NRW-weit ist die Produktion von Schnaps rückläufig. Die Kölner Brauereien Sünner und Gaffel, die auch Spirituosen herstellen, können den Trend nicht bestätigen.
SpirituosenmarktNRW stellt weniger Schnaps her - Köln nicht
Die nordrhein-westfälische Schnapsindustrie hat im vergangenen Jahr mit gut 76 Millionen Liter Spirituosen etwas weniger hergestellt als im Vorjahr. Wie das Statistische Landesamt am Montag in Düsseldorf mitteilte, sank die Produktionsmenge der zehn ausgewerteten Betriebe um 1,2 Prozent, was 930.000 Litern entspricht.
Trotzdem wurde mehr eingenommen: Der sogenannte Absatzwert von industriell hergestelltem Wodka, Likör, Korn und ähnlichen Getränken belief sich auf 115,5 Millionen Euro, 11,8 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Ausgewertet wurden Betriebe von Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes mit 20 oder mehr Beschäftigten. Absatzwert meint den Verkaufspreis ohne Alkoholsteuer ab Werk.
Bundesweit wurden 2023 Spirituosen im Wert von 1,2 Milliarden Euro produziert, 3,4 Prozent weniger als 2022. 9,5 Prozent des gesamtdeutschen Absatzwertes entfielen auf nordrhein-westfälische Betriebe. Ein Jahr zuvor hatte der Anteil noch bei 8,2 Prozent gelegen.
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1,2 Liter Softdrinks kommen auf ein Glas Schnaps
Die verkaufte Menge nichtalkoholischer Erfrischungsgetränke war im vergangenen Jahr in NRW 60 Mal so hoch wie die hergestellte Menge an Spirituosen. „Rein rechnerisch kamen 2023 auf jedes produzierte Gläschen Schnaps rund 1,2 Liter nichtalkoholische Erfrischungsgetränke“, erklärte die Pressestelle der Landesbehörde.
Die Kölner Brauerei Sünner, die auch Spirituosen anbietet, kennt zwar den generellen Trend weg vom Alkohol, hat aber im vergangenen Jahr gegen den NRW-Trend mehr statt weniger Schnaps hergestellt. Wie Geschäftsführer Michael Rosenbaum dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ im Interview sagte, ist die Menge hergestellter Spirituosen im vorigen Geschäftsjahr sogar um 23 Prozent gestiegen. „Das liegt auch an unserer ‚Brauwelt‘, bei der viele Gäste bei Führungen eine Flasche als Souvenir oder Geschenk mitnehmen“, sagt Rosenbaum.
Als eigenes Erfolgsrezept beim Spirituosenabverkauf sieht der Manager aber die konsequente Strategie, nur auf regionale Zutaten zu achten. „Der Weizen, aus den wir unseren Alkohol brennen, kommt von Bauer Kleinschmidt aus dem Kölner Stadtteil Poll, regionaler geht es ja kaum“, sagt Rosenbaum.
Beim Spirituosenvertrieb dürfe man aber nicht alle Produkte über einen Kamm scheren. Es gebe rückläufige Getränkegruppen, aber auch steil wachsende. „Generell kann man sagen, das Spirituosen von den ganz jungen Erwachsenen und von den eher Älteren konsumiert werden“, sagt Rosenbaum.
Über viele Jahre seien spezielle Gin-Sorten der Hit gewesen. In ganz Deutschland und besonders in Köln habe es einen Gin-Boom gegeben. Auch Sünner griff den Trend auf und produziert gleich mehrere Sorten Gin, etwa „Sünner Dry Gin No. 260“, „Cologne Dry Gin“ oder „Navy Strength Gin“. „Doch wir beobachten: Der große Gin-Hype ist schon wieder vorbei“, sagt Rosenbaum.
Ein anderer Trend habe aber grade erst Fahrt aufgenommen: Spritz, also ein Mixgetränk aus Prosecco oder Weißwein, Mineralwasser und einem Likör. Das Getränk stammt aus Italien und war dort schon seit Jahrzehnten weit verbreitet, traditionell in den Regionen Venetien, Friaul und Trentino-Südtirol. Vor allem deutsche Urlauber brachten das Getränk mit in ihre deutsche Heimat. Am bekanntesten ist sicher Aperol Spritz. Die Marke Aperol gehört zur Campari-Gruppe und gilt als Marktführer.
Auf diesen Trend ist auch die Kölner Sünner aufgesprungen, etwa mit dem Produkt Limoncello, das als Spritz getrunken werden kann. Kräuterschnäpse hielten sich aber mit ihrer eher älteren Klientel sehr konstant. Wodka sei weiter ein gefragtes Modegetränk zum mixen. Insgesamt habe Sünner 16 verschiedene Spirituosen im Programm. Nach eigenen Angaben ist Sünner die einzige Brennerei Köln, gegründet im 19. Jahrhundert. Viele andere Spirituosensorten werden zwar als Kölner Produkte vermarktet, werden in Kölner aber nicht gebrannt, sondern nur gemixt oder gebrandet.
Eher unfreiwillig zum Spirituosenhersteller wurde die Kölner Brauerei Gaffel. Vor gut einem Jahrzehnt begann das Familienunternehmen in die Produktion von alkoholfreiem Kölsch einzusteigen. Es gibt zwei Wege zur Herstellung alkoholfreien Bieres. Entweder stoppt man den Gärprozess, bevor Alkohol entsteht. Oder man nimmt fertiges Bier und entzieht ihm den Alkohol.
„Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden, wir entziehen dem fertigen Gaffel-Kölsch durch Erwärmen den Alkohol“, sagt Gaffel-Marketingchef Thomas Deloy. So entstand hochwertiger Alkohol quasi als Abfallprodukt der Herstellung alkoholfreien Kölschs. „Wir standen also vor der Frage, was wir mit dem Alkohol machen. Wir hätten ihn auch an die Pharma-Industrie abgeben können“, sagt Deloy.
Man entschied sich aber für die Vermarktung eigener Spirituosen, auch um die eigenen Vertragspartner, Brauhäuser, zu beliefern. So gibt es seit einigen Jahren vier Schnapsarten, die meisten mit rund 15 Prozent Alkoholgehalt, aus dem Hause Gaffel. Mexikölner, Mamma Nero, Schwesterherz und Plüsch Prumm.
Bonmot am Rande: Im ersten Jahr der Corona-Pandemie, als die Gastronomie geschlossen war, nutzte man bei Gaffel den Alkohol aus der Alk-Frei-Bier-Produktion zur Herstellung von Desinfektionsmitteln gegen das Virus.