Köln – Fahrradreisen verbinden die meisten eher mit kurzen Ausflügen ins Grüne als mit wochenlangen Touren durch Deutschland und Europa. Der Gedanke an lange Strecken hingegen weckt die Assoziation mit sportlichen Wettbewerben wie der Tour de France. Dabei wird das Fahrrad als Fernreise-Alternative zu Flugzeug, Bus und Zug klar unterschätzt. Denn die Sehenswürdigkeiten auf einer Fahrradreise warten nicht erst am Ankunftsort, sondern erfreuen den aufmerksamen Reisenden schon auf den ersten Kilometern.
Während die Landschaft in den meisten Fortbewegungsmitteln am Fenster vorbeirauscht, lässt sie sich mit dem Fahrrad hautnah erleben. Sehen, hören und riechen. Auf einer solchen Langstrecken-Tour können Reisende aber nicht nur die Natur genießen. Gleichzeitig spart sie mehr Kohlendioxid als jede andere Reiseart ein. Umweltfreundlicher zu reisen ist also kaum möglich.
Mit dem Fahrrad sind Urlauber flexibel
Gegenüber Bus und Bahn hat das Radfahren auch noch einen weiteren Vorteil, vor allem für Individualisten: Wer mit dem Rad reist, ist flexibel. Jede Tour lässt sich bis ins kleinste Detail nach den persönlichen Vorlieben gestalten. Outdoor-Fans können ein Zelt einpacken und auf Campingplätzen übernachten. Alternativ lassen sich abends auch Jugendherbergen, Hotels oder Restaurants ansteuern. Auch in puncto Reisegeschwindigkeit sind Radfahrer flexibel. In gemütlichem Tempo lässt sich die Umgebung erkunden. Wer an seiner Fitness arbeiten will, drückt in die Pedale oder radelt die anspruchsvollen Strecken bergauf. Für Minimalisten genügen Fahrrad und Karte, um mit dem Rad zu verreisen. Urlauber, die zum ersten Mal mit dem Rad unterwegs sind, sollten aber beherzigen: Wer eine Fernreise mit dem Fahrrad plant, der muss vor allem eins mitnehmen – und das ist Zeit.
„Ganz wichtig: Niemand sollte sich unter Druck setzen, wenn er sich nicht fit genug fühlt“, sagt Alexander Bühler, verantwortlich für das Radtourenprogramm der ADFC-Ortsgruppe Köln. Gerade Radreise-Novizen empfiehlt er nicht unbedingt die Touren durch Alpen, Eifel oder Ardennen. „Leichte Strecken führen zum Beispiel an Flussläufen entlang, von der Quelle bis zur Mündung.“
Viel Kondition ist nicht unbedingt nötig
Ein bisschen Kondition hilft bei der Fernreise. Nötig ist sie laut des ADFC-Experten nicht. „Wenn ich mit einer Tour beginne, schaffe ich am Anfang auch nur bis zu 80 Kilometer pro Tag. Gegen Ende der Reise sind es 170“, erläutert Bühler. Als Maßstab für Novizen ist er ohnehin nicht geeignet: Bei einer vierwöchigen Tour durch Frankreich legt Bühler schon mal 2800 Kilometer zurück. Auf so langen Strecken kann es aber auch dem Experten passieren, dass er sich verfährt. „Ich sehe es als Chance, wenn ich mich verfahre. So habe ich schon einige tolle Dinge entdeckt, an denen ich sonst vorbeigefahren wäre“, sagt Bühler. Niemand müsse verzweifeln, wenn er mal falsch abbiege.#
Für Radreisen bieten sich vor allem Ziele in der näheren Umgebung an, etwa im Norden und Süden Deutschlands oder den Beneluxstaaten. Theoretisch kann aber auch ganz Europa als Ziel für die Fernreise mit dem Rad dienen. Es ist nicht nötig, dafür tausende Kilometer zurückzulegen. Einzelne Reiseetappen lassen sich oft mühelos mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigen.
Über die Niederlande bis nach Brüssel
Eine einfache Tour, auf der es viel zu sehen gibt, liegt zwischen Köln nach Brüssel. Die 220 Kilometer lange Strecke führt von der Kölner Stadtmitte aus zunächst über die Aachener Straße nach Westen. Erfahrene Radler können die Tour in wenigen Tagen abhaken, Neulinge sollten mit Übernachtungen zumindest eine Woche einplanen. Unterwegs warten nicht nur Städte wie Aachen, Düren oder das niederländische Maastricht auf Reisende. Zu sehen gibt es die Kulturlandschaften im Rheinischen Braunkohlerevier, die niederländische Provinz Limburg und Waldgebiete wie den Munsterbos entlang des Albert-Kanals in Belgien.
