Zeichen setzen in langen HosenKölnerin turnt als erste bei EM in Ganzkörperanzug
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Köln/Basel – Den Sprung in ein Finale hat die Kölnerin Sarah Voss bei der Turn-EM in Basel nicht geschafft. Und doch folgte für sie auf ihren Auftritt in der Qualifikation am Mittwoch ein Interviewmarathon am Donnerstag. Der Grund: lange Hosen. Die 21-Jährige hatte sich dem üblichen Dresscode in ihrem Sport widersetzt, statt im superknappen, einem Badeanzug ähnelnden Trikot, das ständig am Po wieder in Position gezuppelt werden muss, trug sie bei ihren Übungen am Sprung und am Balken einen glitzernden Turnanzug mit langen Ärmeln und Hosenbeinen. Sie wollte ein Zeichen setzen – und sah toll aus dabei.
Ihr ungewohntes Outfit bescherte der deutschen Mehrkampf-Meisterin nicht nur Daumen-Hoch-Gesten der internationalen Konkurrenz, sondern auch Interviewanfragen von Journalisten wie nach einer sportlichen Ausnahmeleistung und eine Kommentar-Flut in den sozialen Medien. „Ziemlich verrückt. Dass das solche Wellen schlägt, hätte ich nicht erwartet“, sagte Voss im Gespräch mit dieser Zeitung am Donnerstag.
Regeln erlauben Abweichungen vom üblichen Dresscode
Warum sie das Gefühl hatte, ein Zeichen setzen zu müssen? „Wir Frauen wollen uns alle wohlfühlen in unserer Haut. In der Sportart Turnen wird das aber immer schwieriger, je weiter man sich von seinem Kinderkörper entfernt“, erzählte Voss. Als kleines Mädchen habe sie die knappen Anzüge als „nicht so hochdramatisch“ erlebt: „Aber als die Pubertät begann, als die Periode dazu kam, da hatte ich zunehmend ein ungutes Gefühl. Man fühlt sich manchmal ziemlich nackt.“
Im Alltag werde ganz selbstverständlich mit Hose geturnt. Warum also nicht auch im Wettkampf? Die Regeln lassen es schließlich zu. „Aber niemand macht das. Und wir haben uns bislang auch nicht getraut.
Voss nach Quarantäne im Februar im Trainingsrückstand
Die Kölnerin begehrt nicht allein auf gegen die Trikot-Standards in ihrem Sport. Es ist eine Gemeinschafts-Aktion der deutschen Nationalturnerinnen. Auch die Stuttgarterinnen Elisabeth Seitz und Kim Bui haben sich lange Trikots auf ihre durchtrainierten Leiber schneidern lassen. Sie wollen sie am Freitag, den 23. April, im Mehrkampffinale (ab 13.30 Uhr) tragen.
Voss war nur an zwei Geräten angetreten und hatte geahnt, dass sie es nicht in ein Finale schaffen würde. Zu groß sei aktuell noch ihr Trainingsrückstand, nachdem sie im Februar zwei Wochen in Quarantäne war, weil es in ihrem nahen Umfeld einen positiven Corona-Fall gab. „Für mich war es eine Wenn-dann-jetzt-Situation“, erzählte sie. Und so fiel ihr die Aufgabe zu, als erste wenig Haut und viel Sport zu zeigen.
Unterstützung von Team und Trainern
Aufgekommen seien die Diskussionen im Team vor rund einem Jahr: „Am Balken sollten wir eine Zeit lang in Kurz trainieren, um möglichst wettkampfnah zu üben.“ Zum ersten Mal erzählten die Turnerinnen ihren Trainern, dass sie sich dabei unwohl fühlen. Und bekamen volle Unterstützung.
„Wir sind ja auch Vorbilder für jüngere Athletinnen. Deshalb wollen wir alle ermutigen, in jeglicher Hinsicht für sich einzustehen. Vor allem immer dann, wenn man sich unwohl fühlt. Wir wollen, dass jeder diesen tollen Sport aus freien Stücken ausübt und weil er Spaß daran hat.“
Voss hat Spaß. Das ist zu hören, wenn sie über das Turnen spricht. Olympia ist immer ihr großer Traum gewesen, Tokio seit Jahren ihr Ziel. Auf das steuert sie zu. Und ist zuversichtlich, bei den nationalen Qualifikationen im Mai und Juni das ersehnte Ticket lösen zu können.