Negative Google-Bewertungen können für Gastronomen rufschädigend bis existenzbedrohend sein. Ein Anwalt erklärt, was sie dagegen tun können.
„Unverschämt, unredlich, beleidigend“Kölner Gastronomen lassen unfaire Bewertungen bei Google löschen
4,7 von 5 Sterne bei mehr als 3600 Rezensionen: Bei diesen Bewertungen spricht vieles für einen Besuch bei „Oma Kleinmann“ auf der Zülpicher Straße. Doch bei Google Maps befinden sich auch Ein-Sterne-Bewertungen, die von Algorithmen hochgespült werden, oft jahrelang öffentlich bleiben und rufschädigend sind.
Für einige Menschen reicht schon eine schlechte Bewertung, die sie auf der Suche nach einem geeigneten Treffpunkt für den Abend bei Google sehen, um sich gegen einen Besuch zu entscheiden. Geschäftsführerin Maureen Wolf sagt: „Das hat eine abschreckende Wirkung auf Gäste.“ Wolf stellt schnell klar, dass sie dabei nicht per se jede schlechte Bewertung meint. Viele hätten ihre Berechtigung: „Jegliche Kritik ist erstmal gut und kann uns helfen.“
Unfaire Google-Rezensionen: Kölner Gastronominnen wehren sich
Das „Oma-Team“ geht auf viele Beiträge ein. Wolf erklärt, dass ihr Team jede Bewertungen durchliest und versucht, Fakten zu schaffen: Was ist passiert? Wer hat in der Schicht gearbeitet? Welche Belege liegen vor? Je mehr Informationen zur Verfügung stehen, desto besser könne das Team die Bewertung einordnen und letztendlich darauf eingehen.
Ein Kunde beschwerte sich über eine zu kurze Tischzeit mit dem Vermerk: „Früher durfte man noch saufen.“ Solche verallgemeinernden Kommentare findet Wolf unfair. In ihrer ausgiebigen Antwort verweist sie nüchtern auf die Information zur Tischzeit in der Reservierungsbestätigung.
Emotionale Antworten sind nicht zielführend: „Der Kunde macht sofort dicht“
Beim Antworten sei der gewählte Ton wichtig, und zwar auf beiden Seiten, ist Wolf sich sicher. Schließlich folgt für die Kölner Gastronomin nach einer Kritik im besten Fall ein Gespräch. Von ihrem Team verlangt sie eine sachliche Antwort: „Anfangs haben wir sehr emotional geantwortet, aber schnell gemerkt, dass das gar nichts bringt. Der Kunde macht sofort dicht.“
Doch manche Rezensionen klängen so bitterböse, dass sie nur mit den Schultern zucken könne: „Im Ärger schreibt man vielleicht manche Sachen härter, als man sie ins Gesicht sagen würde.“
In Extremfällen beantragt sie bei Google, die Rezension löschen zu lassen: „Das waren Inhalte, die wir als sehr unverschämt empfunden haben.“ Dreimal habe das Team bisher eine Löschung beantragt, zweimal klappte es. Der Prozess sei eine langwierige Extraarbeit gewesen. Aber welche Inhalte sind unrechtmäßig und werden von Google gelöscht?
Ein-Sterne-Bewertungen: Kölner Rechtsanwalt erklärt, wann Google sie löscht
Bei Rezensionen mit eindeutigen Rechtsverletzungen stehen die Chance auf eine Löchung gut, erklärt der Kölner Medienrechtsanwalt Christian Solmecke. Sprich: krasse Beleidigungen, nachweisbare Falschbehauptungen und fehlende Erfahrungsbezüge.
Vor einem Gericht landen Google-Löschungen selten, so der Kölner Anwalt. Entweder, weil die Beanstandung Google überzeugt. Der Verfasser darf zum Beitrag nochmal Stellung beziehen, doch die muss plausibel und belegbar sein. Viele Gastronomen entscheiden sich aber auch gegen ein Gerichtsverfahren, „etwa, da sie das Gerichts- und Anwaltskostenrisiko nicht tragen möchten“, sagt Solmecke.
