Die Kiesgrube bei Horchheim soll nicht nur reaktiviert, sondern erweitert werden. Das Unternehmen rechnet mit täglich bis zu 300 Lkw-Fahrten.
AutobahnausbauWird Weilerswister Kies für Lückenschluss der A1 gebraucht?
Kommt der Lückenschluss der A1 zwischen Blankenheim und Kelberg (Rheinland-Pfalz) nun schneller, als viele denken? Weiß die Gemeinde Weilerswist mehr? Oder zumindest der Fachbereichsleiter Planen und Bauen, Martin Reichwaldt? Der sagte nämlich in der jüngsten Ratssitzung: „Der Kies aus der Grube bei Horchheim wird für den Weiterbau der A1 gebraucht.“
Lückenschluss? Kiesgrube Horchheim? Das eine ist im Kreis Euskirchen seit Jahrzehnten ein Thema, in Horchheim hat die Natur die ehemalige Kiesgrube zurückerobert. Der Grund: Nach Angaben der Rheinischen Baustoffwerke (RBS), einer Tochter der RWE, wird dort seit 2003 weder Sand noch Kies abgebaut. Doch mit der Ruhe könnte es nun vorbei sein. Für Tiere und für Menschen.
Kiesgrube bei Horcheim soll nicht nur reaktiviert, sondern auch erweitert werden
Die RBS will die Grube zwischen Horchheim und A1 nämlich nicht nur reaktivieren, sondern auch erweitern. Einen entsprechenden Antrag hat das Unternehmen beim Kreis Euskirchen bereits eingereicht.
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Das Unternehmen rechnet mit täglich bis zu 300 Lkw-Fahrten zwischen 6 und 22 Uhr. Das sorgt innerhalb der Weilerswister Politik für großes Unverständnis.
Gemeinde Weilerswist dämpft die Euphorie auf einen Stopp des Bauvorhabens
Doch Reichwald dämpft die Euphorie auf ein Ende der Grube vor ihrem Start. „Diese Hoffnung nehme ich ihnen direkt“, sagte Reichwaldt in Richtung Ratsmitglieder. Die Gemeinde dürfe ihr Einvernehmen nur dann verweigern, wenn ihr eigenes Planungsrecht dem Regionalplan widersprechen würde. Dies sei nicht der Fall. Zudem gebe es die Grube an der Nord-Ost-Seite faktisch ja bereits.
Wolfgang Andres, Pressesprecher des Kreises, sagt: „Wofür der Kies irgendwann mal genutzt wird, ist nicht Gegenstand des gerade laufenden Genehmigungsverfahrens.“ Das Verfahren stehe am Anfang, die Offenlegung endete nach Angaben des Pressesprechers erst am 2. Februar. Daher könne derzeit nichts zum weiteren Zeitablauf, geschweige denn zu inhaltlichen Bewertungen gesagt werden.
Nachfrage nach Sand und Kies ist stetig gestiegen
Die RBS rechnet nach eigenen Angaben für Ende des dritten Quartals dieses Jahres mit der Genehmigung für die beantragte Wiederinbetriebnahme der ehemaligen Rohkiesgrube bei Horchheim als Kieswäsche. „Wir rechnen damit, dass die Anlage nach Lieferung der nötigen Fördertechnik Mitte nächsten Jahres in Betrieb gehen kann“, sagt Guido Steffen von der RBS auf Anfrage.
Eine Belieferung der Lückenschluss-Baustelle der A1 sei denkbar, doch auch aus der engeren Region gebe es einen großen Bedarf nach den Erzeugnissen der RBS, so Steffen.
40 bis 50 Milliarden Tonnen Sans werden weltweit benötigt
Im Bauantrag, der der Redaktion vorliegt, begründet die RWE-Tochter die Notwendigkeit mit der „aktuell sehr hohen Nachfrage nach den Rohstoffen Sand und Kies“. Sven Nölting von der Strabag, einem Bauunternehmen, das auch im Kreis Euskirchen viele Projekte realisiert, bestätigt die Kies-Knappheit. „Ja, unsere operativen Einheiten haben zum Teil auch die Erfahrung gemacht, dass Sand und Kies knapper geworden sind“, sagt er.
Kaum ein Rohstoff der Erde wird in so großen Mengen gehandelt wie Sand. Laut einer Studie des UN-Umweltprogramms Unep werden jedes Jahr 40 bis 50 Milliarden Tonnen Sand umgesetzt. Innerhalb der vergangenen 20 Jahre habe sich die Nachfrage nach Sand und Kies verdreifacht.
Auch im Kreis Euskirchen wird kräftig gebaut - nicht nur, um Flutschäden zu beseitigen
Grund für die hohe Nachfrage nach Sand ist der weltweite Boom der Baubranche. Weil die Weltbevölkerung wächst und immer mehr Menschen in Städte ziehen, werde immer mehr gebaut. Jährlich, so schätzen die Vereinten Nationen, steige der Bedarf nach Sand und Kies für den Bau von Häusern und Straßen um 5,5 Prozent.
Auch im Kreis Euskirchen wird kräftig gebaut. Vielerorts entstehen Neubaugebiete oder sind zumindest in Planung. Hinzu kommen die Flutschäden, die nach wie vor beseitigt werden. Auch dafür wird Sand und Kies benötigt.
