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Kommentar

Glosse zum DFL-Investorenbeschluss
Wie lange noch bis zur Torjägerkanone presented by Rheinmetall?

Ein Kommentar von
Lesezeit 5 Minuten
Protest der Kölner Fans gegen Investoren in der DFL

Die Fanszene des 1. FC Köln ist gegen den Investoreneinstieg bei der DFL. Doch werden sie sich dem Reiz der schönen neuen Fußballwelt entziehen können?

Der Beschluss der Deutschen Fußball Liga, Investoren zu beteiligen, kann viel verändern. Wie wird wohl ein Bundesliga-Spiel 2030 aussehen?

Der Wecker klingelt. Ich wache auf und schaue auf das Display. Samstag! Ja! Bundesliga! Ja! FC! Ja! Aber viel zu spät dran! Mist! Schnell stehe ich auf, springe unter die Dusche. Kurze Zeit später habe ich eine warme Jacke, Mütze und Handschuhe angezogen und mache mich auf den Weg in Richtung Stadion.

So richtig glücklich bin ich ja nicht mit dem Fanschal, den ich mir in letzter Sekunde geschnappt habe – es ist der von dieser Saison. Nicht wegen des Preises, an die 50 Euro hab ich mich schon seit ein paar Jahren gewöhnt. Man will ja Fairtrade und außerdem fließt ja auch was davon wieder in die Vereinskassen.

Es ist die Farbe, die schmerzt. Ja, auf der Vorderseite das schöne Rot meines FC, wie es sich gehört! Aber das Blau auf der Rückseite? Ich verstehe ja, dass wir die Werbekooperation mit Red Bull brauchen, weil die Einnahmen aus den TV-Erlösen seit sechs Jahren fehlen. Aber das geht dann doch irgendwo zu weit. Nun gut, meckern bringt ja nichts.

Willkommen im Rheinenergie-RWE-Vattenfall-Stadion!

Endlich bin ich an der U-Bahn angekommen. Um mich herum zahllose andere FC-Fans. Uns eint das Ziel: Das Rhein-Energie-RWE-Vattenfall-Stadion. Den Namen mussten sie vor drei Jahren leider erweitern. Zu groß war die Finanznot. Aber ist ja so auch irgendwie ein bisschen gerechter den Konzernen gegenüber.

Na endlich, die Bahn fährt ein. Ist das die Eins Richtung Weiden West? Man kann es nicht erkennen. Die Anzeigetafel zeigt noch was anderes an: „Die Fahrt zum Rhein-Energie-RWE-Vattenfall-Stadion wird ihnen heute präsentiert von Axe, dem Deodorant ihres Vertrauens. Kaufen sie Axe und riechen sie auch in einer vollgepackten U-Bahn noch immer am besten!“ Na toll, Deo hab ich gerade heute vergessen. Wenigstens wechselt jetzt der Anzeigetext. Es ist die richtige Bahn.

Die Fahrt verläuft zum Glück unproblematisch. Wir steigen aus und sind dann auch schon fast da. Auf einmal eine Durchsage: „Der Fußweg zum Stadion wird ihnen präsentiert von Jack Wolfskin. Gewappnet für alle Wetterlagen.“ Na, immerhin für den heutigen blauen Himmel und Sonnenschein reicht’s, denke ich mir.

Finden Sie Ihren Sitzplatz mit Google Maps!

Wir kommen bei der Ticket- und Personenkontrolle an. Während ich die entsprechende App auf meinem Handy öffne, höre ich einen älteren Fan vor mir fluchen: Ja, musste das denn sein?! Er meint offensichtlich ein Schild über dem Eingang: „Die Ticketkontrollen werden ihnen präsentiert von ihrer KVB.“ Ich muss grinsen. Wohl ein Erfolgsfan. Dieses Sponsoring gab es doch schon letzte Saison.

Endlich bin ich durch die Kontrollen, und die heiligen Hallen unseres FC öffnen sich vor mir. Rechts von mir verteilen einige Ultras ihren Stadion-Rundbrief. Wie lange die es sich wohl noch leisten können, ohne Sponsor zu bleiben? In anderen Kurven ist es mittlerweile üblich, dass große Fan-Choreografien von Coca-Cola, Sprite oder Pepsi finanziert werden – je nach Vereinsfarben halt. Man hört, dass kürzlich Kitkat bei der Wilden Horde angefragt hat, aber wohl nicht auf allzu viel Gegenliebe gestoßen ist.

