AboAbonnieren

Bei Ehrung von Alice SchwarzerKölns OB Henriette Reker macht überraschendes Geständnis

Lesezeit 4 Minuten
05.12.2022, Köln: Alice Schwarzer bei einem Empfang der Oberbürgermeisterin Henriette Reker anläßlich des 80. Geburtstages von Frau Schwarzer. Foto: Uwe Weiser

Alice Schwarzer trägt sich im Beisein von OB Henriette Reker in das Gästebuch der Stadt ein.

Zu Ehren ihres 80. Geburtstags ist die Journalistin und „Emma“-Gründerin ins Historische Rathaus eingeladen worden. Oberbürgermeisterin Henriette Reker zeigte sich bewegt und machte ein überraschendes Geständnis.

„Ihnen ist es gelungen, den Feministinnen, zu denen ich mich auch zähle, seit den 1970er Jahren eine unüberhörbare Stimme zu geben“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker, als sie am Montagabend Alice Schwarzer mit einem Empfang im Historischen Rathaus ehrte. Am Samstag zuvor war die Journalistin, Publizistin und Pionierin der zweiten deutschen Frauenbewegung 80 Jahre alt geworden.

Einen „historischen Tabubruch“ nannte es Reker, dass 1971 auf Initiative von Schwarzer 374 Frauen in einer Titelgeschichte der Zeitschrift „Stern“ öffentlich bekannten: „Ich habe abgetrieben“ und sich damit gegen den Paragrafen 218 stellten. „Mit dieser Aktion habe Sie der Frauenbewegung einen großen Schub versetzt“, sagte Reker.

Alice Schwarzer und Henriette Reker am Tisch mit einem Glas Sekt in der Hand.

Anlässlich ihres 80. Geburtstages stoßen Alice Schwarzer und Henriette Reker an.

Seitdem habe Schwarzer nie nachgelassen in ihrem Kampf für die Gleichberechtigung der Geschlechter, ob als Journalistin, Buchautorin oder Aktivistin, die „bedeutende Kampagnen“ von großer Medienwirksamkeit initiiert habe. Scharf argumentierend, schlagfertig und streitbar, mit Hartnäckigkeit und Durchhaltewillen habe sie sich nie von ihrem Weg abbringen lassen. „Sie haben nie auf Beliebtheitswerte geschaut. Ihre Überzeugungen waren Ihnen wichtig.“

Alles zum Thema Henriette Reker

Kölner Oberbürgermeisterin offenbart ein altes Geheimnis

Reker zeigte sich „froh und stolz“, dass die Redaktion des 1977 gegründeten Magazins „Emma“ in Köln beheimatet ist. Damit sei die Stadt gleichsam zur „Hauptstadt des Feminismus“ geworden; dazu trage auch der Frauenmediaturm im Rheinauhafen bei, der Archiv und Dokumentationszentrum zur Geschichte der Frauenbewegung ist und seit 2003 die „Emma“-Redaktion beherbergt. Obwohl „wir vielleicht nicht überall einer Meinung sind“, komme es darauf an, „den Blick auf das Gemeinsame zu richten“, sagte Reker an Schwarzer gewandt und betonte: „Ich schätze Ihr Lebenswerk ungeheuer.“

Als sie darauf einging, wie wichtig es für die Selbständigkeit von Frauen sei, sich genauso viel zuzutrauen wie Männer und berufstätig zu sein, wurde Reker, seit 2000 Jahren das erste weibliche Stadtoberhaupt Kölns, persönlich. „Sicher wäre ohne die Frauenbewegung auch mein Leben anders verlaufen“, sagte sie und offenbarte Überraschendes: In den ersten vier Monate ihrer Ehe mit ihrem ersten Mann habe sie ihm verschwiegen, dass sie berufstätig war; ihre Schwiegermutter habe „mitgemacht“.

„Das ist eine fantastische Geschichte, keine „Emma“ kann sich so etwas ausdenken“, sagte Alice Schwarzer, nachdem sie sich ins Gästebuch der Stadt eingetragen hatte. „Die einzige Oberbürgermeisterin einer deutschen Metropole hat in ihrer ersten Ehe verheimlicht, dass sie berufstätig war. So waren die Zeiten.“

Alice Schwarzer und ihre Liebe zu Köln

Vor allem sprach Schwarzer über ihre Beziehung zu Köln. Im Wuppertaler Stadtteil Elberfeld aufgewachsen, das sich anders als das eher westfälische Barmen dem Rheinland zugehörig fühlte, habe sie sich früh für den Karneval begeistert. Etwa ab dem achten Lebensjahr habe sie ihren Großvater „gezwungen“, mit ihr jedes Jahr zum Karneval nach Köln zu fahren, und habe sich kostümiert, „manchmal als Prinzessin mit Tüllrock“.

Rund ein Vierteljahrhundert später wurde die Stadt ihre Wahlheimat. Aus Berlin kommend, habe sie sich rationale Beweggründe für den Wechsel „zurechtgelegt“, sagte Schwarzer: In der Medienstadt gebe es viele „potenzielle Kolleginnen“, die bei der „Emma“ mitmachen könnten, und das geliebte Paris, wo sie lange gelebt hatte, war nah. Dann sei sie sich „auf die Schliche gekommen“: In Wirklichkeit habe sie nach Köln gezogen, „weil es ein Stück Heimat ist.“ Die Mentalität der Leute liege ihr.

Alice Schwarzer im Stand auf der Bühne.

Köln war für Alice Schwarzer schon immer ein Teil ihrer Heimat.

Als einen ihrer ersten Eindrücke von der Stadt schilderte sie, dass in einem Brauhaus Frauen sah, die dort alleine saßen und ihr Kölsch tranken. Heute vermisse sie als Bewohnerin der Altstadt die frühere Präsenz „überwiegend älterer Frauen aus den Veedeln und Vorstädten“ auf dem Heumarkt, das Publikum habe sich stark geändert. „Ich würde mir wünschen, dass Köln versucht, seine Seele zu schützen.“ Die sei „schwer gefährdet. Da muss sich richtig was tun.“

Viele Gäste zu Ehren der Journalistin

Unter den Gästen des Empfangs waren die Fotografin Bettina Flitner, mit der Schwarzer verheiratet ist, Verleger Helge Malchow, Stefan Bachmann, Intendant des Schauspiel Köln, Ex-Dombaumeisterin Barbara-Schock-Werner, Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Biggi Wanninger, Präsidentin der Stunksitzung, Carsten Fiedler, Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“, und Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval.