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Innenstädte in der KriseKölner Experte: „Was Mainstream ist, wird es in den Städten schwer haben“

Lesezeit 4 Minuten
17.09.2022, Köln: Passanten flanieren mit Einkaufstüten durch die Schildergasse. In den Einkaufsstraßen shoppen viele Menschen trotz der hohen Inflationsrate. Foto: Uwe Weiser

Die Kölner Innenstadt ist weiter gut besucht

Immer mehr Modehändler melden Insolvenz an. Vor allem große Filialisten geraten unter Druck. Das hat Folgen für die Innenstädte.

Erst traf es den Essener Warenhauskonzern Galeria, gleich zweimal, dann den großen Schuhhändler Görtz, zuletzt das Düsseldorfer Unternehmen Peek & Cloppenburg: Die Zahl der Modehändler, die Insolvenz anmelden, ist spürbar gestiegen – und die betroffenen Namen sind prominent. Eine Auswertung der Unternehmensberatung Falkensteg im Auftrag des „Handelsblatts“ ergab, dass im ersten Quartal 2023 insgesamt 27 Mode- und Schuhhändler insolvent gingen, mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. In der Gesamtwirtschaft war diese Zahl nur um 20 Prozent gestiegen.

„Die Fashion-Anbieter haben es zurzeit wirklich schwer“, sagt Boris Hedde, Geschäftsführer des Handelsforschungsinstituts IFH. „Sie haben nach der Corona-Pandemie nicht mehr zum Vorkrisenniveau zurückgefunden.“ Damals war die Bekleidungsbranche eine der Hauptbetroffenen: weil die Geschäfte im Lockdown lange geschlossen blieben, aber auch, weil es für die Menschen kaum Anlässe gab, sich mit neuer Mode einzudecken. Vielfach blieben die Händler also auf Ware sitzen, die sie bereits weit im Voraus geordert hatten. Sie gerieten wirtschaftlich stark unter Druck.

Verband fordert Handeln der Politik

Und nun, durch den Krieg in der Ukraine, die Inflation und die starke Kaufzurückhaltung, hat sich die Lage noch einmal weiter verschärft. Auch TK Fashion und der Schuhhändler Reno meldeten dieses Jahr Insolvenz an, C&A und Primark schließen Filialen. Der Handelsverband Textil Schuhe Lederwaren warnte im Frühjahr, „neben einer Reihe spektakulärer Schieflagen von Großunternehmen geben auch immer mehr kleine und mittlere Fashion- und Schuhhändler ihre Geschäfte auf“.

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Der Verband macht dafür neben Kosten- und Preissteigerungen auch die Nachwirkungen der Corona-Beschränkungen verantwortlich: „In unseren Branchen zeigen sich die Langzeitfolgen der staatlichen Coronapolitik auf drastische Weise“, sagt Hauptgeschäftsführer Rolf Pangels. Dafür müsse die Politik nun „die Verantwortung übernehmen“ und zum Beispiel bei KfW-Krediten auf Zinsen verzichten.

Branche steht vor großen Umbrüchen

Doch Boris Hedde sieht die Branche vor größeren Herausforderungen als bloß der akuten Krisenbewältigung. „Die Frage ist grundsätzlich, wo die Reise bei filialisierten Geschäftsmodellen hingeht.“ Der Handelsexperte sieht hier nämlich ein zentrales Problem: „Die Handelskonzepte von heute erreichen die Zielgruppen von morgen nicht mehr.“ Die forderten eine genaue Kuratierung, eine Nische, Unverwechselbarkeit. Sie suchten in der Stadt das Einkaufserlebnis – denn wenn es um bloße Warenverfügbarkeit geht, ist der Onlinehandel dem stationären längst überlegen.

„Was Mainstream ist, wird es in den Städten schwer haben. Und das trifft natürlich vor allem die Großen, die auf eine Skalierung ihrer Geschäftsmodelle angewiesen sind“, erklärt Hedde. Filialisten setzen in der Regel an allen Standorten auf das gleiche Konzept – auch wenn sie dort völlig unterschiedliche Zielgruppen bedienen.

Innenstädte werden sich verändern

Dass die deutschen Innenstädte in den kommenden Jahren ihr Gesicht verändern werden, ist unbestritten. Während der stationäre Handel dort lange Jahre sehr dominant war, wird es künftig wohl mehr Mischkonzepte geben. Einkaufen, Arbeit und Leben dürften sich deutlich enger verzahnen. In Lübeck beispielsweise soll sich ein ehemaliges Karstadt-Haus in Räume für ein Gymnasium verwandeln. Und auch die Händler selbst werden auf neue Konzepte setzen: „Die Frage ist, wie der Handel von einer Versorgungs- zu einer Freizeitfunktion finden kann.“

Bis die kommen, wird der Leerstand in vielen Innenstädten zunächst zunehmen. Auch in Köln werden bereits die Folgen der Insolvenzen sichtbar: Ende Juni schließt die letzte der einst fünf Kölner Görtz-Filialen. Doch anders als in anderen Städten klaffen dadurch keine Lücken auf: „Mit nur 3,7 Prozent ist die Leerstandsquote in Köln sehr gering“, sagt der Geschäftsführer der Kölner Wirtschaftsförderung Köln-Business, Manfred Janssen. „Die Nachfrage nach Ladenlokalflächen ist weitaus höher als das Angebot, so dass sich für freistehende Ladenlokale schnell nationale und internationale Unternehmen als Nachnutzer finden.“ Auch die Besucherfrequenzen sind weiterhin hoch.

Der Trend zum Online-Handel und der damit verbundene Strukturwandel in Innenstädten sei zwar auch in Köln spürbar, so Janssen, die Schließung einzelner Betriebe in zentraler Lage „aber kein Grund zur Sorge“: „Neben innovativen Einzelhandelskonzepten gewinnen hier vor allem Gastronomie- und Dienstleistungsbetriebe an Bedeutung.“ Köln-Business begleite den Wandel aktiv. So habe man die Services für Einzelhandel, Gastronomie und Freizeitwirtschaft dieses Jahr weiter ausgebaut.