Im KStA-Interview spricht DFB-Präsident Bernd Neuendorf über das Pokalfinale in Köln und die TV-Krise rund um die Frauen-WM.
DFB-Präsident über FrauenfußballNeuendorf: „Köln ist für uns der ideale Standort“
Wie hat sich das Pokalfinale der Frauen in Köln in den vergangenen Jahren entwickelt?
Bernd Neuendorf Ich habe die Entwicklung schon als Präsident des Fußballverbands Mittelrhein aus nächster Nähe erlebt und gesehen, was das für eine großartige Veranstaltung ist. Neben dem hochklassigen Sport begeistert mich auch das Geschehen auf den Vorwiesen. Dieses Gesamtkonzept aus Fußball und Familienfest ist absolut überzeugend. Das macht für mich den einzigartigen Reiz aus. Es geht zwar an diesem Tag um den Gewinn des DFB-Pokals, es geht um einen Titel und das damit verbundene Renommee. Aber es geht darüber hinaus aber auch um das übergeordnete Thema Frauen im Fußball.
Es gab in Köln unlängst das Rekordspiel der Frauen-Bundesliga, nun gibt es einen Vorverkaufs-Rekord für das Pokalfinale.
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Ich kann nur sagen: Köln ist ein Super-Standort nicht nur für das DFB-Pokalfinale der Frauen, sondern generell für den Fußball. Das hat mit dem größten Verein der Stadt zu tun, mit dem FC, der sehr offen ist für das Thema Frauenfußball. Der FC hat viele leidenschaftliche Fans, die sich sehr stark mit ihrem Klub identifizieren, weit über die Männermannschaft hinaus. Aber es hängt auch mit der gesamten Stadtgesellschaft zusammen, die sehr offen und begeisterungsfähig ist, wenn es um Sport geht. Für uns bedeuten die Rahmenbedingungen in Köln einen idealen Standort.
Wohin könnte der Frauen- und Mädchenfußball wachsen?
Was wir zurzeit erleben, ist ja kein Zukunftsmodell mehr. Es ist die Gegenwart. Es gibt nach der Europameisterschaft im vergangenen Jahr eine große Sichtbarkeit und einen Bedeutungszuwachs für das Thema Frauen im Fußball. Das hat sicher Einfluss auf den Gewinn von Sponsoren. Deren Geld wird dringend benötigt, wenn wir den Frauenfußball in Deutschland weiter professionalisieren wollen. Wir sind da auf einem guten Weg.
Was sind die Wachstumstreiber?
Wir sehen einen starken Zusammenhang mit den Erfolgen der Frauen-Nationalmannschaft. Das ist ein Unterschied zu den Männern, bei denen neben unseren Länderspielen auch die Spiele in den Profiligen schon sehr lange sehr gut besucht sind und viel Aufmerksamkeit erfahren. Bei den Frauen ist es aktuell eher so, dass die Nationalmannschaft die Bundesliga mitzieht. Daher ist es für uns sehr erfreulich, dass wir ein Nationalteam mit so starken und begeisternden Persönlichkeiten haben. Weiterhin bin ich davon überzeugt, dass die infrastrukturellen Möglichkeiten der Profiklubs dazu beitragen werden, dass wir im Frauenfußball schon bald ein neues Level sehen. Für uns zählt, über professionelle Rahmenbedingungen in den Klubs auch die Nationalmannschaft dauerhaft zu stärken. Und jenseits des Leistungssports möchten wir natürlich möglichst viele Mädchen und Frauen dazu zu bringen, in die Vereine zu gehen und einfach Spaß am Fußball zu haben.
Ist die Erweiterung der Frauen-Bundesliga von derzeit zwölf Mannschaften ein Ziel?
Wir diskutieren das permanent. Es wird von der Entwicklung in den Lizenzklubs abhängen. Noch gibt es meines Erachtens sogar innerhalb der Flyeralarm-Frauen-Bundesliga ein zu großes Gefälle, um bereits über eine Aufstockung nachzudenken. Aber ganz klar: Sollte es eines Tages eine ausgeglichene Frauen-Bundesliga mit 18 Vereinen geben, wäre das ein positives Zeichen für die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland.
Nun droht für die WM in Australien und Neuseeland der so genannte Blackout: Weniger als drei Monate vor Turnierstart ist noch nicht klar, ob es bei uns Livebilder im TV geben wird.
Da muss unbedingt eine Lösung her. Wir haben nicht mehr viel Zeit, eine angemessene Berichterstattung braucht ja auch eine gewisse Vorbereitung. Es wird über Geld gestritten. Aber vielleicht sollten sich die Sender und die FIFA auch einmal nüchtern die politische Frage stellen, ob sie sich einen Blackout wirklich erlauben können. Es geht um ein klares Bekenntnis für den Frauenfußball.
