Vor mehr als 20 Jahren kam der erste „Bridget Jones“-Film in die Kinos. Nun wird der vierte Teil der Reihe gedreht. Viel erwarten sollte man davon nicht.
Sexistisches FrauenbildWarum man vom neuen „Bridget Jones“-Film lieber nicht zu viel erwarten sollte
Vor wenigen Tagen haben die Dreharbeiten für einen neuen „Bridget Jones“-Film begonnen. Aber passt das überhaupt noch in unsere Zeit? Helen Fielding, die Autorin der Romanvorlage, sagte 2020, sie sei heute selbst schockiert vom Sexismus in den ersten Filmen der Reihe. Damit meinte sie allerdings den Sexismus, dem die Hauptfigur Bridget Jones in der Geschichte ausgesetzt war.
Nicht etwa den, den diese selbst verkörpert. So ist die Titelheldin besessen von ihrem Gewicht. Diätversuche bestimmen ihren Alltag, dabei hat sie eine Normalfigur. Dass die Darstellerin Renée Zellweger für die Rolle elf Kilogramm zunehmen musste, zeigt nur, dass man keine Hollywoodschauspielerin mit dem Körper einer Durchschnittsfrau finden konnte.
Das verzerrte Bild, das die Filme von Übergewicht vermitteln, ist auch in den sozialen Netzwerken ein Thema. „Mit diesem Film aufzuwachsen hat gemacht, dass ich mich schlecht mit meinem Körper fühlte, denn mein zwölfjähriges Ich war dicker als sie“, schreibt eine Nutzerin bei Tiktok. „Wenn ich eine Person sehe wie Bridget Jones, Renée Zellweger in dem Film, und sage, das ist jetzt eine dicke Person, wo lässt mich das dann stehen?“, fragt eine Influencerin, die auf der Plattform Plus-Size-Mode präsentiert.
Es gibt aber auch andere Stimmen: So wird eine Tiktokerin, die sich im Netz weniger perfekt präsentiert als andere, dort als „Bridget Jones der Generation Z“ gefeiert. Die Filmfigur wird also für manche sogar zum Vorbild. Und zwar durch ihr ständiges Scheitern daran, der medial vermittelten Idealvorstellung einer Frau gerecht zu werden. Schade kann man es finden, dass die Generation Z kein Role-Model findet, das dem an Äußerlichkeiten ausgerichteten Selbstoptimierungswahn ganz die kalte Schulter zeigt. Und sich auf andere Dinge im Leben konzentriert.
Bridget Jones darf kein Role-Model sein
Bridget Jones dürfe keinesfalls als Role Model für die Generation Z herhalten, schrieb daher auch die 19-jährige britische Autorin Sophia Baum vor wenigen Tagen in der britischen Zeitung „Daily Mail“. Denn sie sei „die Verkörperung all der toxischen Verhaltensweisen, die Frauen lange Zeit zurückgehalten haben. Besessen von ihrem Gewicht, mehr fixiert darauf, einen Mann zu finden, als auf irgendetwas sonst, sich stillschweigend bei der Arbeit belästigen lassen – das sendet furchtbare Botschaften an Frauen darüber aus, was im Leben wichtig ist.“
Ein Hauptthema der „Bridget Jones“-Filme ist tatsächlich, als wie minderwertig sich die Hauptfigur selbst empfindet. Was sie als Mensch für Stärken hat und was sie – abgesehen von einer übertriebenen Tollpatschigkeit – sonst noch liebenswert machen könnte, wird nicht gezeigt. Zwar sind nun die wenigsten Hollywoodfilme tiefergehende Charakterstudien und „Bridget Jones“ soll eine Komödie sein. Allerdings gehen die Witze hier vor allem auf Kosten der Hauptdarstellerin. Ihre echten und vermeintlichen Unzulänglichkeiten werden bloßgestellt. Die Männer hingegen machen – im wahrsten Sinne des Wortes – die bessere Figur. Es wirkt dadurch fast wirklich so, als müsste Bridget Jones froh sein, wenn sich auch mal jemand für sie interessiert. Wovon sie ja selbst überzeugt ist.
Aus Verzweiflung ignoriert sie daher sämtliche Redflags und lässt sich mit ihrem Chef ein, einem schmierigen Obermacho, der sie im Fahrstuhl begrapscht (gespielt von Hugh Grant). Nur um bald darauf, wie kann es in der Logik dieser Filmwelt anders sein, von ihm mit einer hübscheren und vor allem sehr dünnen Frau betrogen zu werden. Ihr Glück kaum fassen kann Bridget, als sie dann den „smarten“ Anwalt Mark Darcy von sich einnehmen kann. Der ist erst mal alles andere als charmant ihr gegenüber, was sie aber nicht davon abhält, ihn anzuhimmeln. Ihr Gefühl, nicht „gut genug“ zu sein, ist dann nach einem vorläufigen Happy End mit Darcy auch noch im zweiten Teil der Reihe Thema, in dem sie Angst hat, ihn nicht halten zu können.
