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Die Preisexplosion wirbelt den Handel durcheinander

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Berlin – Die dramatisch steigenden Preise für Energie und viele Lebensmittel stellen immer mehr Menschen in Deutschland vor Probleme. Nach einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Handelsverbandes Deutschland (HDE) hat inzwischen mehr als ein Viertel der Bevölkerung (27 Prozent) große Angst, mit dem Geld nicht mehr auszukommen.

Die Folge: Das Einkaufsverhalten vieler Verbraucherinnen und Verbraucher hat sich in den vergangenen Monaten spürbar verändert und das macht dem Handel schwer zu schaffen.

„Die steigende Inflation schmälert die Kaufkraft der Kundinnen und Kunden massiv”, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth am Dienstag in Berlin. Das bekomme der Handel zu spüren. Aufgrund der hohen Inflation würden die Umsätze des Einzelhandels zwar auch in diesem Jahr nominal um 3 Prozent auf 607 Milliarden Euro steigen, prognostizierte der HDE. Real - also inflationsbereinigt - würden die Umsätze aber um zwei Prozent schrumpfen. Nach einer aktuellen Umfrage des HDE unter 800 Unternehmen rechnet fast die Hälfte der Händler (44 Prozent) für das Gesamtjahr sogar mit sinkenden nominalen Umsätzen.

Umsatzeinbußen für Supermärkte

Zu den Verlierern könnten große Teile des Lebensmittelhandels gehören. Supermärkte und Discounter hatten in der Pandemie davon profitiert, dass viele Veranstaltungen und Kneipenbesuche ausfielen und häufig im Homeoffice gearbeitet wurde. Um es wenigstens zuhause schön zu haben, griffen viele Menschen 2020 und 2021 beim Lebensmitteleinkauf tiefer in die Tasche. Man gönnte sich etwas. Vor allem den Supermärkten bescherte dies kräftige Umsatzzuwächse.

Doch das ist Schnee von gestern. Allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres mussten die Supermärkte nach aktuellen Zahlen des Marktforschers GfK bereits Umsatzeinbußen von vier Prozent hinnehmen. Denn jetzt wird wieder auf den Cent geschaut. Laut GfK wird häufiger zu Sonderangeboten gegriffen, es wird öfter beim Discounter geshoppt und statt Markenartikel liegen gerne wieder die Eigenmarken der Handelsketten in den Einkaufswagen. Auf den einen oder anderen Einkauf werde auch schlicht verzichtet, um Geld zu sparen, beobachteten die Marktforscher. Das tut den Lebensmittelhändlern weh, aber immerhin haben sie in der Zeit der Pandemie ein Finanzpolster aufbauen können.

Ganz anders sieht es im stationären Textilhandel aus. Von der Boutique bis zum Warenhaus war der Modehandel im diesem Frühjahr gerade dabei, sich vom Corona-Tief zu erholen. Nach den dramatischen Umsatzeinbrüchen der Vorjahre lagen die Umsätze im Textilhandel nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Mai nur noch 1,1 Prozent unter dem Vorkrisenniveau.

Noch mehr Onlinehandel

„Es gab viele Nachholeffekte, auch der Verkauf von Anzügen hat wieder kräftig zugelegt, weil wieder mehr Festivitäten stattfanden”, sagte Axel Augustin vom Handelsverband Textil (BTE). Doch könnte dies ein Strohfeuer gewesen sein, befürchtet jetzt mancher in der Branche. Der HDE jedenfalls geht davon aus, dass die Konsumenten angesichts der Inflation nicht nur im Lebensmittelhandel den Gürtel enger schnallen, sondern auch bei anderen Einkäufen.

Deutlich besser als die stationäre Konkurrenz dürfte sich auch in diesem Jahr der Onlinehandel schlagen, der seine Umsätze der HDE-Prognose zufolge 2022 nominal um 12,4 Prozent auf gut 97 Milliarden Euro steigern könnte. Real entspräche das einem Plus von rund 9 Prozent. Zum Vergleich: Der stationäre Handel dürfte dagegen nominal nur um 1,4 Prozent auf knapp 510 Milliarden Euro zulegen und real sogar 3,5 Prozent an Umsatz einbüßen. Er würde damit erneut Marktanteile an den Onlinehandel verlieren. Allerdings schwächt sich auch das Wachstum des Onlinehandels deutlich ab. Im vergangenen Jahr hatte das Umsatzplus hier noch bei fast 20 Prozent gelegen.

Doch ist das schlechte Konsumklima nicht das einzige Problem, mit dem der Handel zu kämpfen hat. Auch die Händler leiden unter den steigenden Energiepreisen. Die Stromkosten für einen modernen Supermarkt mit 1000 Quadratmetern Verkaufsfläche seien innerhalb eines Jahres von 80 000 auf über 140 000 Euro gestiegen, berichtete Genth. „Wenn wir die Energiekostensituation nicht in den Griff bekommen, ist das für den Einzelhandel eine richtige Herausforderung”, warnte der Branchenkenner. „Dann sind Standorte und Unternehmen gefährdet.”

© dpa-infocom, dpa:220705-99-912868/4 (dpa)