- Nach mehreren Rekordjahren ist 2020 einer der schwersten Verluste in der Geschichte der Kölner Messe zu erwarten.
- Das bisherige Konzept zur Finanzierung eines neuen Kongresszentrums ist nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ daher nicht mehr umzusetzen.
- Nun sollen die staatlichen Eigentümer einspringen – und reagieren sehr unterschiedlich auf die Forderung.
Köln – Die Messen gehören sicherlich zu den bundesweit am schwersten betroffenen Branchen der Corona-Pandemie. In Köln sind die Ausstellungshallen im Stadtteil Deutz bereits seit März verwaist. Insgesamt 18 Messen am Hauptsitz sowie zwölf weitere im Ausland mussten im Frühjahr abgesagt werden, darunter Flaggschiffe wie die Eisenwarenmesse oder die Photokina.
Nach rein digitalen Veranstaltungen wie der Spielemesse Gamescom und der Dmexco wurden schließlich auch alle Herbstmessen mit Ausnahme der Kunstmessen Art Cologne und Cologne Fine Art im November pandemiebedingt abgesagt, darunter die Kind+Jugend, die Orgatec sowie die Fitnessmesse Fibo. Nach Aussage von Messechef Gerald Böse verliert das Unternehmen durch die Absagen sieben Millionen Euro pro Woche.
Verlust in Höhe von 125 Millionen
Dass nach mehreren Rekordjahren nun einer der schwersten Verluste in der Messegeschichte zu erwarten ist, hatte die Geschäftsführung schon vor geraumer Zeit angekündigt. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wird sich das Minus 2020 nach derzeitigem Stand auf 125 Millionen Euro belaufen. Und es ist nicht absehbar, wann sich das Messegeschäft wieder normalisieren wird. Im Januar hatte die Messe noch für das laufende Jahr einen Umsatz von mehr als 400 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Corona machte dem Unternehmen dann einen Strich durch die Planungen.
Um die wirtschaftlichen Verwerfungen abzufedern, bürgt die Stadt im Rahmen eines sogenannten Cashpooling-Verfahrens bereits für rund 80 Millionen Euro. Das war die Voraussetzung dafür, dass die Gelder aus einem Kredit bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Höhe von 120 Millionen Euro in diesem Jahr fließen konnten.
Gleichzeitig steckt die Messe mitten in ihrem Sanierungsprogramm Messe 3.0, in dessen Rahmen das gesamte Gelände bis 2034 ertüchtigt werden soll. Auf insgesamt 700 Millionen Euro beläuft sich das Vorhaben. Eines der Kernelemente ist der Bau eines neuen Kongresszentrums. Für den Neubau der sogenannten Confex-Halle mit Platz für rund 5500 Besucher veranschlagt die Messe Kosten in der Spanne von 127 Millionen bis 150 Millionen Euro. Baubeginn sollte ursprünglich in diesem Jahr sein.
Bisheriges Konzept soll nicht mehr umzusetzen sein
In der Vergangenheit hatte die Geschäftsführung stets betont, dass sie die Investitionen für alle Bauprojekte über Kredite und aus dem Eigenkapital finanziert. Man baue nur, was die Kassenlage erlaube. Eine Beteiligung der Anteilseigner Stadt und Land wurde kategorisch ausgeschlossen. Das hat sich offenbar geändert.
Zur Finanzierung des Confex bittet die Messe ihre Anteilseigner Stadt und Land nun um eine Kapitalspritze in Höhe von 120 Millionen Euro. Damit ergäbe sich für die Stadt Köln ein Beitrag in Höhe von 96 Millionen Euro und für das Land NRW in Höhe von 24 Millionen Euro. Das bisherige Finanzierungskonzept sei aufgrund der herben Corona-Verluste nicht mehr umzusetzen, heißt es. Der Aufsichtsrat der Messe hat den Plänen bereits zugestimmt.
Dem Vernehmen nach haben die Vertreter der Stadt im Kontrollgremium klare Zustimmung signalisiert. Die Stadt müsste für die Zuwendung selber einen Kredit aufnehmen, heißt es. Das Land soll sich in den Beratungen dagegen eher zurückhaltend geäußert haben, ob man dem Wunsch der Messe nachkommt. In der Diskussion ist dem Vernehmen nach auch ein Kredit der Eigentümer in besagter Höhe an die Messe.
Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
„Mit der Entscheidung für das Confex wird wesentlich in die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Koelnmesse investiert“, heißt es von der Messe. Nach der Zustimmung des Aufsichtsrates, beabsichtige die Messe daher als wesentlichen Bestandteil des Investitionsprogramms Koelnmesse 3.0 zeitnah das Confex zu errichten. Dazu habe man in Abstimmung mit den Aufsichtsratsgremien verschiedene Finanzierungsmodelle geprüft und diskutiert, so die Messe. „Unter Abwägung der verschiedenen Alternativen strebt die Koelnmesse eine Kapitalerhöhung an und hat diese dem Aufsichtsrat empfohlen.“
Andere Bauvorhaben sollen offenbar aufgrund der Finanzlage erstmal zurückgestellt werden. Dafür soll das Programm 3.0 in Abstimmung mit dem Aufsichtsrat komplett überarbeitet worden sein. Am Bau des Confex wolle die Messe aber unter allen Umständen festhalten, heißt es aus Kreisen der Gesellschaft.
Es ist das erste Mal, dass die Messe ihre Eigentümer in der Amtszeit von Gerald Böse seit 2008 um finanzielle Hilfe bittet. Selbst in den schwierigen Anfangsjahren mit hohen Verlusten schaffte das Unternehmen aus eigener Kraft noch den Turnaround.
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An diesem Freitag soll nun der Finanzausschuss der Stadt in einer Sondersitzung über das Ersuchen beraten. Es gebe zeitlichen Druck, heißt es aus dem Umfeld. Hintergrund sollen die entsprechenden Angebote der Baufirmen sein, die in boomender Baukonjunktur zeitlich befristet sein sollen. Eine Entscheidung soll es dann von Seiten des Kölner Rates wohl noch im November oder Dezember geben.