Der dritte Teil „Bridget Jones‘ Baby“ erschien 2016. Das Frauenbild im Film hatte sich allerdings keinesfalls weiterentwickelt. Bridget hält nun – mit viel Aufwand und durch weitere Besessenheit – ein niedrigeres Gewicht. Dafür wird das Bodyshaming übergangslos durch Altersshaming ersetzt, das genauso wenig gerechtfertigt ist. Bridget ist im Film eben erst 43 geworden. Aber in ihren Tagebüchern hat sie die ständige Klage „ich bin dick“ nun durch „ich bin alt“ ersetzt, was völlig unironisch dargestellt wird. Bridget und ihre Umwelt scheinen das auch tatsächlich so zu sehen. Besonders witzig ist das nicht, sondern eher ein Affront gegenüber sämtlichen Frauen über 40.
Singleleben als Mangelsituation dargestellt
Obwohl sie Erfolg im Job und einen treuen Freundeskreis hat, wird Bridgets Leben auch im dritten Teil der Reihe erneut als mangelhaft dargestellt. Es zu genießen ist ihr nicht erlaubt: Als sie sich einmal auf ein unverbindliches Abenteuer mit einem Mann einlässt, verurteilt sie sich dafür selbst als „Hure“. Zum Bodyshaming und Altersshaming addiert sich nun auch noch „Slutshaming“. Auch der Druck und die Kritik vom Umfeld bleiben gnadenlos. Als Bridget mit Babybauch auftaucht, heißt es nur: „Du bist schwanger? Super, wir dachten, du bist wieder fett“.
Erst durch die Schwangerschaft bekommt Bridget von außen und von den Männern die Aufmerksamkeit, die sie scheinbar so dringend benötigt. „Das Gute, wenn man schwanger ist, man fühlt sich nicht mehr wie eine alte Jungfer“, das sind Bridgets Worte. Das Ende „Bridget Jones‘ Baby“ ist so modern wie ein Grimms Märchen: Bridget feiert eine Hochzeit in Weiß mit dem Vater ihres Kindes. Die Gedanken, die ihr in der Schlussszene durch den Kopf gehen: Nun könne sie endlich einmal stolz auf sich sein.
Studie belegt „Bridget-Jones-Effekt“
Eine Absolventin der Universität Wien im Fach interdisziplinäre Ethik hat in ihrer Masterarbeit Sexismus in den „Bridget Jones“-Filmen analysiert. Darin heißt es, im Film werde „der Wert einer Frau an ihrem Äußeren in Form von Schönheit, Körpergewicht etc. gemessen, andererseits in ihrer Beziehung zu einem Mann und ihrem familiären Status. Beides kann für sich als antifeministisch gewertet werden.“ Vor allem junge Frauen könnten dadurch in ihren Einstellungen beeinflusst werden, da „ein starker Identifikationsprozess bei der Filmrezeption“ stattfinde. Das habe den „Bridget-Jones-Effekt“ zur Folge. Ein Phänomen, dass in einer Studie nachgewiesen wurde: Junge Frauen, die Filme wie „Bridget Jones“ anschauten, waren danach unzufriedener mit ihrem Singledasein als vorher.
Filme wie „Bridget Jones“ lösten eine verstärkte Angst davor aus, Single zu sein, obwohl alleinstehende Menschen häufig glücklicher und gesünder und besser in Gemeinschaften eingebunden seien, heißt es in der Masterarbeit. Dabei betont die Autorin, dass das Singlesein von Frauen besonders oft abgewertet wird. Und das, obwohl Frauen als Singles sehr viel besser zurechtkämen als Männer, die sich dann oft sozial isolierten.
Ein Paradox, das auch die Autorin Sarah Diehl in ihrem Buch „Die Freiheit, allein zu sein“ beschreibt. „Das Schreckgespenst der Einsamkeit wird gern auf Frauen projiziert, es soll Frauen Angst machen, damit sie in der Ehe landen und die klassischen Aufgaben übernehmen“, sagte Diehl im Interview mit dem RND. Tatsächlich hätten Frauen aber „meist bessere soziale Fähigkeiten, auch ohne Partner gut zu leben, als Männer“.
Nicht zu viel Modernisierung erwarten
Was bedeutet all das für den vierten „Bridget Jones“-Film? Wie müsste dieser gemacht sein, um ein zeitgemäßeres Frauenbild zu vermitteln?
Man würde Bridget Jones wünschen, dass sie es schafft, schädlichen Erwartungshaltungen zu entsagen und sich selbst wertvoll zu fühlen, ohne sich ausschließlich über die Rolle als Mutter oder Ehefrau zu definieren. Es hat aber den Anschein, als ob diese Chance versäumt wird. Im Roman, der als Vorlage für die Verfilmung dient, ist Bridget Witwe. Ihr neues Leben: Eine gute alleinerziehende Mutter zu sein und – natürlich – einen neuen Mann zu finden. Dieser wird diesmal jünger als Bridget sein.
Bedeutet das, dass die Hauptfigur selbstbewusster wird und sich mehr Freiheiten nimmt? Zu befürchten ist eher, dass ein jüngerer Liebhaber in einem „Bridget Jones“-Film als Steilvorlage für weiteres, „lustig gemeintes“ Altersshaming, Bodyshaming und Slutshaming dienen wird. Auch ein Vierteljahrhundert nach Erscheinen des ersten Films sollte man nicht erwarten, dass „Bridget Jones“ zeitgemäßer wird. Höchstens in einem Punkt: Im vierten Teil verlegt sich Bridget Jones aufs Onlinedating.