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Betrug mit Überstunden?Staatsanwaltschaft prüft Zahlungen in Kölner Stadtverwaltung

Lesezeit 4 Minuten
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Das Historische Rathaus in Köln

  1. Im Zusammenhang mit Gehaltszahlungen sollen bei einer Untersuchung in der Stadtverwaltung Unregelmäßigkeiten aufgefallen sein.
  2. Das Rechnungsprüfungsamt hat sich daraufhin an die Staatsanwaltschaft gewendet, um einen möglichen Betrug mit Überstunden untersuchen zu lassen.
  3. Die Hintergründe eines Vorfalls, den es so noch nie bei der Stadtverwaltung gegeben hat.

Köln – Einen solchen Vorfall hat es bei der Stadtverwaltung noch nie gegeben: Das Rechnungsprüfungsamt wendet sich an die Staatsanwaltschaft, um einen möglichen Betrug mit Überstunden untersuchen zu lassen. Das bestätigte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am Donnerstag auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“: Das Rechnungsprüfungsamt habe der Ermittlungsbehörde „entsprechende Unterlagen zur Verfügung gestellt, die gegenwärtig zur Prüfung eines Anfangsverdachts wegen in Betracht kommender Straftaten ausgewertet werden“. Näheres teilte Bremer nicht mit. Infrage kommt in derartigen Fällen zum Beispiel der Straftatbestand der Untreue.

Die Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Gehaltszahlungen sollen bei einer internen Untersuchung aufgefallen sein. Den Recherchen dieser Zeitung zufolge sollen zwei Beschäftigte der städtischen Kulturverwaltung, darunter ein leitender Beamter, über einen längeren Zeitraum Überstunden abgerechnet haben, ohne diese geleistet zu haben. Die Prüfer stellten fest, dass die Mehrarbeit entgegen der Vorschriften pauschal aufgeführt war, also ohne Angabe konkreter Tage und Tageszeiten. Die Kulturverwaltung ist unter anderem zuständig für die Museen, die Bühnen, die Stadtbücherei und den Denkmalschutz. Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach, die von dem fragwürdigen Abrechnungsverfahren gewusst haben soll, wollte sich mit dem Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht äußern.

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Alles zum Thema Henriette Reker

Nach Angaben des Presseamtes wurden in einem Fall 125 Überstunden über einen Zeitraum von fünf Monaten ausbezahlt. In dem anderen Fall seien es 540 Stunden in einem Zeitraum von zwei Jahren und drei Monaten gewesen. Einer der beiden Mitarbeiter soll ein Beamter des höheren Dienstes sein. Wie es heißt, soll er die nächsthöhere Besoldungsstufe angestrebt haben, die ihm aber verwehrt worden sein soll – möglicherweise, weil der Stellenplan eine Beförderung nicht hergab. Im Gegenzug sei dem Mann dann angeboten worden, monatlich ungefähr 20 Überstunden pauschal einzureichen, die ihm dann auch tatsächlich ausbezahlt worden sein sollen. Dieser monatliche Betrag von ungefähr 700 Euro soll in etwa der Differenz zur nächst höheren Gehaltsstufe entsprechen. Angeblich sollen so allein in eineinhalb Jahren etwa 13 000 Euro zusammengekommen sein.

Nach Angaben des Stadtsprechers Alexander Vogel wurde Oberbürgermeisterin Henriette Reker am Mittwoch von der Antikorruptionsbeauftragten darüber informiert, dass die Staatsanwaltschaft um „Prüfung auf strafrechtliches Handeln der beteiligten Personen“ gebeten worden sei. Außerdem sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Die Auszahlung weiterer Überstunden sei „gestoppt beziehungsweise war in einem Fall bereits eingestellt“ worden.

Einiges deutet darauf, dass diese Praxis kein Einzelfall ist und über einen längeren Zeitraum angewendet wurde. In einem internen Vermerk der Prüfer soll die Rede von einer „gängigen Verwaltungspraxis“ sein, die sofort abgestellt werden müsse. Seine Berichte stellt das Rechnungsprüfungsamt regelmäßig den Politikern im Rechnungsprüfungsausschuss des Stadtrats zur Verfügung.

Einkommensaufbesserung statt Beförderung

Die ehemalige CDU-Ratsfrau Margret Dresler-Graf, bis 2019 mehr als zwei Jahrzehnte lang Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses, bestätigte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, das Thema pauschalierte Überstunden sei ein „Dauerbrenner“ gewesen. „Sie wurden in einigen Bereichen als selbstverständlich angesehen“, sagte Dresler-Graf. Sei eine Beförderung in eine höhere Gehaltsstufe nicht möglich gewesen, hätte die Verwaltung manchen Bediensteten pauschal Überstunden genehmigt und so deren Einkommen aufgebessert.

Dem Presseamt zufolge habe sich herausgestellt, „dass es in Teilen unterschiedliche Ansichten zwischen der Stadt und dem Rechnungsprüfungsamt in Bezug auf die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnungen von Mehrarbeit bei Beamtinnen und Beamten gibt“. Gleichwohl nehme die Stadt die Hinweise und Beanstandungen sehr ernst. Es habe sich im Rahmen des Prüfprozesses herausgestellt, dass die Verwaltungspraxis der Stadt zur Vergütung von Mehrarbeit bei Beamten schon weit vor dem untersuchten Prüfungszeitraum in den Jahren 2016 bis 2019 „kritisch zu sehen ist“. Grund sei eine unklare Regelung in einer Dienstvereinbarung aus dem Jahr 2008, die deshalb im Sommer des vorigen Jahres geändert wurde.

Die nächste Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses ist für den 8. September angesetzt – fünf Tage vor der Kommunalwahl. Dann sollen die internen Vorgänge den Politikern dargelegt werden, wie meistens in diesem Gremium unter Ausschluss der Öffentlichkeit.


Nachtrag der Redaktion: Das Ermittlungsverfahren gegen die damalige Kölner Kulturdezernentin Laugwitz-Aulbach wegen des Verdachts der Untreue wurde von der Staatsanwaltschaft Köln am 27.01.2023 mit Zustimmung des Amtsgerichts Köln gemäß § 153 Absatz 1 StPO eingestellt.