Köln – Er gehört zu den am meisten fotografierten Gebäuden der Welt. Jeden Tag drückt fast jeder der täglich 20.000 Besucher des Kölner Doms auf den Auslöser. Und doch gibt es Fotos, die aufrichtig staunen lassen. Pünktlich zum Domjubiläum haben Dombaumeister Peter Füssenich und seine Vor-Vorgängerin Barbara Schock-Werner unter anderem aus dem Dombauarchiv und anderen Quellen Aufnahmen aus rund 170 Jahren Fotografiegeschichte in einem spektakulären Bildband zusammengetragen.
Früher standen Palmen auf dem Domplatz
Die ältesten Bilder stammen aus der Zeit ab 1853. Anhand der Fotos von berühmten Fotografen wie Charles Marville, Theodor Creifelds, Anselm Schmitz oder Johann Heinrich Schönscheidt kann man der Kathedrale aus immer anderen Perspektiven beim Wachsen zusehen und über die Dimensionen und die Präzision der Baumeister staunen.
Besonders eindrucksvoll wirkt etwa ein Foto von Anselm Schmitz aus dem Jahr 1881, das die Spitze des Nordturms nach Abbau der obersten Gerüstlagen zeigt: Als Maßstab für die Größe der Kreuzblume hat er einen Mann daneben positioniert. Die Präzision der kleinsten Elemente der Kreuzblume ist gestochen scharf erkennbar. Andere Fotografen wie August Sander und Hugo Schmölz hielten zu Beginn des 20. Jahrhunderts fest, wie der Dom das moderne Stadtbild prägte.
Selbst Schock-Werner und Füssenich, die den Dom aus scheinbar allen Perspektiven kennen, ging die Arbeit nahe: „Faszinierend und emotional“ sei das Abtauchen in den Kosmos der Dom-Fotos gewesen, erzählt Schock-Werner. Ein Fundus von Motiven, die auch ihnen beiden noch neue Details verraten hätten: „Wer weiß schon heute noch, dass mal Palmen auf dem Domvorplatz gestanden haben“, so Schock-Werner. Dabei gab es Bilder, die die beiden besonders berührt haben. Darunter vor allem die erstmals veröffentlichten Fotos der Fotografin Ruth Hallensleben, die die großen Schäden nach dem Zweiten Weltkrieg dokumentiert hat.
Bilder zeigen Wunden des Krieges und dokumentieren auch, wie sie in der Zeit von Dombaumeisterin Schock-Werner geschlossen wurden. Die Fotos stammen aus dem Nachlass der Fotografin im Ruhr-Museum. Aber das, was ihre Bilder zeigen, geht weit über die Dokumentation hinaus: Besonders berührend ist ein Foto der Fotografin Margaret Bourke-White, das die erste katholische Messe nach Kriegsende 1945 in der Marienkapelle zeigt: Soldaten der US-Army knien im Innern der Kathedrale im Schutt und wenden sich dem völlig unzerstörten Marienaltar zu. Gerade jetzt, da Krieg in Europa wieder Realität ist, gehen solche Bilder besonders nahe und wirken verstörend aktuell. Martha Kranz' Foto aus dem April 1946, zeigt Schuttberge hinter denen wie ein Wunder scheinbar unversehrt der Dom erscheint. „An dem Foto kann man nachvollziehen, dass dieses Erleben für viele Kölner ein Zeichen der Hoffnung bedeutete“, schreiben die beiden Herausgeber Füssenich und Schock-Werner, die jedes der Bilder in einem kurzen Text einordnen.
Perspektiven von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart
Der im Greven Verlag erschienene und qualitativ sehr hochwertig gearbeitete Band enthält aber auch Perspektiven von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart – etwa mit Fotografien von Chargesheimer, Winfried Kralisch oder Boris Becker und anderen. Durch ihre jeweils sehr individuellen Perspektiven bieten sich immer wieder staunenswerte andere Facetten. Ergänzt werden diese durch die Arbeiten von Architekturfotografen wie Florian Monheim, Reinhard Matz und Rainer Gaertner.
Aber auch Profaneres lockert den Band auf: das beliebteste Postkartenmotiv des Kölner Doms. Es stammt aus den 80ern von Inge und Arved von der Ropp und zeigt den Dom in intensives Grün getaucht. Erst Anfang des 21. Jahrhunderts wurden diese Lampen durch kristallweiße ersetzt. „Als meistverkauftes Motiv haben wir es als historisches Dokument mit reingekommen. Auch wenn wir da bei unseren beiden Herausgebern Überzeugungsarbeit leisten mussten“, meint Dennis Janzen von der Greven Stiftung augenzwinkernd. Der Bildband „Der Dom – Die Kölner Kathedrale in der Fotografie seit 1850“ ist im Greven Verlag erschienen und kostet 38 Euro.