RWE-Kapitän Michael Schultz spricht über das Wiedersehen mit seinem Ex-Klub und die Stärken des FC Viktoria Köln.
RWE-Kapitän Michael Schultz über Ex-Klub„Viktoria Köln wurde deutlich unterschätzt“
Herr Schultz, Sie stehen seit Saisonbeginn bei Rot-Weiss Essen unter Vertrag. Wie waren Ihre ersten Monate beim neuen Klub?
Es war schon ein Schritt raus aus der Komfortzone. Es sind viele neue Eindrücke gewesen, neue Mitspieler, ein neues Umfeld, ein neues Trainerteam. Seit letztem Wochenende habe ich eine Wohnung in Essen, vorher bin ich gependelt. Man braucht eine Weile, bis man alles auf dem Schirm hat. Aber ich bin happy. Ich habe eine coole Mannschaft und viel Bock auf die Aufgabe. Es ist eine große Herausforderung.
RWE ist mit acht Punkten aus acht Spielen sicher hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Ja, das hatten wir uns anders vorgestellt, es sind zu wenig Punkte.
Wo liegen die Ursachen?
Man darf nicht vergessen, dass die Mannschaft einen großen Umbruch hinter sich hat. Wichtige Spieler sind gegangen, wir sind oft mit einigen Neuzugängen aufgelaufen. Bei manchen flutscht es dann schneller, bei manchen dauert die Eingewöhnung etwas länger. Einige Spieler, wie zum Beispiel Ahmet Arslan oder Joseph Boyamba, sind zudem erst spät dazugekommen. Dazu haben wir den einen oder anderen Fehler zu viel gemacht. Das macht es nicht leichter – aber wir sind auf einem guten Weg. Aber das müssen wir natürlich in Punkte ummünzen.
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Was bedeutet es Ihnen, dass Christoph Dabrowski Sie als Neuzugang sofort zum Kapitän gemacht hat?
Das war nicht selbstverständlich, es ist ein Riesen-Vertrauensbeweis vom Coach. Aber ich scheue mich nicht vor der Verantwortung, das habe ich auch bei meinen früheren Stationen nie. Ich bin einer der älteren Spieler im Kader und habe schon einige Drittliga-Spiele gemacht. Ich gebe mein Bestes und versuche, die Jungs auf dem Platz zu führen.
Was waren Ihre Gründe für den Wechsel von Viktoria zu RWE?
Zunächst hatte ich nie das Gefühl, dass ich bei Viktoria irgendwie ein sinkendes Schiff verlassen würde, oder einen Klub, der keine Ambitionen mehr hat – trotz all der Abgänge im Sommer. Ich hatte nie die Sorge, dass Viktoria in der neuen Saison nicht mehr konkurrenzfähig sein könnte. Ich wusste, dass sie einen guten Kader haben. Ich hatte einfach die Möglichkeit, zu RWE zu gehen. Das hat mich gepackt. Es ist ein großer Verein, ein Traditionsverein. Die Atmosphäre hier an der Hafenstraße macht mir Gänsehaut. Ich hatte richtig Bock auf diese Aufgabe. Aber bei Viktoria habe ich mich immer sehr wohl gefühlt, die Zusammenarbeit mit Olaf Janßen, Franz Wunderlich und Stephan Küsters war immer gut.
Was sind die größten Unterschiede zwischen den Vereinen?
Vor allem die Samstage bei Heimspielen, das Drumherum. Das ist es in Essen etwas anderes, diese Fan-Power, das muss man so sagen. Die Leute haben natürlich große Ansprüche – das ist auch gut so. RWE ist ein verrückter Verein, ein großer Verein. Von den Bedingungen her ist es ähnlich. Bei beiden Klubs wird professionell gearbeitet und man hat gute Strukturen.
Olaf Janßen hat Sie als „außergewöhnlichen Spieler, der Verantwortung auf und neben dem Platz trägt“ beschrieben. Wie würden Sie ihn als Trainer beschreiben?
Er ist ein Fußball-Junkie. Er atmet Fußball, nicht nur in der Zeit, die er auf dem Trainingsplatz steht oder im Stadion ist. Vermutlich denkt er auch zuhause an kaum etwas anderes. Er hat taktisch sehr viel drauf, er spürt Stimmungen in seiner Mannschaft und weiß, was für Spielertypen er braucht, um Erfolg zu haben. Ein Positiv-Verrückter, einer, der seinen Job mit Haut und Haaren lebt.
Viktoria hat neben Ihnen diverse weitere Leistungsträger verloren. Sind Sie vom guten Saisonstart Ihres Ex-Klubs überrascht?
Die Punkte-Ausbeute ist natürlich super. Aber überrascht hat es mich nicht. Allein die Rückkehr von Henning ist ein Riesen-Faktor, er kann den Unterschied machen. Auch wenn man den Rest des Kaders durchgeht, da steht richtig Qualität auf dem Platz. Das fängt mit Dudu im Tor an, dann die ganze Viererkette: Mit Cabral und May hat Viktoria zwei Top-Außenverteidiger mit Potenzial, mit Dietz und Greger erfahrene Innenverteidiger. Engelhardt hat es im Zentrum in der letzten Saison schon gut gemacht, Lofolomo war schon in Halle ein wichtiger Spieler. Said El Mala ist eine Rakete, der macht einen Schritt nach dem anderen. Von Vrenezi weiß man, dass er in der Dritten Liga eine große Qualität hat. Lobinger ist ein super Stürmer, dem bislang einfach die Quote gefehlt hat und der einfach das Quäntchen Glück brauchte, um in Fahrt zu kommen. Und wenn du dann noch mit Güler einen Joker hast, der von der Bank immer ein oder zwei Tore macht – das hilft alles. Für mich war absehbar, dass die Viktoria deutlich unterschätzt wird.
Worauf wird es am Samstag ankommen, damit RWE die drei Punkte an der Hafenstraße behält?
Wir wollen unsere Fehlerquote minimieren und im letzten Drittel noch mehr Gefahr ausstrahlen. Unsere Flanken müssen sauberer kommen, wir müssen mehr Präsenz in der Box haben. Und zielstrebiger spielen, das ist in den letzten Wochen ein Thema bei uns gewesen. Wenn man sich die bisherigen Statistiken anguckt, fragt man sich oft, warum wir die Spiele nicht gewonnen haben. Defensiv müssen wir eng an Spielern wie Lobinger und Güler dran sein, intensiv spielen. Wenn wir diese Qualitäten auf den Platz bringen, können wir jeden Gegner schlagen – natürlich auch die Viktoria.