Zuckerbranche in NRWViele Bauern im Rheinland geben Rübenanbau auf
- Seit die EU 2018 ihre Zuckerpolitik verändert hat, haben Rübenbauern in NRW zu kämpfen. Die neuen Regelungen verzerren den Wettbewerb.
- In vielen Ländern der EU wird der Rübenanbau noch immer subventioniert. Nicht so in Deutschland.
- Der Verband Rheinischer Rübenbauer kritisiert die ungleichen Bedingungen. Auch Zuckerkonzerne wie Pfeifer und Langen spüren die Probleme.
Bonn – Wenn sich nichts ändert, beziehen Verbraucher in NRW ihren Zucker bald aus Osteuropa. Das befürchtet Bernhard Conzen, Vorsitzender des Rheinischen Rübenbauer-Verbandes. Die Zuckerbranche steht wegen wettbewerbsverzerrenden Regelungen auf dem europäischen Markt unter Druck. Vor zwei Jahren begann die Misere, als man sich auf europäischer Ebene von Produktionsquoten und Mindestpreisen für Zucker verabschiedete und Subventionen strich. Seitdem müssen sich die deutschen Bauern auf dem freien Markt behaupten. Die Folge der neuen EU-Politik war der Verfall des Zuckerpreises.
Zahl der Rübenbauern schrumpft
Deutsche Bauern können mit den Weltmarktpreisen nicht mithalten, auch wegen spezieller inländischer Regelungen. Trotz der Wende auf EU-Ebene subventionieren andere Länder noch immer ihren Rübenanbau. Die Bauern erhalten pro Hektar Anbaufläche Prämien. Rund 30 Prozent der Zuckerrüben-Anbaufläche in der Europäischen Union sind davon betroffen, so Schätzungen der Bauern-Kampagne #WirsindZucker. „Diese Verzerrungen können wir nicht ausgleichen“, sagt Hermann Schmitz, Geschäftsleiter beim Kölner Zuckerkonzern Pfeifer und Langen.
Wo die Bauern keine Prämien erhalten, seien die Anbauflächen rückläufig. Etwa 20 Prozent der Landwirte in NRW, die Rübenfelder besitzen, haben den Anbau 2020 aufgegeben und satteln um. Auf Kartoffeln oder Möhren, die teilweise lukrativer sind. Dabei sei das Rheinland eines der besten Anbaugebiete für Zuckerrüben in ganz Europa, sagt Bernhard Conzen. Der Rückzug der Bauern aus dem Geschäft mit Zuckerrüben zeigt sich an den Mitgliederzahlen des Rübenbauernverbandes. Waren 2018 noch 4000 Mitglieder gelistet, sind es heute nur noch 2830.
Zuckerkonzerne verlieren an Umsatz
Der Kölner Zuckerkonzern Pfeifer und Langen und die börsennotierten Konkurrenten Südzucker und Nordzucker rutschten mit in die Krise. Südzucker baute in den vergangenen Jahren Hunderte Stellen ab. Nordzucker verzeichnete im Geschäftsjahr 2019/2020 einen Verlust von 15 Millionen Euro. Pfeifer und Langen wies in seinem Konzernabschluss 2018 im Geschäftsfeld Zucker ein Minus von 9,6 Prozent oder 97,5 Millionen Euro aus. Von rund einer Milliarde Euro im Vorjahr sank der Umsatz auf 918 Millionen Euro. Für das Jahr 2019 teilt der Konzern auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ einen Umsatz von 800 Millionen Euro mit. Pfeifer und Langen betreibt europaweit neun Werke.
In der Zeit der Zuckerrübenverarbeitung von Mitte September bis Ende Dezember wurden dort 2017 etwa 1875 Tonnen Zucker produziert. 2018 sank der Wert auf nur noch 1412 Tonnen. Die Gründe für den Rückgang waren die veränderten Bedingungen auf dem Markt – und „desaströse Umweltschäden“, so Conzen. Die Ernte war wegen des Dürresommers schlecht ausgefallen. In der Saison 2019/2020 stieg die Produktion wieder auf 1785 Tonnen Zucker an.
Pfeifer und Langen setzt weiter auf regionales Produkt
Pfeifer und Langen hatte bereits 2016 rund 100 Stellen gestrichen. Das Werk in Elsdorf wurde nach Jülich verlagert. Aktuell beschäftigt das Unternehmen im Geschäftsfeld Zucker 2440 Mitarbeiter und betreibt in NRW drei Zuckerfabriken. Vor allem mit Blick auf die Auslastung der Werke in Appendorf und Euskirchen vermutet Bernhard Conzen, dass eine weitere Schließung nicht ausgeschlossen ist. Die Werke seien „nicht ausgelastet“. In Appendorf liege man bei etwa 70 Prozent.
Das könnte Sie auch interessieren:
Auf Anfrage teilte Pfeifer und Langen mit, man setze weiter auf Zucker aus der Region: „Wir glauben fest an den Markt und haben eine klare Strategie: Zucker aus regionalen Zuckerrüben zu produzieren und zu vermarkten. Seit mehreren Jahren realisieren wir Programme für Modernisierung und Digitalisierung und tätigen kontinuierlich hohe Investitionen in all unsere europäischen Werke, um weiterhin erfolgreich zu sein.“ Weitere Werksschließungen plane man nicht, widerspricht der Konzern Conzen.
Rheinische Bauern mit Wettbewerbsnachteilen
Der Geschäftsführer der rheinischen Rübenbauern, Peter Kasten, äußert sich verhalten optimistisch und sieht seit 2019 Zeichen der Entspannung bei Preis und Ernte: „Wir sind noch nicht auf einem Niveau, wo es wirklich wirtschaftlich ist. Aber die Richtung stimmt“, sagte er. Ein Hemmschuh bleiben die strengen deutschen Vorschriften zu Pflanzenschutzmitteln. Insektizide der Gruppe Neonicotinoide sind EU-weit verboten – eigentlich. Vielen Staaten ist die Nutzung per Notfallzulassung erlaubt. Deutschland hält an dem Verbot fest.
Die Folge: Die rheinischen Rübenbauern kämpfen mit Krankheiten und Schädlingen – und sind damit gegenüber ihrer europäischen Konkurrenz im Nachteil. Dabei habe die Wissenschaft die befürchteten Nebenwirkungen von Neonicotinoide widerlegt, meint Conzen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit dagegen vertritt die Auffassung, dass drei Stoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide für Wild- und Honigbienen schädlich seien.(mit dpa)