Das Fest in Gedenken an das Nagelbombenattentat des rechtsextremen NSU vor 20 Jahren war ein beeindruckendes Zeichen. Worten müssen Taten folgen.
Kommentar zu Kölner Birlikte-FestDie Ängste der Menschen auf der Keupstraße sind die Ängste von uns allen
Birlikte heißt gemeinsam. Ein türkisches Wort, das für den Zusammenhalt von Menschen aller Kulturen steht. Das Birlikte-Festival am Sonntag in Mülheim in Gedenken an das mörderische Nagelbombenattentat der rechtsextremen NSU-Organisation vor 20 Jahren hat die Notwendigkeit des Zusammenhalts und der Gemeinschaft aller Demokratinnen und Demokraten, unabhängig welcher Kultur, Religion, sexueller Orientierung oder Partei sie angehören, auf beeindruckende Weise betont.
Die Ängste der Menschen auf der Keupstraße, der Opfer all der rassistisch motivierten Anschläge und aller Minderheiten, die hier Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, sind auch unsere Ängste. Die Partei, die in Deutschland bei der Europawahl die zweitmeisten Stimmen bekommen hat, will, dass diese Gemeinschaft zerstört wird. Dass unsere Nachbarn „remigriert werden“. Dass die „bunte Brücke“, von der Eko Fresh und Brings in einem Lied der Stunde singen, bricht.
Birlikte: Es darf nicht beim symbolischen Akt bleiben
Es darf nicht bei dem symbolischen Akt von Sonntag bleiben. Birlikte muss in der Stadt und über ihre Grenzen hinaus gelebt werden, in Vereinen und Verwaltungen, Unternehmen und bei der Begegnung mit Ressentiments in der Bahn. Feinde von interkultureller Gemeinschaft und freiheitlicher Demokratie müssen gestellt und als Demokratiefeinde entlarvt werden.
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Ministerpräsident Hendrik Wüst hatte sich schon im Vorfeld in einem Gastbeitrag für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ bei den Betroffenen der Keupstraße entschuldigt, die über Jahre hinweg von den Ermittlungsbehörden zu Unrecht beschuldigt, stigmatisiert und traumatisiert worden waren. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker schloss sich der Entschuldigung an. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gab zu: „Der Staat hätte schon in den 1990er Jahren den Rechtsextremismus systematischer beobachten und entschlossener bekämpfen müssen.“ Einigen Betroffenen erschienen die Worte leer: Auf Podien brach die Wut darüber durch, dass die Hintergründe der NSU-Anschläge, des Mordanschlags von Hanau, aber auch von Mölln und Solingen in den 1990er Jahren bis heute nicht richtig aufgearbeitet seien – die Opfer eben nur mit Worten abgespeist worden seien.
Auch Gesten – und im Falle von Hendrik Wüst war es eine beeindruckende – sind wichtig. Meral Sahin, Vorstand der IG Keupstraße, hat sich dafür auf der Bühne mit Tränen in den Augen bedankt. Sich zu entschuldigen und „aus den Fehlern zu lernen“, wie Steinmeier sagte, macht einen demokratischen Staat aus. Das heißt, nicht nur mit Worten und an einem wunderbaren Tag an der Seite von Opfern rechtsextremer Gewalt, Rassismus und Diskriminierung zu stehen. Sondern immer. Mit Worten, und vor allem mit Taten.