Manche Hunde finden aus Hunderten Kilometern Entfernung zurück nach Hause. Wie ist das möglich? Forschende glauben, dass sie ähnlich wie Zugvögel das Magnetfeld der Erde wahrnehmen können und sich daran orientieren.
Kompass im AugeSo finden Hunde den richtigen Weg
Vor vier Jahren wurde im US-Bundesstaat Kansas die Labrador Retriever Hündin Cleo vermisst. Doch kurz darauf tauchte sie in Missouri wieder auf. Und zwar im Garten des Hauses, in dem ihre Menschenfamilie vor dem Umzug nach Kansas gewohnt hatte. Das Erstaunliche daran – der alte und der neue Wohnort lagen fast 100 Kilometer voneinander entfernt.
2016 riss der Border Collie Pero von einer Farm aus, auf der er beim Schafehüten helfen sollte. Zwei Wochen später erreichte er sein Zuhause, einen Hof in Wales, in 386 Kilometern Entfernung. Auch in Deutschland gab es bereits einen Fall, bei dem ein Hund solch beeindruckende Fähigkeiten zeigte. Einem Schäferhund namens Barry gelang es 1973, sein Zuhause in Solingen wiederzufinden. Sechs Monate zuvor war er während eines Urlaubs in Süditalien verlorengegangen. Die Entfernung, die Barry zurückgelegt hatte, betrug beinahe 2000 Kilometer.
Hund legte 4000 Kilometer zurück
Den Rekord hält aber wohl ein Collie, der als Bobby-the-wonder-dog berühmt wurde. Bobby war seiner Familie 1923 während eines Besuchs bei Bekannten abhanden gekommen. Er soll daraufhin mehr als 4000 Kilometer zurückgelegt und eine schneebedeckte Bergkette überquert haben, um schließlich zu seinem Besitzerehepaar zurückzufinden. Die wahre Geschichte soll den Kultfilm „Lassie come home“ inspiriert haben, in dem ein Collie auf der Suche nach seinem Herrchen die Hauptrolle spielt.
Aber wie ist es möglich, dass Hunde über derartig große Entfernungen den richtigen Weg finden? Forschende gehen davon aus, dass Hunde sich am Magnetfeld der Erde orientieren – ähnlich wie Zugvögel, die Tausende von Kilometern zurücklegen müssen, um zu ihrem Winter- oder Sommerquartier zu gelangen. Auch andere Tiere wie einige Fische, Reptilien und Insekten können sich am Magnetfeld orientieren.
Einen Beweis dafür, dass auch Hunde dazu in der Lage sind, lieferte eine Studie tschechischer Forschender. Sie hatten 27 Jagdhunde drei Jahre lang immer wieder weg von ihren Besitzern und Besitzerinnen in die Natur geführt und dort freigelassen. Mithilfe von GPS-Trackern verfolgten sie dann genau, auf welche Weise die Tiere zu ihren Haltern oder Halterinnen zurückfanden. Dabei war die Umgebung so gewählt, dass eine visuelle Orientierung wegen der dichten Vegetation nicht möglich war.
In mehr als der Hälfte der Fälle (60 Prozent) verließen die Hunde sich auf ihren Geruchsinn und liefen der Nase nach genau die gleiche Strecke zurück, über die man sie von Herrchen oder Frauchen weggeführt hatte. In einem Drittel der Fälle wählten die Jagdhunde eine andere Strategie. Sie führten zunächst Bewegungen aus, die die Autoren und Autorinnen der Studie als „Kompasslauf“ bezeichneten.
Dabei rannten sie etwa 20 Meter entlang einer geomagnetischen Nord-Süd-Achse, offenbar, um sich selbst wie einen Kompass daran auszurichten. Danach schlugen sie instinktiv die richtige Richtung ein und wählten nicht den Weg, den sie gekommen waren, sondern eine Abkürzung zurück zum Ausgangspunkt. In den restlichen Fällen wurden beide Strategien kombiniert.
Molekül in der Netzhaut reagiert auf Magnetfeld
Den „Kompasslauf“ und das anschließende Einschlagen der richtigen Himmelsrichtung sahen die Forschenden als Beweis dafür, dass die Tiere sich am magnetischen Feld der Erde orientierten. Schon frühere Beobachtungen hatten gezeigt, dass Hunde dieses grundsätzlich wahrnehmen können. So richten diese sich einer früheren Studie zufolge auch dann an der Nord-Süd-Achse aus, wenn sie ihr Geschäft machen. Bei starker Sonnensturmaktivität, die das Magnetfeld der Erde stört, sind sie hingegen nicht dazu in der Lage.
Auch wenn sich viele Tiere am Magnetfeld zu orientieren scheinen, ist noch nicht vollständig aufgeklärt, wie genau ihnen dies gelingt. Bei Zugvögeln ist der Mechanismus dahinter am besten erforscht. In den Zapfenzellen ihrer Netzhaut befindet sich das Molekül Cryptochrom 1a, das durch Licht aktiviert wird und ihnen hilft, die Magnetfeldlinien der Erde zu erkennen.
Forschende des Frankfurter Max-Planck-Instituts für Hirnforschung hatten insgesamt 90 Säugetierarten daraufhin untersucht, ob auch sie über dieses Molekül verfügen. Sie fanden die Säugetierform Cryptochrom 1 in den Augen von hundeartigen Raubtieren wie Hund, Wolf, Bär, Fuchs und Dachs, außerdem bei einigen Affen wie zu Beispiel Orang-Utans. In den Augen von katzenartigen Raubtieren wie Katzen, Löwen und Tigern lag das Molekül hingegen nicht vor. Die Forschenden hielten es für wahrscheinlich, wenn auch noch nicht für gesichert, dass das Cryptochrom den Säugetieren genau wie den Vögeln hilft, sich am Magnetfeld zu orientieren.
Aber auch bei Tieren ohne Cryptochrom im Auge, wie einigen Nagetieren und Fledermäusen, sei beobachtet worden, dass sie das Magnetfeld wahrnehmen können, heißt es in einer Veröffentlichung des Instituts. Daher sei es möglich, dass sich das Magnetfeld auch auf andere Art erspüren lässt. Und zwar durch Magnetit, mikroskopisch kleine eisenhaltige Partikel in den Zellen.
„Magnetkompass“ in den Zellen
Diese andere Form von Magnetkompass würde zudem anders als der lichtabhängige Mechanismus im Auge auch im Dunkeln funktionieren. Er könnte erklären, warum sich zum Beispiel Graumulle in einem Tunnelsystem unter der Erde ganz ohne Tageslicht zurechtfinden können. Und warum nicht nur Hunde, sondern auch Katzen, die kein Cryptochrom 1 im Auge haben, manchmal aus großer Entfernung zurück nach Hause finden.
So wie zum Beispiel Cocci, eine Katze die im Juni 2001 verschwand, nachdem ihre Familie mit ihr in die Normandie gezogen war. 13 Monate später tauchte sie in der Nähe des alten Wohnorts wieder auf – in 600 Kilometern Entfernung.
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