Autobahn GmbH will Lückenschluss an der A1 vorantreiben
Glaubt man Martin Reichwald, wird auch bei Blankenheim bald gebaut – ebenfalls mit Sand und Kies. Zuständig für den Lückenschluss der A 1 ist aber nicht Gemeinde Weilerswist, sondern die Autobahn GmbH. Und die treibt nach Angaben von Pressesprecher Helge Wego „das Projekt weiterhin aktiv voran, um eine bauliche Umsetzung zu erreichen.“
In den vergangenen Monaten sei das Projekt aber wieder ein wenig ins Stocken geraten. Der Grund auch hier: die Flut. Konkret ergeben sich laut Wego Planungsänderungen durch die Überprüfung der Entwässerungsplanung mit dem Ziel einer insgesamt besseren Hochwasserresilienz in der Region an der Ahr – auch unter Berücksichtigung der anfallenden Straßenoberflächenwasser.
Bis zum Baubeginn an der A1 bei Blankenheim dürften noch Jahre vergehen
Des Weiteren seien die Auswirkungen des Klimaschutzgesetzes auf die Planungen zu berücksichtigen sowie die Ergebnisse aktueller faunistischer Kartierungen in das Konzept einzuarbeiten. Für den Abschnitt Lommersdorf/Adenau sei, so der Pressesprecher der Autobahn GmbH, für das vierte Quartal dieses Jahres die Vorlage des Vorentwurfs geplant. Nach Genehmigung des Vorentwurfs folge die Wiederaufnahme des zurzeit ruhenden Planfeststellungsverfahrens.
Mit dem Planfeststellungsbeschluss für Lommersdorf/Adenau sei demnach frühestens 2025 zu rechnen. Weiter fortgeschritten sei der Abschnitt Blankenheim/Lommersdorf. Für diesen Abschnitt werde mit der Fertigstellung des Deckblattverfahrens Ende 2023 gerechnet, welches dann in 2024 offengelegt wird. Wenn eine Änderung von einzelnen Bestandteilen der Planung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens notwendig werde, erfolge ein sogenanntes Deckblattverfahren, erklärt Wego.
Nachdem die Details der Planung, die geändert werden müssen, eingearbeitet seien, werden sie in den Planfeststellungsunterlagen gekennzeichnet und als Deckblatt bezeichnet. Bei beiden Abschnitten sind dabei alle Entwicklungen im Umwelt- und Wasserrecht zu berücksichtigen, um so die bestmögliche Gesamtlösung zu planen und umzusetzen.
Das Land NRW bezifferte vor fünf Jahren die Kosten für den kompletten Lückenschluss auf 245 Millionen Euro.
Weilerswister Rat stellt sich geschlossen gegen Abgrabungen: „Achselzucken geht nicht“
Schmutzige Wege, Kieslaster, die die Straßen aufreißen, Lärmbelästigung für die Anwohner in Vernich, Müggenhausen oder Metternich: Die Kiesabgrabungen waren den Weilerswistern schon lange ein Dorn im Auge.
Bereits in den achtziger Jahren hat die Politik gegen die Abgrabungen und ihre Begleiterscheinungen gekämpft, erinnert sich Hans-Peter Nussbaum, Fraktionsmitglied der FDP. In den neunziger Jahren wurde die Grube dann verlassen und renaturiert. So solle das auch bleiben.
Die Weilerswister wollten keine Grube mehr in ihrer Gemeinde, sagt Nussbaum. Damit hätten sie nur Probleme. Trotzdem sollen jetzt entlang der K11 weitere Abgrabungszonen aufgerissen werden – genauer: zwischen der K11 und der A1, im Bereich des Parkplatzes „Oberste Heide“.
Den Politikern des Gemeinderats stellte sich deswegen in der vergangenen Ratssitzung die Frage: „Warum?“ Die Antwort des Fachbereichsleiters Planen und Bauen, Martin Reichwaldt: Der Kies aus der Grube werde gebraucht für den Weiterbau der A1.
Doch dieser Abbau gehe auch einher mit einem höheren Verkehrseinkommen, fürchtet SPD-Fraktionsmitglied Dennis Knoblauch. Man sei sich innerhalb des Rates doch einig gewesen, zusätzliche Fahrzeugbewegungen in der ohnehin schon überlasteten Gemeinde zu verhindern, sagt er.
Aus diesem Grund habe es im Vorfeld auch schon die Überlegung gegeben, ob es einen Anschluss auf den Parkplatz „Große Heide“ geben könne, damit die Kieslaster direkt auf die Autobahn fahren können, anstatt den Umweg über eine Kreisstraße zu nehmen. Zudem, sagt Knoblauch, habe es Überlegungen gegeben, die ausgeschriebene Konzentrationszone zu ändern – von Kies auf erneuerbare Energien. Windkraft statt Grube.
Doch der Regionalplan sehe an dieser Stelle den Abbau von Sand und Kies vor, sagt Martin Reichwaldt. „Dann brauchen wir eine Neuaufstellung des Regionalplans“, antwortet CDU-Fraktionsmitglied Erwin Jakobs. Doch die Genehmigung dazu erteilt der Kreis Euskirchen. Die Weilerswister Politiker sind sich jedenfalls einig, dass sie keinen weiteren Kiesbau in ihrer Gemeinde wollen.
Eine solche Abgrabung sei alles andere als zeitgemäß, sagt Karl-Heinz March, Fraktionsmitglied der Grünen. Auch Fraktionsvorsitzende Marcelle Kristen-Dechamps ist unzufrieden, und findet, der Rat sollte sich geschlossen gegen Kiesabbau und die Eröffnung einer neuen Grube aussprechen. „Achselzucken geht nicht“, sagt sie.
Doch das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist noch nicht gesprochen. Aktuell machen Parteien mobil und rufen zu breiten öffentlichen Protesten auf. Die aktuellen Pläne gingen völlig am Interesse der Bürger vorbei, so äußerten sich etwa die Grünen. Sie rufen deswegen gerade dazu auf, Briefe an Landrat Markus Ramers (SPD) zu schreiben oder etwa eine Bürgerinitiative zu gründen. (kkr)