- Auch Christopher Rühr träumt von Olympia. Doch die Sommerspiele können wohl nicht wie geplant ausgetragen werden.
- Der 26-Jährige hat Verständnis für die Maßnahmen, leidet als Sportler aber unter der Situation.
- In unserer Kolumne schildert er aus seinem Alltag.
Köln – Der Sport ruht während der Corona-Krise. Und Athleten bangen wie viele andere Menschen im Land um ihre Existenz. Sie wissen nicht, ob die Olympischen Spiele im Juli und August in Tokio stattfinden werden. Ihre Trainingsstätten sind geschlossen. Die Zukunft ist ungewiss. Drei Spitzensportler werden uns in den nächsten Wochen abwechselnd aus ihrem veränderten Leben berichten. Heute: Hockeyspieler Christopher Rühr (26) von Rot-Weiss Köln. Erfolge: Olympia-Bronze 2016 und mit dem Klub Deutscher Meister auf dem Feld 2016 und Sieger der Euro-Hockey-League 2017. Nun laufen Tokio- und Bundesliga-Vorbereitung auf Sparflamme und der Start des lang ersehnten Medizin-Studiums ist auf unbestimmte Zeit verschoben.
Für ihn als Athleten sei die aktuelle Situation natürlich schwierig, sagt Christopher Rühr. Doch als Mensch sei ihm völlig klar, dass es jetzt um die Risikogruppen gehe, deren Leben durch das Coronavirus bedroht ist. Und so sieht er die Lage zurzeit.
Wir stecken ja gerade nicht nur in der Vorbereitung auf die Tokio-Spiele, sondern auch in der Vorbereitung auf die Bundesliga-Saison, die am 1. April hätte starten sollen – inzwischen aber auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Letzte Woche Donnerstag wollten wir mit Rot-Weiß ein Trainingsspiel gegen ein Team aus Lüttich bestreiten, das war in Belgien als Event mit rund 800 Zuschauern geplant, was für Hockey-Verhältnisse viel ist. Die Partie wurde eine Stunde vor der Abfahrt abgesagt. Das war bei uns die erste Einschränkung, ab da haben wir realisiert, was das Coronavirus sportlich für uns bedeuten könnte.
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Von da an ging es rasant. Keine Spiele mit dem Verein, kein Teambuilding-Tag mit gemeinsamem Brunch und Abendessen, keine Länderspiele, kein Training, keine Bundesliga. Am letzten Wochenende war der Verein noch offen, aber wir haben da schon gesagt: »Stopp«. Das war wohl vernünftig und richtig.
Sportlich ist das wirklich sehr hart für uns. Vor allem durch diese Unsicherheit, ob Olympia jetzt noch stattfindet oder nicht. Wir sind jetzt verpflichtet, unser Pensum mit derselben Intensität wie zuvor durchzuziehen. Wir werden das auch hin bekommen, aber es ist natürlich schwierig. Das IOC trifft im Moment keine klare Aussage, es wird abgewartet, das letzte Wort wird am Ende wohl die WHO haben. Wir müssen uns als Athleten darauf verlassen, dass die Verantwortlichen verantwortungsvoll handeln.
Olympische Spiele nicht wie geplant durchführbar
Realistisch betrachtet kann ich mir nicht vorstellen, dass die Olympischen Spiele so stattfinden können, wie sie geplant sind. Entsprechend könnte das IOC jetzt auch eine Verschiebung bekannt geben oder sogar absagen – was für uns Athleten die Zerstörung eines großen Traums bedeuten würde. Tokio ist der Wettbewerb, auf den wir seit vier Jahren hinarbeiten. Ich habe Olympia schon erlebt, mit Erfolg, doch auch für mich wäre das dramatisch. Noch schlimmer ist es aber für all jene, die noch nie dabei waren oder letztmals eine Olympia-Chance haben.
Und doch: Wir müssen den Sport jetzt Sport sein lassen. Jetzt geht es um die Gesundheit der Menschheit, vor allem der Risikogruppen, zu denen wir Athleten eher nicht zählen. Da haben wir als Sportler eine wichtige Vorbildfunktion. Klar tut uns die Situation weh, die Ungewissheit ist furchtbar. Aber es gibt viele Menschen, die deutlich schlimmer betroffen sind, die ihre Arbeit verlieren, ihre Läden dicht machen müssen, alte Leute, deren Leben bedroht ist. Um diese Menschen geht es jetzt. Da stehen wir Sportler einfach mal an letzter Stelle.
Mit Gewichten eingedeckt
Wir müssen uns trotzdem fit halten. Ein Training mit Schläger und Ball auf dem Hockeyplatz ist nicht erlaubt im Moment, nicht einmal für jeden von uns allein. Der Verein ist komplett geschlossen. Es geht jetzt um die athletische Komponente. Wir haben uns mit Gewichten für zu Hause eingedeckt. Und Ausdauertraining geht noch, ich gehe draußen laufen, allein.
Und dann sehe ich das: Am Mittwoch bin ich in Sülz durch den Park gelaufen und dort saßen Massen an Menschen, die mit zehn und mehr Leuten Grillpartys veranstaltet und Alkohol getrunken haben. Es wurde von denselben Tellern gegessen und aus denselben Flaschen getrunken. Das macht mich sehr betroffen. Der ganze Park war voll. Das kann nicht sein.
Vorteil für Australien
Mit der Nationalmannschaft hätten wir bald sechs Spiele in elf Tagen gehabt. Das wird fehlen, um zu schauen, wo man steht. Und es fehlt der Teamzusammenhalt, zusammen auf dem Platz zu stehen und zu trainieren, das macht uns stark. Ich bin gespannt, wann wir wieder dürfen und wie das dann wird. Die Australier sind vom Corona-Irrsinn noch nicht so stark betroffen, die trainieren normal weiter. Das ist ein enormer Wettbewerbsvorteil. Das macht es unfair, wenn Olympia noch stattfindet. Da können die nichts dafür. Da können wir nichts dafür. Aber so ist es.
Aufgezeichnet von Susanne Rohlfing