Es ist eine Zwickmühle: Einerseits heißt es, Gianni Infantino und der Fifa gehe es nur ums Geld. Andererseits kann Infantino sagen: Jetzt zeigt mal, was euch der Frauenfußball wirklich wert ist. Der DFB und Sie gehören nicht zu den Konfliktparteien, dennoch betrifft es sie massiv.
Sie können davon ausgehen, dass ich im Hintergrund versuche auf eine Lösung hinzuwirken. Als Mitglied des Fifa-Councils werde ich mich engagieren, um die verschiedenen Positionen zusammenzuführen.
Nach der erfolgreichen EM 2022 und dem Bundesliga-Boom wäre ein TV-Blackout ein massiver Rückschlag für den Frauenfußball in Deutschland.
Die Trophy Tour, die Präsentation des WM-Pokals in allen Teilnehmerländern, fand vor zwei Wochen in Berlin statt – nicht irgendwo, sondern im Außenministerium. Anwesend waren die Botschafter Australiens und Neuseelands. Das zeigt nochmal die große Bedeutung des Turniers. Ich habe auch mit Außenministerin Baerbock über das Thema gesprochen. Wir alle versuchen, dabei zu helfen, zu einer Lösung zu kommen.
Der DFB hat als Ziel bis 2027 einen großen Titel ausgegeben. Was trauen Sie der DFB-Elf in Australien und Neuseeland zu?
Ich denke, dass wir gute Chancen haben. Wir wissen, dass eine hochmotivierte Mannschaft an den Start gehen wird. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hat enorme sportliche Kompetenz und einen hervorragenden Umgang mit den Spielerinnen – das ist eine gute Grundlage. Ich bin mit Blick auf die WM in Australien und Neuseeland sehr optimistisch und voller Hoffnung.
Bernd Neuendorf verteidigt Prämien für DFB-Frauen
Vor dem Turnier stehen noch die Prämien-Verhandlungen mit der Mannschaft an. Für den Titel in Katar hätte 2022 jeder DFB-Spieler 400.000 Euro erhalten, bei der letzten Frauen-WM wären es 75.000 pro Spielerin gewesen. Wird es einen weiteren Schritt in Richtung Equal Pay geben?
Diese Debatte wird hier weder seitens der Spielerinnen noch der Trainerinnen geführt. Es ist aus meiner Sicht vor allem eine Diskussion, die in den Medien und in der Politik eine Rolle spielt. Beim DFB stehen wir mit unseren Prämien – wie etwa bei der EM im vergangenen Jahr – im Vergleich zu anderen Nationen sehr gut da. Aber selbstverständlich wollen wir auch diese Entwicklung weiter vorantreiben. Es handelt sich um einen Prozess, in dem wir stetig vorankommen.
Was sagen die Spielerinnen und Trainerinnen zu der Debatte?
Natürlich wollen die Spielerinnen eine finanzielle Anerkennung, wenn sie ins Finale kommen oder einen Titel holen. Aber ihnen geht es vor allem auch um nachhaltige Fortschritte: Was können wir im Zuge eines solchen Turniers auch strukturell für den Frauenfußball erreichen? Solche Themen treiben die Spielerinnen um. Ich finde es toll, wenn man sich gemeinsam Gedanken darüber macht, welche Fortschritte für den Frauenfußball man anlässlich einer WM gemeinsam mit dem DFB für den gesamten Frauenfußball realisieren kann. Diese Gespräche finden gerade statt – es geht nicht nur ums Geld.
Deutschland möchte mit Belgien und den Niederlanden die Frauen-WM 2027 austragen. Wie schätzen Sie die Chancen der Bewerbung ein?
Wir werden eine sehr überzeugende Bewerbung abliefern. Bei uns gibt es großartige Voraussetzungen für ein solches Turnier, gerade auch beim Aspekt der Nachhaltigkeit. Das Turnier wäre mit Spielen in Belgien, den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen sehr kompakt. Es wäre ein Turnier der kurzen Wege. Wir haben mit Dortmund einen möglichen Finalspielort mit einem Stadion für 65.000 Zuschauer*innen. Durch die anderen Bewerbungen von Südafrika, Brasilien sowie den USA und Mexiko haben wir eine spannende Konstellation: Vier der sechs Kontinentalverbände bewerben sich. Das sind starke Konkurrenten. Aber ich glaube, dass wir sehr selbstbewusst sein können. Wir haben gute Argumente, um auf dem Fifa-Kongress im Mai 2024 hoffentlich eine Mehrheit unter den 211 Mitgliedsverbänden für unsere Bewerbung zu bekommen.