Längster Streik im Zugverkehr läuftBahn-Beaufragter nennt GDL-Streik „Spiel mit dem Feuer“ – Ramelow gibt Bahn Schuld

Lesezeit 5 Minuten
Stillstand auch häufig am Hauptbahnhof Köln: Die Lokführer-Gewerkschaft GDL bestreikt seit der Nacht zu Mittwoch die Deutsche Bahn. (Archivbild)

Stillstand auch häufig am Hauptbahnhof Köln: Die Lokführer-Gewerkschaft GDL bestreikt seit der Nacht zu Mittwoch die Deutsche Bahn. (Archivbild)

Wieder fallen Züge aus, wieder müssen Reisende ohne Bahnverkehr auskommen. Wann kommt es zur Lösung im Konflikt zwischen GDL und Bahn?

Der nächste Bahn-Streik läuft: Seit der Nacht zu Mittwoch und bis Montag (29. Januar) um 18 Uhr fallen erneut massiv Züge aus, weil die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) die Deutsche Bahn (DB) bestreikt. Die Bahn reagierte mit einem Notfallfahrplan, und einige Verbindungen in und um Köln fahren weiterhin, doch viele Reisende müssen auf Alternativen zurückgreifen. Aber auch wer mit dem Straßenverkehr plant, braucht wegen der A1-Vollsperrung in Köln und Leverkusen gute Nerven.

Während viele Züge ruhen, haben sich die Streik-Parteien erneut geäußert. Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat sich nun in den Streik eingeschaltet. Kommt es nun zu einer Lösung in dem seit Monaten andauernden Tarifstreit? Ein Überblick zum Streik.

Streik bei Deutsche Bahn: GDL hält an Tarif-Forderungen fest

Die Lokführer-Gewerkschaft fordert zum Beginn des Streiks erneut die Bahn auf, der GDL bei ihren Forderungen entgegenzukommen. „Was die Deutsche Bahn AG macht, ist nichts anders als die wiederholende Ablehnung aller Forderungen“, kritisierte GDL-Chef Claus Weselsky am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Weselsky, der ohnehin nur selten mit klaren Ansagen spart, wurde noch deutlicher: Auf die Frage, wann die Gewerkschaft wieder verhandeln werde, sagte der Gewerkschafter: „Sobald die Deutsche Bahn vom hohen Ross herunter kommt.“

Alles zum Thema Deutsche Bahn

Die GDL-Forderungen in Kürze

  • 555 Euro allgemeine Entgelterhöhung sowie eine entsprechend deutliche Entgelterhöhung für Azubis und Erhöhung der Zulagen für Schichtarbeit um 25 Prozent
  • Absenkung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden pro Woche für Schichtarbeiter ohne anteilige Lohnabsenkung
  • Steuerfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro, unabhängig ob Teilzeit- oder Vollzeitarbeitnehmer
  • Fünf Prozent Arbeitgeberanteil für die betriebliche Altersvorsorge
  • Einführung der Fünf-Schichten-Woche für Arbeitnehmer im Schichtdienst

Einer der größten Streitpunkte im seit Anfang November andauernden Tarifkonflikt ist die GDL-Forderung nach Modellen für verringerte Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. DB-Personalvorstand Martin Seiler hatte Anfang Januar den Lokführern noch angeboten, mehr Freiraum bei der Arbeitszeit zu haben – allerdings nur mit Einbußen beim Lohn. Die GDL lehnte dies ab und kritisierte Seilers Strategie.

GDL-Chef Claus Weselsky verteidigte zudem den Arbeitskampf als „verhältnismäßig“. Das Bahn-Management sei „beratungsresistent“, daher müsse seine Gewerkschaft „länger und auch härter streiken“, sagte er im ZDF weiter. Er verwies insbesondere auf Verhandlungsergebnisse mit anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen als „mögliche Kompromisslinie“, was die Bahn abgelehnt habe. Eine Einigung und damit ein vorzeitiges Streikende schloss er daher aus. 

Längster Streik der Bahn-Geschichte: Bahn-Beauftragter Theurer spricht von „Spiel mit dem Feuer“

Die Bahn lehnte die Vorschläge der GDL als Grundlage für weitere Verhandlungen ab. Es handele sich lediglich um die „Wiederholung altbekannter Maximalforderungen“, sagte eine Sprecherin am Mittwochmorgen. Für die Deutsche Bahn ist es laut Konzern der längste Streik der Unternehmensgeschichte. Der Streik umfasst 136 Stunden Ausstand im Personen- und sogar 144 Stunden im Güterverkehr. Im aktuellen Tarifkonflikt umfasst er auch erstmals ein volles Wochenende.

