Köln – Mit der aktuellen Ausgangssperre hat sich Kabarettist Jürgen Becker durchaus anfreunden können. „Das finde ich super. Da trifft man sich mit Freunden und Bekannten halt schon etwas früher. Und um 21 Uhr sind alle wieder weg. So hat man dann am Abend noch ein bisschen für sich und es ist auch noch Bier im Kühlschrank“, sagt er, lacht und gibt sich optimistisch. Schließlich versucht er, dem Corona-Lockdown noch die eine oder andere positive Seite abzugewinnen. „Ich habe gegenwärtig überhaupt keine Lust, auf die Bühne zu gehen. Das geht ja auch sowieso nicht. Stattdessen habe ich das Internet als Medium für mich entdeckt. Ich mische jetzt bei Youtube mit.“ Nachdem Becker Ende des vergangenen Jahres nach knapp 30 Jahren die Moderation der WDR-Show „Mitternachtsspitzen“ aus dem Alten Wartesaal aufgegeben hat, steht er nun doch wieder regelmäßig vor der Kamera.
„Achtsam rasen“ nennt der Kölner die Mischung aus Auto-Rallye und Stadtrundfahrt, aus Plauderstunde und Diskussionsrunde.
„Es gibt witzige und alberne, aber auch stille und ernste Momente.“ Ein bisschen abgeguckt hat er sich das Konzept beim internationalen Youtube-Erfolg „Carpool Karaoke“ von James Corden. Der aus London stammende, aber in Kalifornien lebende Filmschauspieler und Komiker lädt sich Weltstars wie Paul McCartney, Elton John oder Justin Bieber, Lady Gaga, Adele oder Billie Eilish zu einer später auf rund 15 Minuten zusammengeschnittenen Fahrt durch Los Angeles in sein Auto, unterhält sich mit ihnen und man singt gemeinsam die größten Hits der Beifahrer.
Bei Becker wird allerdings nicht gesungen. „Wegen der Gema-Gebühren wird das zu teuer. Das ist leider blöd. Selbst die Hits der Bläck Fööss können wir nicht spielen. So etwas kann ich halt nicht machen, das musste ich auch erst mal lernen“, sagt Becker. „Aber wir kriegen das auch so hin und unterlegen die einzelnen Szenen mit Musik, die bei Youtube zugelassen ist.“ Es ist eben auch ein Spar-Projekt. „Viel Geld verbrennen können wir nicht.“ Für die Filmaufnahmen, die Technik und den Schnitt ist Alexander Kulb zuständig, der in Ehrenfeld die Disco Trafic (früher: Club E-Feld) betreibt. Becker: „Er filmt aber auch schon seit Kindertagen. Ich bin begeistert von seinen Fähigkeiten. Sehr professionell – das ist Fernsehqualität.“
Vierrädriger Hauptdarsteller und wie Becker immer dabei ist der Sportwagen, ein Saab 96, Baujahr 1980, den Becker – zusätzlich besitzt er noch einen orangefarbenen VW-Bus und einen Elektro-Renault Zoe – sich vor vier Jahren für 4800 Euro gekauft hat und mit dem er auch schon zu einigen Auftritten gefahren ist. „Das Modell hat in den 60er Jahren zweimal die Rallye Monte Carlo gewonnen, hat somit die richtigen Rallye-Gene und sieht skurril aus. Aber mich hatte auch die türkise Farbe angemacht“, verrät Becker. „Zudem hat das Auto ein kölsches Herz. Denn der Motor ist ein V 4 von Ford, den der schwedische Autobauer damals zugekauft hatte. Dafür kriege ich hier doch überall Ersatzteile.“
Die ersten zwei Folgen von „Achtsam rasen“ sind inzwischen veröffentlicht. Dafür ist Becker mit Büttenrednerin und Kabarett-Kollegin Ingrid Kühne durch Xanten („Wir durften sogar in den archäologischen Park rein“) gefahren und mit Comedian Faisal Kawusi durch Kabul. „Gut, wir waren jetzt nicht in der afghanischen Hauptstadt, sondern in einigen Ecken von Porz und am Kölnberg in Meschenich. Aber dort sah es aus wie in Kabul“, sagt Becker. „Als Kontrast gibt es noch Bilder aus dem Hahnwald. Diese Veedel liegen zwar nur fünf Kilometer auseinander, sind aber beides ganz unterschiedliche Parallelwelten.“
Mit Jochen Busse durch Düsseldorf
Als nächstes folgt die Tour mit Jochen Busse durch dessen Wahlheimat Düsseldorf und durch eine Kiesgrube. „Der fährt eigentlich kein Auto mehr, aber dort hat er sich noch mal hinters Steuer gesetzt. Außerdem haben wir Yoga gemacht. Der ist mit seinen 80 Jahren noch äußerst gelenkig“, weiß Becker. Und er habe erzählt, dass er vor vielen Jahre der erste nackte Mann in einem deutschen Film war. Damit hätte Busse kein Problem gehabt, „aber sonst hätte er die Rolle, die er unbedingt haben wollte, nicht gekriegt“. Ebenfalls schon produziert sind die Fahrten mit Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann vom Bonner Hauptbahnhof zum ICE-Bahnhof in Siegburg („Da haben wir über den Kapitalismus und das Wirtschaftswunder, die Bonner Republik und Ludwig Erhard diskutiert“), mit Kabarettistin Barbara Ruscher durch ihren Geburtsort Rheinbach („Das ist in der Voreifel, nichts Halbes und nichts Ganzes), mit ZDF-Moderatorin Petra Gerster durch Mainz. Mit dem deutsch-türkischen Comedian, Schauspieler, Moderator und Model Tan Çağlar, der im Rollstuhl sitzt, ging es quer durch Köln – von einer Disco bis zum Landschaftsverband Rheinland (LVR) in Deutz mit dem Denkmal der „grauen Busse“. In diesen hatten die Nazis Psychiatriepatienten und behinderte Menschen zu den Tötungsanstalten deportiert.
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In den nächsten Wochen will Becker noch mit den ehemaligen Mitternachtsspitzen-Kollegen Wilfried Schmickler und Uwe Lyko durch Essen, mit Markus Maria Profitlich durch Königswinter, und mit Mirja Boes vom Niederrhein („Die ist ja Borussia-Fan, da versuchen wir in Mönchengladbach ins Stadion zu kommen“) bis nach Holland fahren.Auch der SPD-Bundesvorsitzende Norbert Walter-Borjans hat schon Interesse signalisiert. Da sucht man nun einen Termin, um im Auto über Geschichte und Zustand der SPD sowie über die kommende Bundestagswahl zu diskutieren. „Regieren sollte ja endlich mal wieder auch ohne die CDU möglich sein“, sagt Becker, der auf eine Ampel-Koalition hofft. „Und dafür muss man die SPD stark machen, dann kann das klappen. Die grüne Newcomerin Annalena Baerbock als Kanzlerin und der erfahrene SPD-Mann Olaf Scholz als Finanzminister. Das passt schon. Na ja, den Christian Lindner und seine FDP muss man dafür auch mitnehmen. Eine Kröte muss man halt schlucken.“