Ich mache mich auf in Richtung meines Sitzplatzes. Die Übersicht wird präsentiert von Google Maps. Liegt ja auch irgendwie nahe. Schließlich lasse ich mich auf meiner extra für meinen Rücken einstellbaren Sitzschale nieder. Es hat schon Vorteile, wenn Sitzgelegenheiten von Krankenkassen gesponsert werden.

Unser Maskottchen Lanxessi

Zum Glück sitze ich relativ mittig auf der Tribüne. So kann ich sehr gut beide Hälften des Spielfeldes überblicken. Zu meiner Linken die Sünner-Hälfte, zu meiner Rechten die Reissdorf-Hälfte. In den letzten Jahren gab es Spannungen zwischen den Firmen, welches Kölsch welche Seite sponsern darf. Glücklicherweise haben sie sich jetzt geeinigt: Zur Halbzeit wird einfach gewechselt.

Wie immer gibt es vor dem Spiel einiges an Rumgeplänkel. Doch unser Geißbock Hennes ist leider verschwunden. Stattdessen stolpert jetzt ein Mann im Ganzkörperkostüm aufs Spielfeld – das kleine Lanxessi. Das Kostüm hat Form und Farbe der Lanxess-Arena. Passend dazu werden über die großen Werbetafeln die nächsten Konzerte und Veranstaltungen angekündigt.

Danach ist auch schon die Vorstellung der Spieler dran. Sie wird präsentiert von Snapchat. Immerhin mal ein internationaler Konzern. Als die Gesichter der Spieler gezeigt werden, liegen verschiedene, gesondert lizenzierte Filter über ihren Gesichtern. Einer sieht aus wie eine Ziege. Fast wie ein Ersatz-Hennes.

Derbysieg gegen die Hallensport Riesen Bonn?

Endlich stellen sich die Spieler auf und dann ist der Anpfiff auch schon da. Unser FC spielt direkt richtig offensiv, geht gut nach vorn gegen die Jungs von den Hallensport Riesen Bonn. Obwohl das vor zwei Jahren gegründete und mit etlichen Gummibärchen-Milliarden gefütterte Team aus der Nachbarstadt sich letzte Saison in die Bundesliga gekauft hat – gegen den FC hat es keine Chance.

Besonders der neue Stürmer, den der FC Bayer Leverkusen abgekauft hat, macht heute eine richtig gute Figur. Kein Wunder, dass der Mann am Ende der letzten Saison mit der Rheinmetall-Torjägerkanone vom Platz gegangen ist. Hochverdient!

Nach zehn Minuten kommt die erste Stadiondurchsage: „Das Torschussverhältnis wird Ihnen heute präsentiert von Tinder. Der passende Ort für andere spannende Verhältnisse!“ Irgendwie waren die Wortspiele auch schonmal besser. Beim letzten Spiel wurde das Eckballverhältnis sogar vom Joghurt mit der Ecke präsentiert. Ein echter Tiefpunkt.

In der Halbzeit zu Aldi

Zur Pause steht es schon 2:0 für den FC. Für die Halbzeit wäre eigentlich ein Bier und eine Bratwurst nicht schlecht. Leider wurden sowohl die Kölsch-Brauereien als auch die Gastro-Betriebe längst weggekauft. Hinter den Tribüne finden sich jetzt ein Primark und ein Aldi. Wenigstens bekomme ich hier das Deo, das ich vergessen habe. Man muss auch die Vorteile sehen.

Kurz nach dem Wiederanpfiff fällt schon das nächste Tor. Jubelgeschrei überall. Kölle Alaaf ertönt. Das haben sie uns wenigstens gelassen. Mal schauen, wie lange noch. Mit einem 4:0 endet die Partie schließlich. Was ein Erfolg!

Frohen Mutes mache ich mich auf den Heimweg. Natürlich präsentiert von Monopoly („Gehen Sie nicht über Los!“). Ja so ist sie, die schöne neue Fußballwelt.