Bahn-Beauftragter Michael Theurer (FDP) nennt den langen GDL-Streik ein „Spiel mit dem Feuer“. (Archivbild)

Bahn-Beauftragter Michael Theurer (FDP) nennt den langen GDL-Streik ein „Spiel mit dem Feuer“. (Archivbild)

Der Bahnbeauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer (FDP), hat vor Folgen des GDL-Bahnstreiks für die Verkehrswende gewarnt. „Mit ständig neuen und immer längeren Streiks büßt der klimafreundliche Verkehrsträger Schiene zunehmend an Attraktivität ein“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) (Donnerstag). „Jeder, der bisher überlegt hat, vom Auto auf die Bahn umzusteigen, hat nun ein weiteres Gegenargument“, fügte er hinzu. „Das ist ein Spiel mit dem Feuer.“

Verkehrsminister Volker Wissing für Schlichtung im GDL-Bahn-Konflikt

Wann und ob die Streikparteien zurück an den Verhandlungstisch kehren, ist derzeit noch unklar. Auch deswegen hat sich Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nun in den verfahrenen Tarifstreit eingeschaltet und eine Schlichtung gefordert. 

Er erwarte von der Gewerkschaft, dass sie Verantwortung übernehme und an den Verhandlungstisch komme, sagte der FDP-Politiker am Mittwoch im Deutschlandfunk. „Und wenn das so festgefahren ist, dass man offensichtlich nicht mehr miteinander reden kann, dann brauchen wir dringend eine Mediation oder ein Schlichtungsverfahren.“ Allerdings seien die Chancen für eine Schlichtung derzeit eher gering. „Es können Güter nicht transportiert werden, und überall dort, wo sie entstehen, bleiben die Betroffenen auf diesen Kosten sitzen. Das ist ja das Ärgerliche an diesem Streik, dass er auf dem Rücken Dritter ausgetragen wird“, kommentierte Wissing den GDL-Streik.

Nach dem Beginn des sechstägigen Streiks der Lokführergewerkschaft GDL hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) der Deutschen Bahn die Schuld an der Eskalation des Tarifkonflikts gegeben. „Ich verstehe überhaupt nicht, was die Strategie der Bahn ist“, sagte der frühere Tarifschlichter den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Donnerstag. „Es gibt kein schlichtungsfähiges Angebot.“

Stattdessen versuche der Bahn-Vorstand immer wieder, juristisch gegen die GDL vorzugehen. „Das Ziel ist offenbar, die GDL kaputt zu machen“, sagte Ramelow. „Das macht sie aber erst recht zu einer Kampforganisation. Ich kann da nur verblüfft den Kopf schütteln.“

Güterverkehr: Industrie befürchtet Milliardenschaden durch GDL-Streik

Als Rücken Dritter könnte auch die deutsche Industrie angesehen werden: Die deutsche Industrie erwartet durch den Lokführer-Streik auch im Güterverkehr enorme Probleme für Unternehmen. Es drohten harte Einschränkungen bis hin zu einzelnen Produktionsausfällen, Drosselungen und Stillständen in der Industrie, sagte Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

„Bei einem sechstägigen Streik ist eine Schadenshöhe von insgesamt bis zu einer Milliarde Euro nicht unrealistisch.“ Neben betrieblichen und volkswirtschaftlichen Schäden kämen „erhebliche Imageschäden“ für den Verkehrsträger Schiene erschwerend hinzu, so Gönner. „Zweifel in die ohnehin zuletzt gesunkene Zuverlässigkeit der Bahninfrastruktur wachsen weiter, das System wird für Logistikentscheider zusehends unattraktiver.“

Dass der erneute, lange Bahn-Streik auch an den Nerven der Reisenden zerrt, zeigt sich an einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Laut aktueller Umfrage haben 59 Prozent der rund 4000 Befragten kein Verständnis mehr für den Bahn-Streik der GDL, nur noch 34 Prozent können den Streik nachvollziehen. (mab mit dpa/afp)

KStA abonnieren