Der Nahverkehr in den elf Großstädten und 13 Kreisen der Metropolregion Rheinland kann die Verluste kaum noch stemmen.
Verkehrsbetriebe auf der letzten RilleVerluste im Rheinland sollen 2024 auf knapp eine Milliarde steigen
Die Finanzierung von Bahnen und Bussen im Rheinland wird immer schwieriger. Die Städte und Kreise müssen immer mehr Geld aufwenden, um die Defizite der Verkehrsunternehmen auszugleichen.
Finanzlücke ist 68 Prozent größer als vor der Corona-Pandemie
Nach einer aktuellen Untersuchung des Vereins Metropolregion Rheinland (MRR), dem elf Großstädte und 13 Kreise angehören, wird das Gesamtdefizit für den kommunalen Nahverkehr Ende 2023 rund 817 Millionen Euro betragen. Das sind rund 68 Prozent mehr als 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie. Damals betrug die Finanzlücke 518 Millionen. Die Prognose für 2024 sieht noch schlechter aus. Nach den Kalkulationen der Verkehrsunternehmen werden die Verluste auf knapp 984 Millionen steigen. Das ist im Vergleich zu 2019 eine Steigerung von 90 Prozent.
Zur Metropolregion Rheinland zählen die Städte Köln, Leverkusen, Düsseldorf, Bonn, Aachen, Krefeld, Mönchengladbach, Duisburg, Wuppertal, Remscheid und Solingen sowie der Rhein-Erft- und Rhein-Sieg-Kreis, der Oberbergische und der Rheinisch-Bergische Kreis, der Rhein-Kreis-Neuss und die Kreise Euskirchen, Düren, Heinsberg, Kleve, Mettmann, Viersen, Wesel und die Städteregion Aachen.
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Besonders krass sind die Fehlbeträge in einer Stadt, die 2024 mit 17,5 Millionen Euro kalkuliert werden – eine Steigerung von knapp 327 Prozent gegenüber 2019. In einem Kreis wird der Fehlbetrag von 3,6 Millionen (2019) auf geschätzte 14,9 Millionen Euro (2024) steigen – ein Plus von 314 Prozent. Beide gehören zum Regierungsbezirk Köln. Nach Recherchen unserer Zeitung sind das Leverkusen, unter anderem bedingt durch die Übernahme eines privaten Busunternehmens durch den Regionalverkehr Köln und Wupsi, und der Oberbergische Kreis.
Für Investitionen in Ausbau und Sanierung fehlt das Geld
In allen Fällen, so die Untersuchung, handelt es sich ausschließlich um die Betriebskosten zum Erhalt des bisherigen Angebots. Investitionskosten, die mehr Fahrten von Bussen und Bahnen ermöglichen, die Umstellung des Fuhrparks auf klimaneutrale Antriebe, der Ausbau und die Sanierung von Straßen, Schienen und Betriebshöfen sind darin noch nicht enthalten.
Allein für den Ausbau der U-Bahnen, Stadt- und Straßenbahnen in Deutschland sind nach einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik vom August 2023 in den kommenden Jahren rund 64 Milliarden Euro erforderlich.
Bonn und Solingen müssen Verluste aus dem Haushalt ausgleichen
„Das Finanzierungssystem für den kommunalen ÖPNV stößt an seine Grenzen gestoßen“, sagt Andreas Budde, technischer Beigeordneter der Stadt Solingen. „Die Kostensteigerungen der letzten Jahre sind enorm, gleichzeitig stagnieren die Einnahmen aus Ticketerlösen, und auch die Landeszuschüsse wurden in der Vergangenheit nicht signifikant erhöht. In Solingen ist es in diesem Jahr erstmalig notwendig, Haushaltsmittel zum Defizitausgleich heranzuziehen, weil die Querfinanzierung im Stadtwerkeverbund nicht mehr ausgereicht hat. Es muss also dringend etwas passieren.“ Auch in Bonn steht man vor dem gleichen Problem.
Auf dieser Grundlage sei ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs um 60 Prozent bis zum Jahr 2030, auf den sich die schwarz-grüne Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vom August 2022 verständigt hat, nicht zu schaffen, sagt Sebastian Schuster (CDU), Landrat des Rhein-Sieg-Kreises.
In Hürth sollen die Stadtbusse nicht mehr so oft fahren
Erste Städte und Kreis im Rheinland sind laut MRR-Untersuchung bereits dabei, ihr Nahverkehrsangebot zu kürzen. So hat die Stadt Hürth wegen der hohen Kosten beschlossen, den Fahrplan für die Stadtbusse auszudünnen.
Im Vergleich zu anderen Bundesländern lagen die Pro-Kopf-Ausgaben für den öffentlichen Nahverkehr im Jahr 2022 mit 26 Euro deutlich unter dem Durchschnitt von 36 Euro. Noch weniger als NRW investierten pro Einwohner nur Niedersachsen (15 Euro) und Schleswig-Holstein (22 Euro). Spitzenreiter ist Hessen (66 Euro), das eine ähnliche Struktur und Bevölkerungsdichte wie NRW aufweist.
„Die Finanzierung des ÖPNV kann nicht weiter als im bisherigen Umfang von den Städten und Kreisen geschultert werden“, sagt Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU), Vorstandsvorsitzender der Metropolregion Rheinland. „Die Landesregierung muss sich an dieser Stelle ehrlich machen: Entweder schafft sie, zusammen mit dem Bund, die Voraussetzungen und passenden Rahmenbedingungen für eine dauerhafte Finanzierung des Nahverkehrsangebots in den Städten und Kreisen – auch für den vorgesehenen Ausbau um 60 Prozent bis 2030 – oder aber man muss sich von einer flächendeckenden Verkehrswende, bei der der ÖPNV als Rückgrat dienen soll, früher oder später verabschieden.“