Klaus Allofs spricht über die Kritik an „Fortuna für alle“, die Krise der DFB-Männer und verrät, warum er neidisch auf den 1. FC Köln ist.
Fortuna-Vorstand Klaus Allofs im Interview„Steffen Baumgart erreicht die Seele der Kölner“
Herr Allofs, Sie sind im Herbst 2019 bei Fortuna Düsseldorf als Vorstand angetreten. Wie viel von Ihrer Vision konnten Sie schon umsetzen?
Klaus Allofs: Bei dieser Vision geht es um das Ziel, den Klub dauerhaft in der Ersten Liga zu etablieren, aber auch um wirtschaftliche Entwicklungen, darum, wie der Verein wachsen kann, wie er seine Stellung in der Stadt verbessern kann. Das treibt mich vom ersten Tag an. Ist das hier möglich, oder sind die Felle schon an die großen Klubs im direkten Umfeld verteilt? Bei Vereinen wie dem 1. FC Köln, Borussia Mönchengladbach oder Bayer 04 Leverkusen ist so viel geschehen in den vergangenen Jahren, als Fortuna zum Teil nicht mal zweitklassig war. Diese Klubs sind so weit einteilt, dass wir mit einer normalen Entwicklung nur noch ganz schwer Anschluss finden könnten.
Sie gehen mit dem Projekt „Fortuna für alle“, bei dem sie Zuschauern freien Eintritt zu ausgewählten Heimspielen gewähren werden, ganz neue Wege. Wird das nun der Schritt, der Fortuna nach vorne bringt?
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Ich bin hoffnungsfroh. Wachstum ist im Fußball nichts Gegebenes mehr, wir müssen uns in gewissen Bereichen auf Stagnation einstellen. Es sind nach der Corona-Pandemie schwierige Zeiten für den Fußball. Mit „Fortuna für alle“ haben wir anders gedacht und wagen etwas. Deshalb bin ich optimistisch, die Entwicklung der Fortuna zu beschleunigen.
Das internationale Echo auf „Fortuna für alle“ war sehr groß. Es gab Applaus, aber auch viel Skepsis. Was entgegnen Sie, wenn das Projekt als PR-Gag abgetan wird?
Darüber bin ich ein bisschen verärgert. Wir können reinen Gewissens sagen, dass es kein PR-Gag ist. Für einen PR-Gag hätten wir nicht 15 Monate Zeit investiert. Nein, es steckt Überzeugung dahinter. Es ging uns nicht um kurzfristige Aufmerksamkeit. Wir sind in der Pilotphase, haben dafür drei Spiele gegen Kaiserslautern, Braunschweig und St. Pauli ausgewählt. Jetzt können wir zeigen, welches Potential dahintersteckt.
Wie war die Resonanz, die Sie bisher erreicht hat?
Es ging von „sehr spannend“ und „toller Ansatz“ über Anerkennung für unseren Mut bis hin zu skeptischen Aussagen. Skepsis ist erlaubt, wir haben auch immer gesagt: Für uns ist das ein maßgeschneidertes Projekt für den Standort Düsseldorf. Für Köln zum Beispiel vielleicht eher nicht.
Was ist für Fortuna in der kommenden Saison sportlich drin?
Es ist noch zu früh, das zu sagen. Aber wir müssen ambitioniert bleiben. Das muss eine Charaktereigenschaft sein. Hohe Ziele sind eine große Motivation. In dieser Stadt kann es nicht ausreichen, Zweitligaklub zu sein. Unser Wunsch ist es, aufzusteigen. Aber das wünschen sich andere auch.
Die Zweite Liga wirkt sehr ausgeglichen. Wer kann aufsteigen?
Hertha BSC, Schalke 04, Hamburger SV, Paderborn, Hannover, Karlsruhe, Nürnberg, St. Pauli, Kaiserslautern, Fürth – sie werden es vielleicht nicht alle öffentlich formulieren, aber alle wollen aufsteigen. Wenn wir sehen, was andernorts in die Kader investiert wird, haben auch alle der genannten Klubs eine Berechtigung, so ambitioniert zu sein.
Schauen wir mal eine Etage höher. Sie haben zwischen 1981 und 1986 220 Pflichtspiele für den 1. FC Köln absolviert. Wie intensiv verfolgen Sie noch den FC?
Schon intensiv, ich schaue genau hin, ohne aber jeden Tag alle Nachrichten zu verfolgen. Für mich war der Wechsel von Fortuna zum FC damals ein ganz wichtiger Schritt. Dass der 1. FC Köln bereit war, die zu dieser Zeit höchste Ablösesumme für mich zu bezahlen, war ein großer Vertrauensbeweis. Ich habe sehr gerne für den FC gespielt. Ich war Kapitän, hatte tolle Mitspieler. Am 5. August bin ich eingeladen zum FC-Spiel anlässlich des Pokalsiegs vor 40 Jahren – den bisher letzten Kölner Titel. Aber ich bin natürlich beim Fortuna-Spiel auf St. Pauli, kann leider nicht kommen. Es war eine tolle Zeit, in der ich mich gut weiterentwickelt habe und für die Nationalelf empfehlen konnte.
Ihr Coach Daniel Thioune kommt in Düsseldorf sehr gut an, in Köln gilt das gleiche für Steffen Baumgart. Wie bewerten Sie ihn?
Das passt einfach wie die Faust aufs Auge. Baumgart passt zum FC, er erreicht die Seele der Kölner. Er stiftet eine Identität und sorgt für Begeisterung, die außergewöhnlich ist. Aber: Das Wichtigste sind die Inhalte – und die kommen eben auch noch hinzu. Es ist zwar etwas platt: Aber ein Trainer im Anzug würde nicht zum FC passen. Am Ende ist natürlich immer der Erfolg entscheidend.
