A3-Blitzer-FiaskoStadt Köln will Bußgelder zurückzahlen – Bürger müssen sich melden
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Köln – Weder Oberbürgermeisterin Henriette Reker noch Regierungspräsidentin Gisela Walsken wirken sonderlich gut gelaunt bei diesem Pressetermin, dafür ist der in den zurückliegenden Tagen entstandene Image-Schaden wohl einfach zu groß.
Seite an Seite sitzen die Behördenchefinnen im Konrad-Adenauer-Saal des Rathauses, um ihre Lösung für die durch das Blitzer-Fiasko geschädigten Autofahrer zu verkünden. Sofern der Stadtrat in seiner Sitzung am kommenden Dienstag zustimmt, wird die Verwaltung Hunderttausende zu Unrecht erhobene Bußgelder zurückzahlen.
Betroffene müssen von sich aus tätig werden
Um von dem „freiwilligen Ausgleichs-Programm“, so der Arbeitstitel für die bundesweit einmalige Aktion, profitieren zu können, müssen Betroffene von sich aus tätig werden und ein Online-Formular ausfüllen. Das Formular soll nur für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung stehen, sagte Stadtdirektor Stephan Keller; das genaue Datum sei noch nicht bestimmt.
Von März bis Dezember 2016 waren 400 000 Verkehrsteilnehmer auf der A 3 am Heumarer Dreieck widerrechtlich geblitzt worden. In Fahrtrichtung Oberhausen lösten die Messgeräte kurz hinter einer Baustelle bei Tempo 60 aus, obwohl eine solche Geschwindigkeitsbegrenzung wegen fehlender Verkehrszeichen überhaupt nicht bestand. Denn die Bezirksregierung hatte es versäumt, die erforderlichen Tempo-60-Schilder aufstellen zu lassen.
Rund elf Millionen Euro unrechtmäßig auf das Konto der Stadtkasse
„Die Situation hätte mein Haus sehen müssen“, gab Regierungspräsidenten Walsken zu. Für diejenigen Autofahrer, die nicht viel schneller als 60 km/h gefahren und dennoch geblitzt worden sind, „tut es mir leid“, sagte die Chefin Kommunalaufsicht. Das klang so wie der Ansatz einer Entschuldigung .
35 000 Bußgeldverfahren hat die Stadt nach Bekanntwerden der Blitzer-Panne im Dezember noch stoppen können. Bis dahin hatten allerdings bereits 365 000 Geblitzte rund elf Millionen Euro an die Stadtkasse überwiesen. „Ich habe von Anfang an gesagt, dass wir die zu Unrecht eingenommenen Gelder in Millionenhöhe nicht einfach im Haushalt belassen können“, betonte die parteilose, im Wahlkampf von der CDU, den Grünen und der FDP unterstützte Reker. Mit der nachträglichen Rückzahlung außerhalb der eigentlichen Verfahren „schöpfen wir den uns zur Verfügung stehenden Spielraum vollständig aus“.
Kein Einfluss auf Punkte im Flensburger Register
Nach einem über mehrere Tage andauernde juristischen Gezerre über mögliche Wege der Wiedergutmachung sagte Regierungspräsidentin Walsken (SPD) diesmal ihre Unterstützung zu. „Als zuständige Kommunalaufsicht werden wir auch den von der Stadt Köln entwickelten Weg konstruktiv begleiten.“
Die Stadt hat allerdings keinen Einfluss auf die Punkte im Flensburger Sündenregister. Wer zu Unrecht mit einem Eintrag belastet wurde, muss sich mit einem Gnadengesuch an die Bezirksregierung wenden. Die will über zu Unrecht verhängte Punkte und auch über Fahrverbote „bei Härtefällen einzelfallbezogen“ entscheiden.
Bezirksregierung soll für Schaden aufkommen
Der Stadtrat wird dem Vorschlag Rekers zustimmen. „Mit dem freiwilligen Rückzahlungsprogramm hat die Verwaltung nun einen schnellen und unbürokratischen Weg aufgezeigt. Diesen Weg werden wir unterstützen“, kündigte CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau an. Da die Bezirkregierung für das Blitzer-Fiasko verantwortlich sei, müsse sie die der Stadt entstehenden Verwaltungskosten „vollständig erstatten“, forderte Petelkau.
Das sehen die Grünen ähnlich. „Wir erwarten, dass gemäß dem Verursacherprinzip die Bezirksregierung für den entstehenden Aufwand auch aufkommt“, sagte deren Fraktionsgeschäftsführer Jörg Frank.
Mit welchem Verwaltungsaufwand ist zu rechnen?
SPD-Fraktionschef Martin Börschel findet es zwar „positiv, dass die Oberbürgermeisterin ihren Vorschlag, das zu Unrecht eingenommene Geld aus der Blitzer-Posse für die Stadtkasse zu behalten, nun doch nicht aufrecht erhält“. Indes sei die vorgeschlagene Lösung „viel zu kompliziert“. Angesichts des Behördenfehlers sei es unangemessen, dass die betroffenen Bürger von sich aus einen Antrag stellen müssen oder auf den Gnadenweg angewiesen sind.
Unterdessen will die FDP-Landtagsfraktion in einer kleinen Anfrage von der Landesregierung wissen, wer die Verantwortung für das Behörden-Wirrwarr trägt. Eine weitere Frage: Mit welchem Verwaltungsaufwand und mit welchen Kosten ist in den beiden Behörden zu rechnen?
Der Weg zur Erstattung
Wer sein Geld zurückhaben will, soll ein Online-Formular ausfüllen.
Punkte in Flensburg und Fahrverbote können von der Bezirksregierung auf Antrag im Gnadenweg aufgehoben werden. Die Behörde prüft, ob ein Härtefall vorliegt. Überschreitet ein Bußgeld 250 Euro, wird das Verfahren auf Antrag ohnehin neu eröffnet. Unklar ist, was geschieht, wenn wegen eines Fahrverbotes weitere Kosten entstanden sind.