Berlin/München – Eisenbahngewerkschaft und Personalvertretung der Deutschen Bahn haben nach dem Pfingstwochenende mit 9-Euro-Ticket eine gemischte Zwischenbilanz gezogen. Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht sich unterdessen in seiner Kritik bestätigt.
„Die 9-Euro-Aktion hat erwartungsgemäß einen großen Ansturm auf die Regionalzüge ausgelöst, der bundesweit zu deutlich mehr Fällen von Überlastung geführt hat“, sagte der Vize-Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats DB Regio, Ralf Damde, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) nach Gesprächen mit Bahn-Betriebsräten aus ganz Deutschland.
700 Meldungen von Überlastung, Problemen mit Passagieren oder Störungen
Zu befürchten tätlichen Übergriffen gegen das Bahnpersonal sei es nicht gekommen, „wohl aber zu verbalen“, erklärte Damde. Der massive zusätzliche Personalbedarf habe allein über Pfingsten Tausende Überstunden nötig gemacht. Trotz der vielen zusätzlich eingesetzten Fahrzeuge mussten Passagiere abgewiesen werden. Laut ersten Auswertungen der Problemmeldungen der Zugführer hat es an jedem Tag bundesweit etwa 400 Züge mit zu hoher Auslastung gegeben.
Insgesamt gab es pro Tag rund 700 Meldungen von Überlastung, Problemen mit Passagieren oder Störungen an die Einsatzzentrale. Das sei signifikant mehr als an einem durchschnittlichen Wochenende und auch signifikant mehr als an Pfingstwochenende vor Corona.
„Viele Bahn-Angestellte gehen schon jetzt auf dem Zahnfleisch“
Zu erhöhtem Personal- und Zeitaufwand führte demnach, dass viele Reisende ohne Bahn-Erfahrung sich auf den Bahnsteigen oder in großen Bahnhöfen nicht zurecht fanden oder sich nicht darüber bewusst waren, dass im ÖPNV nach wie vor Maskenpflicht gelte, erklärte Damde.
Der zusätzliche Einsatz von Fahrzeugen habe flächendeckend zu Überstunden für das Bahn-Personal geführt, vor allem bei Lokführern, Kundenbetreuern, Service-, aber auch Reinigungskräften und dem Personal für die Instandhaltung, erklärte Damde gegenüber dem RND. „Im Ausnahmefall ist das möglich, aber dauerhaft nicht. Viele Bahn-Angestellte gehen schon jetzt auf dem Zahnfleisch“, so Damde.
Der Fahrgastverband Pro Bahn sieht sich nach dem ersten Härtetest für das 9-Euro-Ticket am Pfingstwochenende unterdessen in seiner Kritik bestätigt. „In den Hauptreisezeiten war die Nachfrage auf den Hauptstrecken so stark, dass Züge nicht abfahren konnten. Und einige Bahngesellschaften - etwa die Metronom in Norddeutschland - haben die Fahrradbeförderung ausgeschlossen, weil sie dem Ansturm nicht Herr wurden“, sagte Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Das Chaos sei vorhersehbar gewesen und Folge eines politischen Angebots, ohne dafür über die nötigen Kapazitäten im Bahnverkehr zu verfügen.
„Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht“
„Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut gemacht“, sagte Naumann. Gut am 9-Euro-Ticket sei, dass dadurch der öffentliche Nahverkehr wieder ins Gespräch gebracht worden sei. „Es funktioniert aber nur, wenn die Kapazitäten vorhanden sind“, betonte Naumann. Pfingsten galt als erster Härtetest für die Rabattaktion. Mit dem Fahrschein kann man jeweils einen Monat lang bundesweit den Nahverkehr nutzen, das Ticket ist für Juni, Juli und Augst erhältlich. Es soll etwa Pendler unterstützen und außerdem helfen, neue Nutzer dauerhaft vom Umstieg auf die Bahn zu bewegen.
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Naumann erwartet für die kommenden Sommermonate weitere Probleme. Bahnreisenden riet er darum, wenn möglich nicht am Wochenende zu fahren, sondern auf Tage in der Wochenmitte auszuweichen und das Ausflugsziel zu überdenken. „Muss es unbedingt Sylt sein, Warnemünde oder der Tegernsee - oder gibt es nicht auch andere schöne Gegenden, wo die Nachfrage geringer ist?“, so Naumann. (das/rnd/dpa)