Besuchen Sie auch Spiele in Köln?
Ich war zuletzt mal wieder da und schon ein wenig neidisch. Als ich in Müngersdorf gespielt habe, war das alles anders. Wenn man jetzt sieht, was da an einem Spieltag los ist, ist das schon beeindruckend. Die Folklore ist leistungsfördernd, sie holt etwas aus den Spielern heraus. Das hätte ich früher auch gerne gehabt. Und ein bisschen mehr davon würde uns jetzt auch in Düsseldorf ganz guttun.
Wo ordnen Sie den FC in der kommenden Bundesliga-Saison ein?
Sie haben in Ellyes Skhiri und Jonas Hector wichtige Spieler verloren. Es wird spannend sein, wie sie das ersetzen können. In der Bundesliga ist es so: Spielt man nicht um die internationalen Plätze, spielt man gegen den Abstieg. Ich werde interessiert hinschauen, wie der FC das lösen wird.
Wie bewerten Sie das Titelrennen, werden die Bayern auf Strecke zu schlagen sein?
Tja, es gilt alle Jahre wieder das gleiche: Wenn die Bayern schwächeln, muss man da sein. Das kommt nicht so häufig vor, in der vergangenen Saison schon, da ist Borussia Dortmund aber nicht durch die Tür gegangen. Der FC Bayern ist im Umbruch. Ich bin davon überzeugt, dass wir keinen Alleingang, sondern wieder eine spannende Saison erleben werden. Es wird interessant, was in Leipzig und Dortmund passiert. Aber auch Frankfurt und Leverkusen haben spannende Kader.
Als Ex-Nationalspieler werden Sie auch die DFB-Elf sicher intensiv verfolgen. Der Haussegen hängt schief. Was muss passieren?
Auch in der Vergangenheit wurde nicht immer gut gespielt und es gab auch mal ein frühes Aus bei einem Turnier. Jetzt war zwei Mal in der WM-Gruppenphase und einmal im EM-Achtelfinale schon Schluss. Wir haben genügend Talente, aber wir bekommen es zurzeit als Mannschaft einfach nicht hin. Ich kann es den beiden nicht ersparen: Das zu ändern, liegt in der Hand von Hansi Flick und Rudi Völler. Das wissen die beiden natürlich auch. Wenn Rudi dieses Problem nicht erkannt hätte, würde es mich sehr wundern. Er weiß, was die Zutaten für Erfolg sind. Für die EM 2024 muss jetzt erstmal kurzfristig ein anderer Geist in der Nationalelf einkehren.
Trauen Sie Hansi Flick und Rudi Völler den Umschwung im Hinblick auf die Heim-EM zu?
Inhaltlich traue ich das den beiden zu. Die Frage ist, wie schnell Änderungen sichtbar werden. Je weniger Ergebnisse geliefert werden, desto mehr schwindet das Vertrauen der Fans, aber auch der Spieler. Und dann würde es zu einer Eigendynamik kommen, die wir nicht gebrauchen können.
Wie sehen Sie die Stürmerdiskussion?
Ich freue mich für Niclas Füllkrug. Werder hat wieder einen deutschen Nationalstürmer. Aber es ist generell ein bisschen wenig, wenn wir nur Füllkrug als Mittelstürmer haben.
Kommen wir zur DFL. Das „Nein“ zum Investoren-Einstieg hat hohe Wellen geschlagen. Wie stehen Sie zur Abstimmung?
Zunächst: Ich finde es nicht richtig, dass sich Klubs in dieser wichtigen Abstimmung enthalten haben. Zudem war der Vorgang schwierig, weil es so wirkte, als sei nicht allen klar gewesen, wofür man überhaupt abstimmt. Wir waren in der Sache gegen die sofortige Entscheidung, aber dafür, die Gespräche weiter zu verfolgen. Wir wollten, dass es mehr Informationen gibt. Ich kann die Abstimmung nicht gut nachvollziehen. Es hätte durchaus sein können, dass man nach verlängerter Prüfungsphase zum selben Ergebnis gekommen wäre, aber es hätte wahrscheinlich nicht zu dieser Trennung zwischen den Klubs geführt. Jetzt stellen einige Erstliga-Klubs den Solidargedanken infrage. Das kann ein großes Problem werden. Wir brauchen mehr denn je diese Solidarität. Es wäre für den Fußball fatal, wenn wir den Solidargedanken aufgeben würden. Durch die positive Zuschauerentwicklung muss man sogar den Wert der Zweiten Liga nochmal neu diskutieren.
Die DFL steht nun vor der Zerreißprobe. Gibt es überhaupt noch eine Lösung, das Bündnis aller 36 Klubs zu erhalten?
Die Antwort liegt in der Frage: Geht Fußball auch ohne die typischen Zweitligaklubs? Geht Fußball auch so? Wenn die Antwort ja ist und dann Superliga heißt, bezweifle ich, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen. Da bin ich Traditionalist. Fußball lebt auch vom Lokalcharakter. Die große Herausforderung ist, dass die Verantwortungsträger – egal auf welchem Stuhl sie sitzen und welche Interessen sie berechtigterweise vertreten – Weitsicht entwickeln und im Zweifel auch auf Geld verzichten. Eine Prognose, wie es ausgeht, ist aber schwer.
Was ist ihre Forderung an die DFL und ihre neue Führung?
Es braucht eine starke Führung. Die Ideen müssen so klar sein, dass man ihnen folgt. Zudem kann man nur an alle appellieren, dass man zu einer Gemeinschaft zurückkehrt und die Interessen des Ganzen im Auge hat.