Julian Köster ist mit 23 Jahren schon ein Hoffnungsträger im deutschen Team. Im Vorfeld war der Rückraumspieler vom VfL Gummersbach auch Botschafter für den Spielort Köln.
HandballKölner Julian Köster ist eine Säule der deutschen Nationalmannschaft
Julian Köster schwebt leichtfüßig hinein ins Scheinwerferlicht, das sich an diesem Montagnachmittag im Untergeschoss der Lanxess-Arena auf ihn richtet, den Spieler des VfL Gummersbach. 2,02 Meter ist Köster groß, das prädestiniert ihn als wurfstarken Handballer für den Rückraum, doch im Konzept von Bundstrainer Alfred Gislason für die Heim-EM ist Köster auch als Mauer in der Abwehr vorgesehen, im Innenblock neben Kapitän Johannes Golla.
Am Mittwoch geht es los für das deutsche Team, ihr erstes EM-Spiel der Gruppe A gegen die Schweiz (20.45 Uhr/live im ZDF) ist gleich auch eine Partie der Superlative, auch wenn noch niemand den Spielverlauf kennt. Denn erwartet werden mehr als 53 000 Zuschauer in der Düsseldorfer Fußballarena, nie zuvor hat jemals ein Handballspiel auf dieser Welt ein größeres Publikum angezogen. Diesen Rekord aufzustellen, war auch das Ziel des EM-Ausrichters, des Deutschen Handball-Bundes (DHB). Köster, 23 Jahre jung, ist in diesem Spiel gesetzt, Gislason schätzt den vielseitigen Spieler und dessen Intelligenz auf der Platte ganz besonders. Zuletzt, im zweiten Testspiel gegen Portugal am vergangenen Samstag, war Köster zwischenzeitlich als vorgezogener Abwehrspieler in einer 3:2:1-Formation gefordert, was Gislason besonders gut gefiel – er lobte anschließend ausdrücklich die Arbeit des Gummersbacher Profis.
Aus der zweiten Liga in die Nationalmannschaft
Gislason nominierte Köster bereits für die EM 2022, damals spielte er mit Gummersbach noch in der Zweiten Liga, ein mutiger Vorstoß, der sich auszahlte. Denn Köster spielte sich mit selbstbewussten und erfolgreichen Abschlüssen sowie starker Arbeit in der Defensive in den Vordergrund. Was Gislason in Bezug auf seine Nominieung Kösters zu der Bemerkung veranlasste: „Viele haben mich für verrückt erklärt. Doch spätestens jetzt sollten alle Kritiker verstummt sein.“ Waren sie erst recht, als Köster auch beim nächsten Turnier, der WM in Polen und Schweden 2023, erneut auf sich aufmerksam machte – zu einem Zeitpunkt im Übrigen, zu dem er mehr Länderspiele als Bundesliga-Partien mit dem Aufsteiger VfL bestritten hatte. Das DHB-Team belegte Rang fünf.
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Nun also die Heim-EM in Deutschland, das Weltrekordspiel, die Schweiz als Gegner – „die Vorfreude ist extrem groß. Mein Vereinstrainer Gudjon Valur Sigurdsson hat ein Spiel in einem Fußballstadion schon erlebt, die Atmosphäre sei sehr speziell, sagt er. Ich selbst kann es nicht erwarten, zu erfahren, wie sich das anfühlt, wenn das Ding in Düsseldorf so richtig voll ist.“ Zurzeit gastiert das DHB-Team in Köln. Für Köster ist das eine Heimkehr in die Stadt, in der er lebt und studiert. Seine Wohnung befindet sich im Belgischen Viertel, bis nach Gummersbach benötigt er 45 Minuten mit dem Auto. An der Uni hat er sich für BWL eingeschrieben, derzeit befindet er sich im Master-Studiengang.
Kapitän in Gummersbach
Köster ist ein Kind der Region. Aufgewachsen ist er in Brauweiler, wo er auch als Handballer beim TuS SW begann, angeleitet von Karin Wirtz, der Mutter des Fußballers Florian Wirtz. Der spätere Fußball- und der aktuelle Handball-Profi besuchten in Brauweiler dieselbe Schule. Über Bayer Dormagen, wo er schon mit 18 in der Zweiten Liga eingesetzt worden war, ging es für Köster 2020 weiter nach Gummersbach. Dort besitzt er mit Sigurdsson einen Trainer-Fan: „Julian besitzt eine große Spielintelligenz. Auch wenn er körperlich stark ist und seinen Körper gut einsetzt, löst er viele Situationen mehr mit Verstand als mit Kraft“, sagt der Coach aus Island, der einst selbst ein Weltklasse-Spieler war. Sigurdsson hat Köster mittlerweile zum Kapitän seines Teams bestimmt.
Als Zuschauer hat Köster bereits Spiele in der Lanxess-Arena gesehen, und dort auch mitbekommen, wie außergewöhnlich die Stimmung in der Halle sein kann und was für ein Spektakel Zuschauer dort entfachen können. Doch Köln stünde erst mit Beginn der Hauptrunde auf dem Programm, zunächst muss sich Deutschland in seiner Vorrunden-Gruppe A gegen die Schweiz, Nordmazedonien und das hochdekorierte Team aus Frankreich durchsetzen, was bedeutet: Platz eins oder zwei erreichen, ansonsten wäre der Gastgeber ausgeschieden. Köster will deshalb in kleinen Schritten denken: „Erst mal das Spiel gegen die Schweiz, was sehr schwer wird.“ Dann die anderen beiden Partien. Danach könner er im Optimalfall immer noch an Köln denken.
Schweizer mit hoher individueller Klasse
Die Schweiz verfügt über eine starke Mannschaft mit herausragenden Einzelspielern wie dem einstigen Bundesliga-Veteranen Andy Schmid, der zwölf Jahre für die Rhein-Neckar Löwen gespielt hat und nun, im Alter von 40 Jahren, vor seinem letzten großen Turnier steht. Mit Manuel Zehnder aus Eisenach stellt die Schweiz zudem den Führenden der Bundesliga-Torschützenliste – 147 Treffer in 19 Spielen. Hinzu kommt Lenny Rubin von der HSG Wetzlar, ein 2,05 Meter großer Riese aus dem rechten Rückraum. „Die können eine Abwehr vor sehr große Probleme stellen“, sagt Deutschlands Co-Trainer Erik Wudtke.
Insgesamt sieht Köster die deutsche Mannschaft nach den beiden jüngsten Testspielerfolgen gegen Portugal bestens vorbereitet: „Wir konnten ein paar Dinge ausprobieren und auch schon an Fehlern arbeiten.“ Einer davon, die Vorstöße des portugiesischen Kreisläufers, die ihm im ersten Spiel gelangen, „haben wir im zweiten Match schon richtig gut unterbunden“.
Die deutsche Mannschaft bereitet sich mit intensivem Videostudium auf die Schweiz vor. Zwei Einheiten vor dem Fernseher gab es am Montag, dazu ein erstes Training im fertig präparierten Stadion in Düsseldorf. Auf die besonderen Umstände hat das Trainerteam die Mannschaft bereits eingestellt. Außerdem hat Gislason nach den kurzfristigen Ausfällen von Marian Michalczik und Patrick Groetzki den Spieler Lukas Zerbe und Tim Nothdurft zu verstehen gegeben, dass sie sich bereit halten sollten. Es könne sein, dass man sie brauche.