Berlin – Reisende sollen nach dem Willen Niedersachsens Flugtickets erst beim Check-in bezahlen müssen. Eine entsprechende Vorlage des Landes gegen die Vorkasse wurde am Freitag in den Bundesrat eingebracht. Die Initiative wird in den kommenden Tagen in den Ausschüssen der Länderkammer beraten.
Bislang ist es üblich, dass Kunden ihre Tickets bereits bei der Buchung und damit oft Monate im Voraus bezahlen müssen. Aus Sicht der in Hannover regierenden großen Koalition benachteiligt diese Praxis die Fluggäste. Ausfälle gingen fast immer zulasten der Reisenden. Diese müssten sich im Falle einer Stornierung mühsam und teils langwierig um eine Rückerstattung bemühen.
Zahlreiche Flugstornierungen im Sommer
Hintergrund sind die zahlreichen Flugstornierungen in diesem Sommer aufgrund von Personalengpässen. Diese habe die Luftfahrtbranche selbst zu verantworten, argumentiert das Land. Zu Beginn der Pandemie hätten zudem Unternehmen versucht, Gutscheine auszustellen, statt die gezahlten Flugpreise zu erstatten. Auch nach der Air Berlin-Pleite hatten Verbraucher Probleme, ihre Zahlungen erstattet zu bekommen.
Nach den Vorstellungen des Landes soll die Länderkammer die Bundesregierung bitten, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Er soll sicherstellen, dass der Beförderungspreis frühestens bei Abfertigung verlangt werden darf. Der Rechtsausschuss und weitere Ausschüsse der Länderkammer wollen sich noch im September mit dem Vorschlag befassen. Dann kann das Plenum darüber abstimmen, ob es eine entsprechende Entschließung fasst.
Vorkasseverbot zum Nachteil für Airlines?
Die Branche lehnt die auch von Verbraucherschützern verlangte Abkehr von der Vorkasse ab. Der Branchenverband BDL verweist unter anderem auf die international üblichen Abrechnungsverfahren. Mit dem vorab eingenommenen Geld erreichten die Fluggesellschaften eine größere Planungssicherheit und könnten die Maschinen optimal auslasten, was auch positiv für das Klima sei. Die Kunden könnten zudem von Frühbucherrabatten profitieren. Die Lufthansa hat beteuert, nahezu alle Erstattungsansprüche innerhalb der gesetzlichen Frist von sieben Tagen zu erfüllen.
„Flugausfälle, auf die Reisende keinerlei Einfluss haben, dürfen nicht zu einem zusätzlichen Aufwand für die Betroffenen führen. Die bisherige Situation begünstigt einseitig die Airlines”, sagte der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann der Deutschen Presse-Agentur. Ein Vorkasseverbot werde das System der Preisfindung nicht beeinträchtigen. „Keine Gesellschaft muss fürchten, dass Reisende nach einer frühen Buchung nicht am Flughafen erscheinen. Denn ein Vorkasseverbot verpflichtet die Reisenden natürlich trotzdem dazu, die gebuchten Tickets zu bezahlen.”
Das bisherige System hat der Bundesgerichtshof zuletzt 2016 für rechtens erklärt. Die Richter verwiesen auf die EU-Fluggastverordnung, die Verbraucher ausreichend schütze. Mögliche Zinsnachteile der Kunden würden regelmäßig durch Preisvorteile bei frühen Buchungen ausgeglichen.
© dpa-infocom, dpa:220916-99-785801/7 (dpa)