Auf der Ehrenstraße gibt es derzeit viele Wechsel. Warum das ein gutes Zeichen ist, erklärt eine Expertin.
Milchreis, Foto, HolzschmuckWarum die Ehrenstraße ständig ihr Gesicht verändert
Bei einem flüchtigen Gang über die Ehrenstraße fallen die vielen leeren Ladenlokale auf. Die Fenster der ehemaligen Diesel-Filiale sind mit weißer Folie beklebt. Die ehemalige Görtz-Niederlassung liegt noch brach. Die Räume der Kosmetik-Kette Kiehl’s sind leer. Auch die Schuhmarke Camper ist ausgezogen.
Doch der Ehrenstraße geht es keineswegs schlecht – im Gegenteil, sagt Aniko Korsos, Teamleiterin für Gewerbe-Räume beim Maklerunternehmen Jones Lang LaSalle (JLL). „Die Straße ist eine sehr gefragte Lage. Sie wechselt gerade einmal wieder ihr Gesicht. Wir haben so viele Anfragen, dass wir kaum nachkommen.“ Die meisten der freigewordenen Ladenlokale seien bereits wieder vermietet.
Görtz-Filiale auf der Ehrenstraße ist wieder vermietet
Durch Vermittlung von JLL zieht zum Beispiel in die Kiehl’s-Räume demnächst der zum Estée-Lauder-Konzern gehörende Kosmetikhersteller Le Labo Fragrances ein. Es ist erst der zweite Store dieser Marke in Deutschland. In der ehemaligen Camper-Filiale hat die niederländische Modeschmuckmarke My Jewellery eröffnet. Und für die leerstehenden Räume des insolventen Schuhhauses Görtz kündigt Aniko Korsos den Einzug eines „hochwertigen Konzepts aus derselben Produktbranche“ an.
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Gleich neben dem erfolgreichen Zimtschnecken-Laden Cinnamood wird im Juli das brandneue Kölner Unternehmen Rocket Rice aufmachen – hier wird es Milchreis-Becher geben. Die Werbung hängt schon im Fenster. In den ehemaligen Räumen des Modegeschäfts Funktion Schnitt ist der Wiener Schmuckhersteller Holzkern eingezogen, der Armbanduhren und Schmuck aus natürlichen Materialien wie Holz und Stein anbietet.
„Die Ehrenstraße ist eine absolut angesagte Szene-Lage“, sagt Aniko Korsos. Anders als etwa auf der Schildergasse oder der Hohe Straße sei auf der Ehrenstraße alles gefragt, was nicht „konsumig“ sei – also keine Massenware oder schnelllebige Mode wie etwa von H&M. Weiterer Unterschied: Die Ehrenstraße werde vor allem von Kölnern frequentiert, weniger von Touristen. Und die suchten das Besondere. „Deshalb ist das Angebot etwas spitzer und auch etwas teurer.“
Für viele junge Unternehmen sei die Ehrenstraße ein gutes Labor, um ihre Konzepte auszuprobieren – so etwa Rocket Rice. Die Gründer sind nicht zuletzt durch den Instagram-Hype um Cinnamood auf den Standort aufmerksam geworden und werben ebendort für ihre „Funky Milchreis Bowls“. Diese Konzepte werden sich möglicherweise irgendwann abnutzen und die Mieter nicht ewig bleiben – aber das sei heute nun mal so, sagt die Immobilienfachfrau. „Manche Unternehmen haben eben ihre Zeit. Eisdielen wie früher, die 20 Jahre bleiben, gibt es nicht mehr so viele. Aber das macht die Sache auch spannend.“
Fotogeschäft zog auf die Ehrenstraße
Neu auf der Ehrenstraße (nicht durch JLL vermittelt) ist auch eine ganz traditionelle Sparte, die ansonsten eher aus dem stationären Handel zu verschwinden scheint: ein Fotofachgeschäft. Das Düsseldorfer Familienunternehmen Foto Leistenschneider präsentiert in dem eleganten und luftigen Geschäft Fotoapparate fast wie in einer Kunstgalerie.
Die 125 Jahre alte Firma setzt angesichts der wachsenden Onlinekonkurrenz ganz bewusst auf den stationären Handel mit persönlicher Beratung. Mit Geschäften ist sie jetzt in sechs Städten vertreten. „Wir haben uns die Kölner Innenstadt angeguckt. Von der Ehrenstraße waren wir sofort begeistert: Hier müssen wir hin. Dieser Charme, das interessante Publikum, das gute Umfeld. Und gleich die Verbindung zum Belgischen Viertel“, sagt Geschäftsführer Lukas Leistenschneider.
Besonders junge Leute würden sich wieder für analoge Fotografie interessieren. Die ersten Wochen seien sehr gut gelaufen, die Zielgruppe wurde erreicht. Ein Indikator: Es wurde bisher kein einziges Fernglas verkauft. Das sei nämlich eher etwas für ältere Käufer.
Auch das österreichische Unternehmen Holzkern, das mit seinen eigenwilligen Kreationen nun wirklich ein sehr „spitzes“ Angebot hat, wählte die Ehrenstraße ganz bewusst. „Die Ehrenstraße ist es deshalb geworden, da uns der Mix an bekannten Labels und Einzelhändlern sehr beeindruckt hat und die Kundenfrequenz sehr hoch ist“, so ein Sprecher. Nach den ersten Monaten fühle man sich mit der Wahl „absolut bestätigt“.
Die Ehrenstraße entwickele sich stetig weiter, so Aniko Korsos. In der Tat ist die Mischung derzeit sehr bunt. Es gibt weiterhin die Klassiker wie Body Shop und Daniels, daneben aber auch ein familiengeführtes Geschäft für handgemachte Seifen, gleich mehrere Second-Hand-Modegeschäfte und die sehr junge Kultmarke LFDY (Live Fast Die Young). Lange herrschte die Klage vor, in der einst so individuellen Ehrenstraße gebe es nur noch langweilige Filialisten, die Straße habe ihr Gesicht verloren. Diese Klage zumindest scheint überholt.