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Bäcker, Puppenspieler, PhilosophWas Kölns Politiker als ihren Beruf angeben

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  1. Auf dem Wahlzettel für die kommende Kommunalwahl stehen unter dem Namen der zu wählenden Kandidaten deren Berufe.
  2. Die Bandbreite der angegebenen Berufe der mehr als 1500 Kandidaten zur Kommunalwahl ist enorm
  3. Einige – unter anderem unterhaltsame – Überraschungen sind dabei.

Köln – 3D-Artist, Künstler, Weinfachberater, Modellbauer, Key Account Manager, Puppenspieler, Hausfrau, Bankdirektor, Architekt, Lehrer, Therapeut, Augenoptiker – schaut man auf die Berufsangaben der mehr als 1500 Kandidaten der Kommunalwahl, ist die abgegriffene Bezeichnung „Querschnitt der Gesellschaft“ selten treffender gewesen. Die Bandbreite der Tätigkeiten ist enorm. Nachzulesen sind die Jobs in einem gut 1200 Seiten starken und knapp einem Kilogramm schweren Amtsblatt der Stadt Köln.

Bei ihrer Job-Bezeichnung sind manche Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt, den Stadtrat und die Bezirksvertretungen überaus kreativ. Das Wahlregularium lässt ihnen bei der Angabe einen gewissen Spielraum. Den nutzen selbst Oberbürgermeister-Kandidaten.

Hier lesen Sie mehr: Großstadt ohne Regierung – So funktioniert die Politik in Köln

Alles zum Thema Henriette Reker

Zum Beispiel die parteilose Amtsinhaberin Henriette Reker. Natürlich ist sie Oberbürgermeisterin und möchte das auch nach dem 13. September noch sein. Sie hätte sich also durchaus mit ihrer aktuellen Tätigkeit schmücken können. Auf dem Stimmzettel ist sie aber Rechtsanwältin vermerkt. Die studierte Juristin arbeitet indes seit 20 Jahren nicht mehr als Anwältin. Im Jahr 2000 wurde sie Sozialdezernentin in Gelsenkirchen, zehn Jahre später ebensolche in Köln, bis sie 2015 OB wurde.

Kossiski spielt die Polizisten-Karte aus

Ihr wohl größter Konkurrent, SPD-Kandidat Andreas Kossiski, nennt auf dem Wahlzettel ebenfalls einen Beruf aus vergangenen Tagen. „Polizeibeamter“ steht unter seinem Namen auf dem prominenten ersten Platz des Zettels. Das wirkt aufgeräumt und zupackend, zumal er im kontaktlosen Corona-Wahlkampf – ganz Schutzmann – „Auf Streife im Veedel“ geht, und sich dabei filmen lässt, wie er sich in Stadtteilen die Anliegen der Menschen anhört. So richtige auf Streife, also in Polizei-Uniform, ist Kossiski aber schon seit Jahren nicht mehr gewesen. Eigentlich ist seine Haupttätigkeit Landtagsabgeordneter der SPD, seit 2012 ist er Teil des NRW-Parlaments.

Reker und Kossiski geben also auf dem Stimmzettel Berufe an, die sie zweifellos nennen dürfen, in denen sie aktuell jedoch überhaupt nicht arbeiten. Dürfen die das? Ja, sie dürfen. Die Kandidaten legen bei ihren Jobbezeichnungen das Wahlrecht in zulässiger Weise aus. „Es können auch ehemals ausgeübte Berufe genannt werden“, erklärt die Stadtverwaltung. Einzige Bedingung: Man darf nicht schummeln und muss den genannten Beruf auch ausgeübt haben. Alle Kandidaten der Kommunalwahl müssen eine eidesstattliche Erklärung abgeben, in der sie versichern, dass ihre persönlichen Angaben – wie eben der Beruf – korrekt sind.

Rechtsanwältin und Polizeibeamter sind überdies geschützte

Wer sich zum Beispiel Polizeibeamter nennt, aber als Bäcker entlarvt wird, sollte sich vielleicht eine Rechtsanwältin nehmen, weil ihm dann eine Strafe droht.

Bürokratendeutsch auf dem Stimmzettel

Es ist ein Beispiel für schlimmstes Bürokratendeutsch: „Stimmzettel für die Wahl der Vertretung in der kreisfreien Stadt Köln im Wahlbezirk 31 Porz 1 am 13. 09. 2020.“ Wer die Überschrift liest und darunter Namen von Kandidaten samt deren Parteien sieht, wird ahnen: Es geht um Politik. Doch was genau hier zur Wahl steht, erschließt sich wohl eher einem Kreis von Eingeweihten als der breiten Wählerschaft.

Die Lösung: Man entscheidet über den neuen Stadtrat. Mit seiner Stimme wählt man den Direktkandidaten seines Wahlbezirks (in diesen Fall Porz) sowie dessen Partei. Die bürgerunfreundliche Formulierung hat das Land mittels Musterstimmzettel vorgegeben. (adm)

Apropos Bäcker: Der parteilose OB-Kandidat Martin Josef Przybylski gibt gleich drei Berufe an – Verkäufer, Student, Philosoph. Der 35-Jährige ist tatsächlich Verkäufer, und zwar in einer Bäckerei, auch studiert er Wirtschaftsrecht. Und Philosoph? Jeder Kandidat könnte Philosoph angeben, weil die Bezeichnung nicht geschützt ist. Frei nach Przybylskis berühmtem Philosophen-Kollegen René Descartes: Wer denkt, der existiert, und nur wer existiert, kann zu einer OB-Wahl antreten.

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Auf den Stimmzetteln für die OB-Wahl sind die Berufe der Kandidaten verzeichnet, die Jobs der Anwärter für Rat und Bezirksvertretung sind auf den entsprechenden Stimmzetteln nicht vermerkt. Sie stehen nur im eingangs erwähnten Amtsblatt. Neben Unmengen nicht weiter definierter „Angestellter“ sind dort Kommunikationsdesigner, Küster, Soziologen oder Karosseriebauer zu finden. Einer „Rentner“-Phalanx stehen eine ganze Menge „Studenten“ gegenüber, was Hoffnung macht, dass es doch noch was werden kann mit dem politischen Nachwuchs. Ein Kandidat begnügt sich mit einem schlichten „Forscher“, ein anderer hält die Fahne politischer Transparenz hoch und ist „temporär berufsunfähig“.

Influencer aus Lindenthal

In Lindenthal tritt Die Partei unter anderem mit einem „Influencer“ an, was zeigt, dass man durchaus auch Warm-Upper, Endgegner oder Briefbeschwerer der Geschäftsleitung hätte angeben können. „Das Wahlamt ist angehalten, die Berufsangaben der Kandidaten zu übernehmen“, sagt eine Mitarbeiterin von Wahlleiterin Dörte Diemert achselzuckend. Bei ungeschützten Berufsbezeichnungen könnten die Bewerber schreiben, was sie wollen.