19 Hochwasserrückhaltebecken sollen entlang der Ahr gebaut werden, zwei davon auf dem Gebiet der Gemeinde Blankenheim.
Hochwasser19 Becken sollen für mehr Schutz an der Ahr sorgen
Es sind 30 Kilometer von der Kreisgrenze bei Schuld bis nach Ahrweiler. 30 Kilometer, die an wenigen Stellen Hoffnung machen. Und 30 Kilometer, die an sehr vielen Stellen auch fast drei Jahre nach der Flut verdeutlichen, welche Wucht das Wasser hatte, wie groß die Zerstörung war und wie lange ein Wiederaufbau nach einer solchen Katastrophe dauert – wenn er denn jemals abgeschlossen sein wird.
Die Spuren des dreckigen Wassers sind vielerorts noch an den Fassaden zu sehen. Braune Flecken unter den Fenstern zeigen, wo der ins Haus gedrungene Flutschlamm hinausgeschaufelt wurde. Es sind die Spuren an den Häusern, die diese mehr als 1000 Tage danach zu stillen Mahnmalen machen. Teils stieg der Pegel der Ahr in Dernau, Mayschoß oder Ahrweiler in der Flutnacht auf mehr als sieben Meter. Auch drei Jahre später ist das ein unvorstellbarer Wert mit Blick auf den Fluss, der am 3. Juni 2024 kniehoch dahinplätschert.
Bei Starkregen soll möglichst viel Wasser aus dem Ahrtal gehalten werden
Ziel der Hochwasserschutz-Experten ist es nun, bei Starkregenereignissen möglicht viel Wasser aus dem Ahrtal herauszuhalten. Zwei Gutachten wurden dazu vom Land Rheinland-Pfalz in Auftrag gegeben und nun im Rahmen einer Bürger-Infoveranstaltung in Ahrweiler von Landrätin Cornelia Weigand präsentiert. Die Planungen der Ingenieure sehen den Bau von insgesamt 19 Hochwasserrückhaltebecken (HRB) vor – eine Zahl, die einige Anwesende offenbar überrascht hat.
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Die Ingenieure kommen zu dem Schluss, dass sich die Schäden wie nach der Flut vom 14. Juli 2021 durch die Becken weitestgehend verhindern lassen können. Ihren Berechnungen zufolge rauschten in der Katastrophennacht am Pegel Altenahr pro Sekunde 1000 Kubikmeter Wasser vorbei – nur 200 Kubikmeter wären es gewesen, hätte es die Becken damals schon gegeben. „Das ist eine Nachricht, die den Menschen an der Ahr Mut macht“, sagte Landrätin Cornelia Weigand (parteilos).
Weder die Ingenieure noch die Landrätin geben sich jedoch der Illusion hin, dass die Pläne schnell realisiert werden können. Im Gegenteil: Es sei ein langer und mühsamer Weg, das Großprojekt umzusetzen. Das ist den Ingenieuren und der Landrätin klar. Und wie viel das kostet, ist noch vollkommen unklar. „Sehr, sehr viel Geld“, antwortete Dr. Oliver Buchholz, einer der Ersteller des Gutachtens, in der Versammlung auf die entsprechende Frage. Landrätin Weigand ergänzte: „Das können der Kreis Ahrweiler und die Kommunen nicht alleine stemmen. Bund und Land müssen uns unterstützen.“
Umsetzung des Hochwasserschutzes wird Jahrzehnte dauern
Für Erstaunen sorgte Buchholz auch mit seiner Einschätzung, in welchen Zeiträumen bei diesem Projekt gerechnet werde: Seiner Aussage zufolge könnte eine Umsetzung Jahrzehnte dauern. Das hätten Erfahrungen in anderen Bundesländern gezeigt, beispielsweise in Sachsen. Einen Grund sieht er in den Genehmigungsverfahren – die dauerten in Deutschland sehr lange, so Buchholz.
Landrätin Weigand will sich nun bei Land und Bund darum bemühen, dass für den Bau der HRB die Planungs- und Genehmigungsverfahren abgekürzt werden können. Doch auch dies klingt nicht nach Höchstgeschwindigkeit: „Wir haben richtig dicke Bretter zu bohren. Aber wenn man das wirklich will, dann kann man das schon in zwei Jahrzehnten schaffen“, so die Landrätin.
Landrätin aus Ahrweiler fordert Solidarität der Menschen
Sie sei sich sicher, dass die Menschen die Schutzmaßnahmen in Form der Hochwasserrückhaltebecken im Ahrtal wollen – und sie hoffe, dass das auch Land und Bund so sehen. „Wir werden das auf dem Silbertablett nicht bekommen. Wir müssen dafür kämpfen. Ich werde dafür kämpfen“, so Weigand: „Eine Umsetzung ist aber nur dann möglich, wenn wir alle solidarisch sind. Dann kann man nicht sagen, dass ich den höchsten Schutz will, aber kein Becken vor meiner Nase.“ Für den Bau der 19 HRB werde viel Bauland benötigt. Die meisten Areale befinden sich der Landrätin zufolge in privatem Besitz.
