Auf einen Rekordwert ist die Zahl der sozialversichert Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr gestiegen. Dennoch steht der Arbeitsmarkt vor großen Herausforderungen. Die Bundesagentur für Arbeit, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Arbeitgebervertretung stellen vor allem zwei Aspekte in den Mittelpunkt.
Arbeitsmarkt NRWZahl der Beschäftigten klettert auf ein Rekordhoch
Die Zahl der sozialversichert Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen ist in diesem Jahr, trotz des Ukraine-Krieges, der Inflation und den Folgen der Corona-Pandemie, auf einen Rekordwert gestiegen. So waren in 2022 erstmals mehr als 7,3 Millionen Menschen in NRW in einem Beschäftigungsverhältnis. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit ist im Vergleich zu 2021 dagegen sogar gesunken. Mit rund 668.000 arbeitslos gemeldeten Menschen lag der Wert um 56 500 Personen oder 7,2 Prozent unter dem des Vorjahres.
„Der Arbeitsmarkt in NRW ist trotz steigender Energiekosten und wachsender Inflation stabil geblieben. Das ist eine gute Nachricht“, sagt Torsten Withake, Vorsitzender der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit. Seit nunmehr zehn Jahren sei die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht mehr gesunken. In NRW arbeiten heute rund 1,1 Millionen Menschen mehr sozialversicherungspflichtig als noch 2012.
Zahl der Arbeitslosen auf stabilem Niveau
Besonders erfreulich sei auch die Stabilität bei den Arbeitslosenzahlen. So sei die Zahl der Menschen, die durch die Arbeitsagenturen im laufenden Jahr betreut worden sind, durch den Zuzug geflüchteter Menschen aus der Ukraine zwar gestiegen, die Zahl der arbeitslos gemeldeten Personen dagegen aber stabil geblieben. In den Jobcentern seien im November gut 40 000 ukrainischstämmige Personen als arbeitslos erfasst worden. Circa 14 000 Ukrainerinnen und Ukrainer habe man bereits über den offiziellen Weg der Arbeitsagenturen in einen Beruf vermitteln können.
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In den vergangenen beiden Monaten ist dieser Aufschwung jedoch gestoppt worden. So waren im Oktober und November erstmals seit Mai 2021 wieder mehr Menschen ohne Job als ein Jahr zuvor. Im Vergleich zu November 2021 sind im vergangenen November rund 18 000 Menschen mehr arbeitslos gewesen. Das entspricht einem Plus von 2,7 Prozent. „Unternehmen haben 2022 weniger arbeitslose Menschen neu eingestellt“, so Withake. Gleichzeitig hätten viele Firmen trotz diverser Unsicherheiten auf Entlassungen verzichtet. Dies habe zu einer gewissen Beständigkeit geführt.
Historisch niedrig ist der Wert der arbeitslosen jungen Menschen in 2022. So waren im November dieses Jahres etwa 47 000 Jugendliche im Alter zwischen 15 und 25 Jahren ohne Beschäftigung. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Rückgang um 10,7 Prozent. Weniger positiv ist dagegen die Entwicklung fehlenden Fachpersonals. „Wir steuern in einen Fachkräfteengpass“, sagt Withake.
„Fachkräftelücke ist Achillesferse des Arbeitsmarktes in NRW“
Auch Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes NRW, weist eindringlich auf den Fachkräftemangel hin: „Die Fachkräftelücke ist die Achillesferse des NRW-Arbeitsmarktes. Neben besseren Bedingungen zur Fachkräftezuwanderung aus dem Ausland, müssen wir dringend unsere inländischen Potenziale heben.“ Allein im Öffentlichen Dienst seien 24 000 Stellen unbesetzt. „Das sind alles Lehrer, Polizisten und Richter, die gerade fehlen.“ Wenn sich diese Entwicklung fortsetze, laufe der Öffentliche Dienst Gefahr, seine Kernaufgaben nicht mehr angemessen erfüllen zu können. Diskussionen über längere Arbeitszeiten und ein höheres Renteneintrittsalter seien aus diesem Grund aktuell fehl am Platz. Zu viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer würden wegen Überlastung zurzeit früher aus dem Beruf ausscheiden. Mit flexiblen Arbeitszeiten und speziellen Programmen für Mütter und Familien müsse man Jobs attraktiver machen.
Auch die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte stellen DGB und die Bundesagentur für Arbeit in den Mittelpunkt. Diese müsse deutlich erleichtert werden. Es dauere zu lange, bis Qualifikationen in Deutschland anerkannt werden. „Wir dürfen das System nicht zu sehr auf das Anerkennen bestehender Abschlüsse konzentrieren, sondern auf die Tätigkeit“, sagt Wirhake. Dies müsse unbürokratisch gelöst werden, in dem Zuwanderer zum Beispiel durch Mitarbeit vor Ort ihre Qualitäten beweisen können.
Ein weiteres großes Potenzial liege bei den jungen Menschen in NRW. Arndt Günter Kirchhoff vom Unternehmerverband NRW fordert deshalb eine Lockerung des Datenschutzes: „Wir haben die Möglichkeiten auszubilden, aber wir müssen auch mitbekommen, wenn jemand ohne Abschluss die Schule verlässt.“ Wichtig sei, dass sich inländische Potenziale und qualifizierte Zuwanderung nicht gegeneinander ausspielen. Auch bei den Langzeitarbeitslosen, die rund 40 Prozent aller Arbeitssuchenden ausmachen, gelte es durch Förderprogramme Stellen zu besetzen. „Die Leute müssen einsehen, dass es besser ist zu arbeiten, als nicht zu arbeiten“, so Kirchhoff.