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British Rail vor Deutscher BahnGroßbritanniens „kaputte“ Züge sind pünktlicher

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Verspätungsanzeigen im Stuttgarter Hauptbahnhof. (Archivbild)

Verspätungsanzeigen im Stuttgarter Hauptbahnhof. (Archivbild)

Im Wahlkampfduell warnt Olaf Scholz vor der Zerschlagung der Bahn und verweist auf die unzuverlässigen britischen Züge. Doch die Realität sieht anders aus.

Die Deutsche Bahn ist unpünktlicher als der Kanzler glaubt: Im ARD-Wahlkampfduell warnte Olaf Scholz jüngst vor einer Zerschlagung der staatseigenen DB und präsentierte die britische Bahn als Negativbeispiel. „Das wird so schlecht enden wie in England – wo dann gar nichts mehr funktioniert und man dann nur noch kaputte Schienen und schlechte Züge hat“, antwortete er Unions-Herausforderer Friedrich Merz, der Netz und Betrieb der Bahn trennen möchte, in dem Schlagabtausch.

Doch der Kanzler lag falsch. In Sachen Pünktlichkeit fährt die viel kritisierte British Rail der Deutschen Bahn messbar davon – wobei offen bleibt, ob das an der Trennung von Netz und Betrieb liegt. Die Financial Times hat mithilfe der Websites Zugfinder und Bahn-Vorhersage nachgerechnet und 1,9 Milliarden Bahnverbindungen von Februar 2024 bis einschließlich Januar 2025 untersucht.

British Rail liegt 6 Prozentpunkte vorn

Demnach erreichten in dem Zeitraum 72 Prozent der Fernzüge – also Intercitys (IC) und Intercity Express (ICE) – ihr Ziel mit höchstens 10 Minuten Verspätung. Bei British Rail schafften das 78 Prozent der Fernzüge. Bei den Regionalzügen der DB waren im Januar 80 Prozent höchstens 5 Minuten zu spät. Auch hier schnitt British Rail mit 84 Prozent besser ab.

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Nur 37 Prozent der Fernzüge in Deutschland gelang eine Punktlandung mit höchstens einer Minute Verspätung. Selbst der schlechteste britische Anbieter Avanti West Coast toppte das mit 41 Prozent. Im britischen Schnitt schaffen es 69 Prozent der Fernzüge punktgenau.

Auch Europa klagt über deutsche Verspätungen

Auch die europäischen Nachbarn leiden an den Verspätungen aus Deutschland, schreibt die FT. Sie seien durchgehend höher als die aus den anderen Nachbarländern. In Amsterdam etwa treffen Fernzüge aus Deutschland im Schnitt 13 Minuten zu spät ein – aus anderen Ländern liegt die Marge bei zwei Minuten.

Im Januar bereits hatten Zahlen der DB für 2024 ähnlich ernüchternde Ergebnisse erbracht. Demnach waren sogar nur 62,5 Prozent der ICE- und IC-Züge pünktlich unterwegs – allerdings zählt die DB höchstens 6 Minuten Verspätung noch als pünktlich. Das war der schlechteste Wert seit mindestens zwei Jahrzehnten. Am höchsten war die Pünktlichkeitsquote mit 84,3 Prozent im Jahr 2004.

Die Schweiz ist Pünktlichkeitsmeister

Beim Portal Zugfinder, das auf Anfrage des RND-Reisereporters die Pünktlichkeitswerte der Deutschen Bahn vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2024 im Europa-Vergleich – ohne Großbritannien – analysierte, fällt das Ergebnis sogar noch etwas schlechter aus. Demnach erreichten im Mittel nur 61,6 Prozent der Fernzüge ihr Ziel mit maximal sechs Minuten Zuschlag.

Den Europa-Vergleich kann mit beeindruckenden 98,6 Prozent pünktlicher Fernzüge erneut die Schweiz für sich entscheiden. Kurz dahinter fährt Belgien auf einen Wert von 96 Prozent, so Analyse.

Mit Blick auf das schlechte Abschneiden Deutschlands erläuterte ein Bahnsprecher: „80 Prozent aller Verspätungen im Fernverkehr sind auf die veraltete und störanfällige sowie überlastete Infrastruktur zurückzuführen.“

41 Generalsanierungen sollen deshalb bis 2030 das Schienennetz wieder leistungsfähig machen. Ob das so kommt, hängt jedoch auch von der nächsten Regierung an. Nach Ansicht von Noch-Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) jedenfalls würde die Zerschlagung der Bahn kein einziges der derzeitigen Probleme lösen. Im Gegenteil, der Sanierungsprozess der Infrastruktur würde nur noch komplizierter, warnte er.