Sie appellierte nicht nur an die Solidarität, sondern will auch den geplanten Zweckverband vorantreiben. Der soll die Maßnahmen koordinieren und die Finanzierung sichern. Gespräche dazu werden aktuell geführt, sagte die Landrätin: „Der Zweckverband soll im Idealfall noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen, damit die Baumaßnahmen möglichst schnell starten können.“
Dem Verband sollen neben dem Landkreis Ahrweiler mit seinen Kommunen auch der Landkreis Vulkaneifel sowie aus Nordrhein-Westfalen der Kreis Euskirchen, die Gemeinde Blankenheim und die Stadt Bad Münstereifel angehören. Denn auch dort fließen Bäche, deren Wasser in die Ahr gelangt. Und in Blankenheim ist die Quelle der Ahr.
Flächen der Rückhaltebecken können landwirtschaftlich genutzt werden
Gebaut werden sogenannte trockene Rückhaltebecken, die nur bei Starkregen aufgestaut werden. Ansonsten können die Wiesen landwirtschaftlich genutzt werden. Für die 19 Hochwasserrückhaltebecken werden bis zu 30 Meter hohe Staumauern benötigt. Das liegt an der Topographie des Ahrtals und den Tälern der zufließenden Bäche. Weil die Täler sehr eng sind, können nach Angaben der Ingenieure nur recht schmale Staumauern entstehen, die dafür recht hoch sind.
Die HRB seien aber nur eine Komponente, um das Ahrtal vor Flutkatastrophen zu schützen, hieß es auf der Infoveranstaltung. Ergänzend dazu seien viele lokale Maßnahmen in den Kommunen nötig. Dafür haben die Ingenieure mehr als 2000 Vorschläge ausgewertet, die Bürger eingereicht hatten.
Allein im Bereich der Stadt Sinzig sind nach Angaben der Gutachter 46 Projekte nötig: An einigen Stellen muss das Flussbett der Ahr verbreitert werden, anderswo müssen Böschungen flacher werden.
Am Donnerstag, 6. Juni, findet zwischen 18 und 21 Uhr im „DüNaLü“, Bahnhofstraße 16, in Dümpelfeld eine weitere Infoveranstaltung des Kreises Ahrweiler mit dem Thema „Vom Hochwasser zum Handeln“ statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Schutz von der Quelle bis zur Mündung der Ahr
19 Hochwasserrückhaltebecken (HRB) sind entlang der Ahr geplant, um im Idealfall eine Katastrophe wie 2021 zu vermeiden. Einige dieser Becken sind auf Blankenheimer Gebiet vorgesehen – konkrete Planungen gibt es aber noch nicht.
Eine der Überlegungen sieht ein HRB zwischen Uedelhoven und Ahrdorf vor. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes trockenes HRB. Das heißt, dass dort das Wasser nur im Bedarfsfall eingestaut wird und die Fläche in der übrigen Zeit normal bewirtschaftet werden kann.
Im Fall des HRB bei Ahrdorf ist vorgesehen, hinter dem Abzweig Ahrdorf in Richtung Ahrhütte einen 14 Meter hohen Damm zu errichten. Dort können dann nach Angaben von Ingenieur Dr. Oliver Buchholz nahezu zwei Millionen Kubikmeter Wasser gestaut werden – auch, weil die B 258 überflutet werden soll.
Zudem ist ein HRB unterhalb von Ahrdorf geplant, um dort den Ahrbach einstauen zu können. Dort ist laut Buchholz, der im Auftrag des Landes Rheinland-Pfalz sämtliche Einstaupotenziale im Einzugsgebiet der Ahr untersucht hat, ein Einstaupotenzial von mehr als 7,8 Millionen Kubikmetern Wasser vorhanden.
Jennifer Meuren, Bürgermeisterin von Blankenheim, sagt: „Ich befürworte ein Rückhaltebecken auf unserem Gebiet absolut. Zum einen, weil es die Menschen im Ahrtal schützt, und zum anderen mit einem Standort am oberen Ahrverlauf auch Ortschaften wie Ahrhütte und Ahrdorf geschützt werden können.“ Dennoch gebe es weiteres Potenzial, die Sicherheit zu erhöhen. „Wir müssen aber die Zuläufe begutachten und kleinere Maßnahmen an weiteren Stellen überlegen“, so Meuren.
Die Gemeinde Blankenheim sei in alle Prozesse einbezogen. „Es ist gut, dass wir mit dem Prozess begonnen haben, er wird aber Zeit in Anspruch nehmen. Und viele Abstimmungsgespräche werden noch folgen.“ Die Kooperation im Alltag sehe so aus, dass Gespräche in den jeweiligen Kommunen von den Ingenieurbüros geführt werden. Zudem gebe es eine Lenkungsgruppe mit allen Kommunen. Insbesondere seien Abstimmungen mit der Naturschutzbehörde oder auch der Unteren Wasserbehörde erforderlich, so Meuren: „Zudem sind Fragen zu Förderungs- und Finanzierungsmodalitäten zu gegebener Zeit zu klären. Es sind mehrere Standorte in den Blick genommen worden. Daher schauen wir, wo sich die Planungen konzentrieren werden.“
Achim Blindert, Wiederaufbaukoordinator des Kreises, sagt: „Hochwasserschutz muss von der Quelle bis zur Mündung gedacht werden. Er ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die uns auch länderübergreifend fordert. Die Einzelmaßnahmen müssen zusammen betrachtet werden, um die effektivsten Maßnahmen zu finden.“