ATP-TurnierPerfekt organisiert im Ufo – Zverev triumphiert in Köln
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Ohne Zuschauer gewinnt Alexander Zverev das erste ATP-Turnier in Köln.
Das gesamte Geschehen hat sich auf der Flucht vor Corona tief in den Bauch der Arena zurückziehen müssen.
Und so haben wenige Menschen mitbekommen, welch großer Sport auf der rechten Rheinseite perfekt organisiert wurde.
Köln – Die Lanxess-Arena liegt an diesem Herbst-Wochenende inmitten der rauen Gewerbelandschaft von Deutz wie ein Ufo, aus dem die außerirdische Besatzung geflohen ist. Wenig deutet auf Leben hin. Die Parkhäuser rundherum sind leer. Ein paar Maskierte haben sich vor dem Ticketschalter eingefunden und erhalten Akkreditierungen zu einer rätselhaften Veranstaltung. An einem einzigen kleinen Eingang wird ihre Körpertemperatur gemessen. Das ist alles, was auf der riesengroßen Fläche geschieht.
Niemand, der es nicht weiß, würde auf die Idee kommen können, dass irgendwo in dem theoretisch fast 20 000 Menschen fassenden Funktionsgebäudes großer Sport stattfindet. Das erste Profi-Tennis-Turnier in Köln seit Jahrzehnten hat sich auf der Flucht vor Corona tief in den Bauch der Arena zurückziehen müssen. Nach zwei Tagen mit einem Publikum von 999 Zuschauern hat die Stadt trotz eines mehr als 100-seitigen Hygienekonzeptes auch das Mini-Publikum verboten. Zu groß war der Druck der steigenden Infektionszahlen geworden. Die professionelle Tennis-Familie war ganz unter sich. Und so haben wenige Menschen mitbekommen, welch großer Sport in der ersten Woche der Doppel-Veranstaltung auf der rechten Rheinseite perfekt organisiert wurde.
Rittner: „Die ersten beiden Tage mit Zuschauern waren toll“
„Die ersten beiden Tage mit Zuschauern waren toll“, bilanzierte Turnierdirektorin Barbara Rittner, die sich auf ihr sportliches Zugpferd Alexander Zverev verlassen konnte. Am Wochenende räumte der US-Open-Finalist zwei aufstrebende Talente aus dem Weg. Im Halbfinale nach einem leichten Wackler im zweiten Satz den Spanier Alejandro Davidovich Fokina 7:5, 7:6 (7:3), im Endspiel am Sonntag den hochbegabten Kanadier Felixe Auger-Aliassime (Nummer 22 der Weltrangliste), der nach seinem Halbfinalsieg über den starken Spanier Roberto Bautista Agut gegen Zverev chancenlos war und dieses Endspiel 3:6, 3:6 verlor.
„Es war für mich extrem wichtig, dieses erste Finale nach dem US-Open-Finale zu gewinnen. Es ist immer noch in meinem Kopf, da müssen wir nicht darum herumreden. Jetzt freue ich mich auf nächste Woche“, sagte Zverev nach dem zwölften ATP-Turniersieg seiner Karriere und dem ersten seit Mai 2019 mit viel Erleichterung in der Stimme.
Als Barbara Rittner, die Chefin des deutschen Damentennis, das Turnier mit Promoter Edwin Weindörfer und dessen Firma „emotiongroup“ in der Corona-Krise vor wenigen Wochen aus dem Boden stampfte, hatte sie die Hoffnung, dass Tennis langfristig wieder in der Millionenstadt etabliert werden könnte. Am Sonntag demonstrierte OB Henriette Reker als Ehrengast mit netten Worten den Respekt der Stadt für diese Veranstaltung. Allerdings benötigen die Veranstalter außer netten Worten vor allem potente Sponsoren, um aus diesem Spontanevent eine Dauerveranstaltung zu machen. Hier allerdings zeigen sich die Grenzen der Sportstadt Köln, deren Geldgeber vor allem auf den lokalen Fußball-Klub 1. FC fixiert sind. Rittner wird auch 2021 die Lizenz für mindestens ein Tennisturnier haben. Welche Stadt im Rheinland die größte Lust auf Tennis hat, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.
Alexander Zverev vergaß nicht, in seiner Dankesrede die Arbeit der Organisatoren und Sponsoren zu erwähnen, die auch ohne Zuschauer eine Veranstaltung auf höchstem Niveau hingestellt haben. Erstmals kam in Köln das volldigitale Dauer-Hawk-Eye zum Einsatz, das durch permanente Ballüberwachung die Linienrichter ersetzt und mit einem lustigen „Out“-Ruf jeden Fehlball anzeigt. Zwischen den Seitenwechseln spielt die Berliner Band „The Swag“ Funk und Soul. Die Betreuung der Tennis-Stars, die zum großen Teil zwei Wochen in Köln bleiben, ist zu aller Zufriedenheit. Positive Corona-Tests und Skandale wie beim zeitgleichen Turnier in St. Petersburg/Russland, wo der US-Amerikaner Sam Querrey nach einem auffälligen Test mitsamt seiner Familie im Privatjet aus dem Land floh, gab es nicht.
Alexander Zverev als Sportler und Persönlichkeit gereift
In der Ausnahmesituation präsentierte sich Alexander Zverev als Sportler und Persönlichkeit gereift. In allen seinen vier Spielen seit Donnerstag war er die Beherrschung selbst, kämpfte sich auch durch Rückschläge und ließ sich Nervosität wie in der entscheidenden Phase des Endspiels nicht anmerken. „Er macht es hier sehr gut“, lobte Bruder Mischa, der nach seinem Aus in der zweiten Runde zur rund 20-köpfigen Zverev-Entourage gehörte, die dem Star der tennisverrückten Familie für das Wohlbefinden so wichtig ist.
Turnierdirektorin Rittner war mit dem Ablauf der ersten Turnierwoche in Köln zufrieden. „Es hat alles sehr gut geklappt, die ersten beiden Turniertage mit Zuschauer haben mit natürlich am besten gefallen.“ Der Rückschlag kam für sie am Mittwoch, als plötzlich die Zuschauer weg waren: „Als ich da in die Halle gekommen bin, war das schon sehr traurig.“