Google will sich nicht in Meinungsunterschiede einmischen
Außerdem löscht Google sogenannte anstößige Inhalte, die gegen ihre Inhaltsrichtlinien verstoßen. Die Grenzen davon seien jedoch fließend, so Solmecke. Google meint damit Inhalte, die „begründet ein Empfinden von extremem Ärger, Beleidigung oder Respektlosigkeit“ hervorrufen, eindeutige Provokationen etwa.
So entfernte Google auf Antrag zum Beispiel diese leicht abgeänderte Bewertung: „Es sind nur geldgierige Unmenschen! Widerlich!“Laut Solmecke ist der Fall klar: Diese Rezension ist eine „unzulässige Meinungsäußerung im Gesamtkontext“ und die Bewertung beruhe „auf keiner tatsächlichen Grundlage“.
Bei Meinungsunterschieden hält sich Google heraus, heißt es auch auf der Website des US-Konzerns. Eine Grauzone existiert also, da die Kriterien zur Löschung unter anderem auf persönlichen Empfindungen und Meinungen beruhen.
Kölner Gastronomin: „Natürlich passieren Fehler, wir sind auch nur Menschen“
Sylvia Fehn-Madaus von „Em Krützche“ in der Kölner Altstadt findet solche subjektiven Beiträge zwar ärgerlich, kann sie aber schnell abschütteln: „Ich kann nicht 24/7 hinter jedem Kellner stehen. Natürlich passieren Fehler, wir sind auch nur Menschen.“ Schließlich seien negative Bewertungen in der Branche normal. Das Traditionswirtshaus kommt bei Google auf 4,3 Sterne bei mehr als 550 Bewertungen.
Doch Fehn-Madaus lässt sich nicht alles gefallen und beantragt auch Löschungen von grenzüberschreitenden Bewertungen. Die Grenze liegt für sie bei Beiträgen, die „unverschämt, unredlich oder beleidigend“ sind. Sie empfindet außerdem Doppelstandards: „Kein Job wird so hart bewertet, wie die Gastronomie, finde ich. Wir haben ein bisschen mehr Wertschätzung verdient.“ Der Anteil der Beiträge, die sie löschen lässt, liege bei einem Prozent, sagt sie.
Google ist als Marktführer besonders wichtig für Restaurants und Cafés. Auch, wenn das Problem andere Plattformen betrifft, wo Kunden Bewertungen hinterlassen, etwa wie Tripadvisor, Yelp und Facebook, sagt Mathias Johnen. Der stellvertretende Geschäftsführer der Kölner Dehoga-Geschäftsstelle schätzt den Anteil der Problemfälle auch sehr niedrig. Doch genau diese „sauren Gurken“ würden die meiste Arbeit bereiten. Denn der Beantragungsprozess bei Google sei langwierig, was auch die Gastronominnen bestätigen.
Erpressungsversuche: Dehoga spricht von Extremfällen in Köln
Besonders betroffen seien Betriebe, die auf Laufkundschaft angewiesen oder personell eng besetzt sind: „Es hat auch nicht jeder die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen.“ Unberechtigte Reklamationen, die nicht gelöscht werden und jahrelang öffentlich einsehbar sind, seien im schlimmsten Fall existenzbedrohend, sagt Johnen: „Das ist wie ein Tattoo im Bewertungsportal.“
Manche Kritik sei selbstverständlich berechtigt, stellt auch Johnen klar. Schließlich stecken hinter den Restaurants und Cafés auch nur Menschen. Doch gerade deshalb plädiert er dafür, Probleme beim Besuch direkt vor Ort im persönlichen Gespräch zu klären: „Es muss nicht direkt weltöffentlich gemacht werden, das hilft den Gästen auch nicht.“
Johnen erzählt zudem von Extremfällen, in denen Personen versuchen, einen Betrieb zu erpressen: „Die schreiben, dass ein Mitbewerber sie damit beauftragt habe, Fake-Bewertungen über das Lokal zu schreiben.“ Damit die Person dies nicht tut, müsse der Betreiber Geld überweisen, meist in Form von Kryptowährung. Johnen erzählt von einem Kölner Fall, in dem 4000 Bitcoins gefordert wurden. Ein Bitcoin entspricht etwa 40.000 Euro. Mit der Drohung einer Anzeige seien solche Fälle jedoch „im Regelfall“ erledigt, sagt Johnen.