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Nach 107:96 gegen GriechenlandDie Medaille ist für die Basketballer zum Greifen nah

Lesezeit 5 Minuten
Gordie und der Rest

Trainer Gordon Herbert und seine Leistungsträger.

Berlin – Als Gordon Herbert am Mittwochmorgen einen Anruf seiner Ex-Frau erhielt, wurde ihm bewusst, dass es an der Zeit war, etwas aufzuklären. Nach dem furiosen 107:96 der deutschen Basketball-Nationalmannschaft am Dienstagabend im Viertelfinale der Europameisterschaft gegen Griechenland hatte der 63-jährige Bundestrainer beschwingt erklärt: „Dennis wollte meine Kreditkarte. Ich habe gesagt: Ich bin dreimal geschieden, das Limit wird dir nicht gefallen.“ Die Lacher hatte der Kanadier sofort auf seiner Seite, der Erklärungsbedarf seiner Ex-Frau war allerdings auch geweckt.

Der Coach spielte mit der Aussage auf seinen generösen italienischen Kollegen Gianmarco Pozzeco an, der seinen Spielern nach dem überraschenden Sieg im Achtelfinale gegen Serbien im Überschwang seine Kreditkarte für eine angemessene Feier zur Verfügung gestellt hatte. So weit war es bei der DBB-Auswahl nicht gekommen. Kapitän Dennis Schröder habe ihn nie nach seiner Kreditkarte gefragt, betonte Herbert am Mittwoch – es sei ein Scherz gewesen.

Auf welch beeindruckende Art sich die Dinge manchmal verselbstständigen, haben auch die deutschen Spieler mit ihrem Sieg am Dienstagabend in der erstmals ausverkauften Arena am Ostbahnhof in Berlin demonstriert, als sie den Titelaspiranten um NBA-Superstar Giannis Antetokounmpo mit einer überragenden Leistung düpierten. Nicht nur die euphorisierten Fans in der Halle, sondern auch bis zu zwei Millionen Zuschauer der kurzfristig ins Programm genommenen TV-Liveübertragung bei RTL waren fasziniert.

Andreas Obst

Andreas Obst war einer der stärksten Spieler gegen Griechenland.

„Das ist unglaublich, was diese Jungs gezeigt haben“, schwärmte Herbert. „Die Leute können die Identität der Mannschaft sehen und sich damit identifizieren. Ich habe schon im Oktober gesagt, dass wir bei der EM eine Medaille holen wollen. Da haben mich viele angeschaut, als sei ich verrückt.“

Für komplett abwegig hält die ambitionierten Pläne inzwischen niemand mehr, im Falle eines Sieges am Freitag im Halbfinale gegen Weltmeister Spanien (20.30 Uhr, live und kostenlos bei MagentaSport und im Free-TV bei RTL) wäre mindestens Silber sicher. Ansonsten bliebe im Spiel um Platz drei die Chance, Bronze zu holen. „Wir haben unser Ziel noch nicht erreicht, wir wollen am besten ganz nach vorn. Dafür müssen wir noch ein bisschen was tun“, sagte Flügelspieler Andreas Obst, der mit 19 Punkten und einer fabelhaften Dreierquote (5/7) einer der stärksten Spieler war.

Franz Wagner und Andreas Obst mit überragenden Quoten

Franz Wagner war mit ebenfalls 19 Zählern und fünf verwandelten Dreiern bei sieben Versuchen ein weiterer Protagonist des magischen Abends. Das war insofern bemerkenswert, als der Einsatz des 21-jährigen Flügelspielers erst kurz vor Beginn der Begegnung feststand. Der Profi der Orlando Magic war beim 85:79 im Achtelfinale gegen Montenegro auf dem Fuß seines Gegenspielers gelandet, was zu einer schmerzhaften Knöchelverstauchung geführt hatte. Als der Youngster voller Glücksgefühle nach dem Match in der Interviewzone stand, erklärte er mit einem erleichterten Lächeln, dass er frei von Schmerzen sei. Einer ihrer stärksten Spieler wird die DBB-Auswahl bei ihrer märchenhaften Mission also weiterhin tragen.

Giannis in der Klemme

Daniel Theis und Johannes Voigtmann arbeiten gemeinsam gegen Giannis Antetokounmpo

Angeführt wird das täglich couragierter agierende Ensemble auf beeindruckende Weise schon seit Beginn des Sommers von Dennis Schröder. Der 28-jährige Braunschweiger sauste als personifiziertes Selbstvertrauen übers Feld, der Aufbauspieler erzielte 26 Punkte, setzte seine Mitspieler mit acht Assists in Szene und traf diesmal im Gegensatz zu mancher Partie zuvor hochprozentig seine Würfe.

Als er beim beruhigenden 103:82 nach seinem zweiten Technischen Foul die Halle verlassen musste, war das für den Spielverlauf nicht mehr von Bedeutung. „Es wurde viel über Giannis Antetokounmpo, Luka Doncic und Nikola Jokic gesprochen. Ich glaube, es ist Zeit, über Dennis Schröder zu sprechen“, sagte Herbert zu der Diskussion, wer wohl der beste Spieler dieses Turniers sei.

Schmerzhafte Momente für Giannis Antetokounmpo

Antetokounmpo demonstrierte zwar auch gegen Deutschland mit 31 Punkten, sieben Rebounds und acht Assists seine individuelle Klasse, allerdings hielt das Duell mit Deutschland auch für ihn schmerzhafte Momente bereit. Zunächst musste er sich in der zweiten Halbzeit von Johannes Voigtmann auf sehenswerte Weise blocken lassen, ehe das Viertelfinale 4:56 Minuten vor Schluss nach seinem zweiten Unsportlichen Foul für ihn beendet war. Die Moral einer zu diesem Zeitpunkt ohnehin zur Resignation neigenden Mannschaft war gebrochen, während die Intensität des deutschen Teams nicht nachließ, bis sie die Fans zu den handelsüblichen Partyhymnen lautstark feierten.

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„Wir genießen jetzt kurz den Moment und bereiten uns dann auf das Spiel am Freitag gegen Spanien vor“, betonte Daniel Theis in aller Professionalität. „Wir haben vom ersten Tag an eindeutig erklärt, dass eine Medaille unser Ziel ist.“ Der 30-jährige Center trug mit 13 Punkten und 16 Rebounds maßgeblich dazu bei, dass der Traum weiterlebt. Er sicherte sich unter dem Korb die verblüffend wenigen Fehlversuche seiner Teamkollegen und punktete im zweiten Versuch. „Spanien ist ein physisch sehr gutes Team“, sagte Schröder. „Sie haben nicht den einen überragenden Mann wie die Griechen ihn mit Giannis haben, aber sie haben sehr viele gute Rollenspieler.“

Am Mittwoch haben die Spieler erst einmal ihren freien Tag genossen. „Wir sind jetzt schon lange zusammen, da ist es auch gut, sich mal nicht zu sehen“, betonte Herbert. Er selbst hatte Zeit genug, sich einen sicheren Aufbewahrungsort für seine Kreditkarte zu überlegen – um im Falle eines Titelgewinns nicht doch noch in Versuchung zu geraten.