Monaten vor dem Turnier kaum einmal öffentlich trainiert, die Spielleistungen waren dürftig. Und die Anstoßzeiten gewohnt Kinder-unfreundlich. Immerhin hat Flick in Frankfurt nun wieder vor Publikum trainieren lassen, doch hat der Bundestrainer schon wieder erklärt, man müsse sich bei allem Verständnis für die Fans auf den Sport konzentrieren. Und die Spiele gegen Peru und Belgien finden wie gewohnt am Abend statt, der DFB verwies auf die schwierige Vertrags- und Ertragslage des Verbands. Der Generationswechsel gestaltet sich auch auf den Tribünen schwierig.