Der frühere Torwart hat einen erstaunlichen Aufstieg zum Top-Dartspieler hingelegt. Am Sonntag steht er erstmals bei der WM im Londoner Alexandra Palace auf der Bühne.
Im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger erzählt der 31-Jährige, wie alles in seiner WG mit einer Aldi-Scheibe begann.
Herr Hempel, am Sonntagabend geben Sie bei der Darts-WM in London ihr Debüt gegen Martin Schindler. Ein deutsches Duell in der ersten Runde. Sie waren von der Auslosung nicht begeistert.Es ist keine tolle Auslosung, weder für Martin, noch für mich, noch für das deutsche Darts. Einer von uns muss in der ersten Runde ausscheiden. Glücklich bin ich nicht. Wir Deutschen bilden normalerweise eine Community, wir trainieren viel zusammen, reisen viel zusammen, zwischen uns herrscht eine gute Teamchemie. Dieses Duell war etwas, was sich weder Martin noch ich uns gewünscht haben.
Dennoch ist es der erste große Höhepunkt Ihrer noch jungen Darts-Karriere, die mit einer ganz anderen Sportart begann. Erklären Sie uns doch noch einmal ihr früheres Leben als Leistungssportler im Handball.
Handball hat mein gesamtes früheres Leben geprägt. Ich habe mit sieben angefangen zu spielen und bin mit 17,18 als Torhüter in die Zweitligamannschaft des Dessau-Roßlauer HV aufgestiegen, zumindest in den Anschlusskader. Dort bin ich im Grunde bis 2013/14 gewesen. Ich hatte mein Leben um den Handball aufgebaut. Handball hat den Alltag bestimmt. Ich habe viel trainiert, viel gespielt und bin viel gereist.
Wie wird man von einem Dessauer Handballer zu einem kölschen Darts-Spieler, der seine neue Heimat bei jedem Einlaufen zu einem Spiel mit dem Song „Kölsche Jungs“ von Brings repräsentiert?
Ich bin 2014 nach Köln gezogen und hatte gar keine großen Ambitionen mehr, Handball zu spielen. Dann kam ein Anruf von einem ehemaligen Trainer, es gab eine Anfrage und dann habe ich noch in Longerich gespielt. Aber 2016 war endgültig Schluss. Als ich nach Köln kam, war ich Versicherungs- und Finanzberater, dann bin ich Fitnesstrainer und Ernährungsberater geworden. Das hat mich bis 2017/2018 begleitet.
Wo war das persönliche Darts-Ur-Erlebnis?
Das war eine Entwicklung. Bei uns in der WG hing eine Scheibe, und da haben wir immer jeden zweiten Samstag Darts gespielt. Das war noch 2016. Als ich 2017 einmal zwei Wochen Urlaub hatte, habe ich mich einfach an die Scheibe gestellt und ein bisschen geschmissen. Daraus wurden dann drei, vier Stunden am Tag. Das hat viel Spaß gemacht. Das war aber noch eine Korkscheibe, so ein Ding aus dem Aldi. Irgendwann bin ich in einen Darts-Shop gegangen. Die haben mir gesagt: ,Wenn du willst, dann komm doch einfach mal Freitagabend zu einem Turnier. Das kostet fünf Euro Startgeld. Und wenn du willst, kannst du da mitspielen.
Da ist offenbar der Leistungssportler in Ihnen wieder erwacht.
Vermutlich. Ich bin also in den Cologne Cue Club nach Riehl gegangen, habe ein wenig Spaß gehabt und direkt das Turnier gewonnen. Ich konnte das aber nicht richtig einschätzen. Ich wusste nicht, ob ich so unfassbar talentiert bin oder ob die Jungs hier nicht das richtige Niveau haben. Das ging etwa ein halbes Jahr, in dem ich regelmäßig Turniere gewonnen habe. Da wusste ich, dass ich nicht so schlecht bin. Ich hatte auch ein bisschen Preisgeld mitgenommen. Hier mal 100 Euro, hier mal 150. Dann habe ich die richtigen Leute kennengelernt und im zweiten Halbjahr 2017 so richtig mit Darts angefangen. 2018 habe ich dann gesagt: Ich will Profi werden. Ich möchte alles auf eine Karte setzen.
Welche Rolle hat dabei die Kölner Darts-Szene gespielt?
Die Kölner Darts-Szene ist riesig. In fast jedem Veedel findet man eine Kneipe, in der man Darts mit richtigen Stahlspitzen spielen kann. Es gibt einen Kölner Darts-Verband, da sind bestimmt 50, 60 Mannschaften aus Köln und dem Umland angemeldet. Und es werden viele Turniere gespielt. Unter anderem eben im Cologne Cue Club in der Barbarastraße in Riehl. Das ist der größte Klub, und da spielen viele Vereine, da habe ich meine ersten Turnierdarts geworfen. Deshalb bleibe ich dem Cologne Cue Club treu. Da bin ich groß geworden. Das ist meine Location.
Seit Ihrem Sieg über Ex-Weltmeister Peter Wright bei der European Darts Championship im Oktober gelten Sie als einer der großen Aufsteiger des Jahres der Szene. Wie kann man sich den Alltag eines Darts Profis vorstellen?
Das Leben als Darts-Profi ist nicht einfach. Man muss erfolgreich sein. Und man braucht gewisse Sponsoren, die einem die Fix- und Reisekosten abnehmen. Aber ich kann mich nicht beklagen. Es gibt halt keinen, ohne mich selbst zu überheben, der in so kurzer Zeit den Aufstieg geschafft hat vom Anfänger bis zum Tour-Card-Inhaber. Natürlich muss man viel trainieren, am Board stehen, die Bewegung perfektionieren. Aber Darts ist eine Mentalsportart. 80 Prozent sind Mentalität, und die gewinnt man einfach nur durch Erfahrung. Das schafft man nicht im Training, nur durch Turniere. Der größte Faktor in meiner persönlichen Entwicklung war, diese Erfahrungen zu machen, immer wieder. Das nimmt dir dann auch viel von dem Druck.
Ihre größte Präsenz vor dem Darts-Publikum haben Sie durch ihre regelmäßige Expertentätigkeit bei Sport1 und DAZN während großer Turniere. Der Haken an der Sache ist, dass Sie nur kommentieren können, wenn Sie nicht selbst spielen können oder dürfen.
Ich mache die Expertentätigkeit sehr gerne. Andererseits würde ich, wenn ich die anderen spielen sehe, am liebsten aufstehen, auf die Bühne gehen und selbst spielen. Ich würde immer lieber kommentiert werden als selbst zu kommentieren. Das ist ein großer Anreiz, mich immer weiter zu verbessern.