Radfahrer, denen unterwegs die Luft ausgeht, müssen sich keine Sorgen machen, dass ihre Reise zu Ende ist. In den vielen Städten entlang der Route können sie bequem einzelne Reiseetappen mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigen. Jedenfalls dann, wenn die Fahrradmitnahme möglich ist. In der Regel gilt das nämlich nur für den Nahverkehr. Die Preise für Fahrradtickets variieren, in NRW gibt es ein relativ günstiges Tagesticket schon für 4,80 Euro. Ein Fahrrad-Tagesticket für die ganzen Niederlande kostet 6, ein belgienweites 8 Euro.
Nachhaltig essen und übernachten
Nachhaltige Restaurants, die auf regionale oder saisonale Lebensmittel setzen, gibt es unterwegs genug. In Aachen bietet etwa das Restaurant Altes Torhaus, Goethestraße 27, eine Speisekarte für jeden Geschmack. Auf ihr finden sich Fleisch- und Fischgerichte neben vegetarischen. Ein Alleinstellungsmerkmal des Restaurants ist der Waldblick – und das im Zentrum der Großstadt. Hungrige Radfahrer werden auch in Maastricht schnell fündig. Im Cafe Sjiek, Sint Pieterstraat 13, gibt es limburgische Spezialitäten mit frischen Zutaten aus der Region. Auf der Karte finden sich auch Weine aus kleinen Weingütern in Frankreich.
In Brüssel selbst gibt es natürlich auch zahlreiche Restaurants. Interessanter für an Nachhaltigkeit interessierte Reisende sind aber auch andere Freizeitaktivitäten. Etwa die Hälfte der Stadtfläche von Brüssel ist auf öffentliche Parks und private Gärten verteilt. Die meisten davon lassen sich natürlich auch mit dem Fahrrad erkunden. Einen Besuch wert sind zum Beispiel der Bois de La Cambre und der Parc de Forest, der einen Panoramablick auf die Stadt bietet.
Die Nacht in Brüssel können Fahrradreisende ebenfalls nachhaltig verbringen. Für eine Übernachtung bietet sich das Hotel B&B Bio Brussels am Square George Marlow 34 an. Das kleine Drei-Sterne-Hotel wurde mit ökologisch nachhaltigen Materialien restauriert. Preise für eine Übernachtung gibt es auf Anfrage.
Tipps vom Experten
Tipp 1: Nur das Nötigste einpacken: Mehr Gepäck bedeutet immer mehr Gewicht. Für Fahrradfahrer heißt das: Jeder Kilometer kostet mehr Kraft, die Tour dauert länger. Zwei Sätze Fahrradkleidung und ein alltagstaugliches Outfit für Restaurantbesuche – mehr hat ADFC-Experte Alexander Bühler deshalb selbst auf langen Reisen nicht dabei. Hinzu kommen die wichtigsten Hygieneartikel wie Zahnbürste, Duschzeug und Shampoo. Shampoo kann auch zusätzlich benutzt werden, um die verschwitzte Fahrradkleidung zu waschen. „Mein Tipp: Am besten alles abends waschen und über Nacht trocknen lassen“, sagt Bühler.
Tipp 2: Auf die Energiezufuhr achten: Gerade bei Fahrradtouren mit Tagesetappen von 100 Kilometern oder mehr verbrauchen Radfahrer sehr viele Kalorien. Bühler empfiehlt deshalb, auf kalorienreiche Ernährung zu setzen. Sinnvoll ist kohlehydratreicher Proviant wie belegte Brote, Baguettes oder Müsliriegel. Bühler rät zudem, zusätzlich salzige Lebensmittel wie geräucherte Salamis oder Hartkäse einzupacken. Mit ihnen lässt sich der Elektrolytverlust beim Schwitzen ausgleichen.
Tipp 3: Auf wechselnde Temperaturen einstellen: Gerade bei Fahrten ins Gebirge drohen im Sommer große Temperaturunterschiede je nach Höhenlage. Lange Unterwäsche und eine Jacke gehören deshalb ebenso in den Rucksack wie T-Shirt und kurze Radlerhose. Für Radfahrer, die im Freien oder im Zelt übernachten, gilt zudem: Der Schlafsack sollte auch für frostige Nächte geeignet sein.