Köln – Wir zeigen fünf Menschen, die beschlossen haben, sich in einer Partei zu engagieren und im Wahlkampf zu helfen. Sie verteilenFlyer, hängen Plakate auf, gehen von Haus zu Haus.
Alle fünf haben dabei die gleiche Erfahrung gemacht: Sie fühlen sich zufriedener, seit sie dem politischen Treiben nicht mehr nur tatenlos zusehen.
Carl Kurlanda: „Ich hatte schon immer den Impuls, mich zu engagieren“
An mehr als 200 Türen haben sie an diesem Abend geklingelt, jetzt machen Carl Kurlanda und seine Mitstreiter von der Jungen Union Feierabend. Die meisten Bewohner der Reihenhaussiedlung in Stammheim hätten sie freundlich empfangen, sagt der 19-jährige BWL-Student. Schön, dass mal jemand aus einer Partei vorbeikomme – solche Sätze hätten sie mehrfach zur Begrüßung gehört.
Einige Monate nach dem Abi am Mülheimer Herder-Gymnasium ist Carl Kurlanda Ende 2016 in die CDU eingetreten. „Ich hatte schon immer den Impuls, mich zu engagieren, aber das Politische hat erst so richtig nach der Schule angefangen“, sagt er. Für den ehemaligen Sänger im Domchor, Sohn eines Firmeninhabers und Enkel eines evangelischen Pastors, stehen „christliche Werte wie Nächstenliebe und das Bewahren der Schöpfung“ obenan. Außerdem brauche Deutschland „eine Regierung, die der Wirtschaft offen gegenübersteht“.
Im Grunde genommen, fügt er hinzu, „war die Junge Union für mich gesetzt“. Er fühle sich wohl in der politischen Gemeinschaft, habe Freunde gefunden und helfe vor der Bundestagswahl gerne mit. Und auch das habe er erfahren: „Über den Spaß hinaus tut man etwas für die Allgemeinheit, das macht zufrieden.“
Als Vorbilder sieht Carl Kurlanda Konrad Adenauer und Helmut Kohl, den er als „Vater der Wiedervereinigung“ beschreibt. Die eigenen Ambitionen? Darüber habe er noch gar nicht nachgedacht. Für die Bezirksvertretung oder den Stadtrat zu kandidieren, das könne er sich schon vorstellen. „Dort gestaltet man die Nachbarschaft mit.“ Jedenfalls sei es wichtig, sich beizeiten einzumischen. „Wenn man als Junger nicht die Stimme erhebt, bekommt man irgendwann ein Problem, weil die Älteren das Sagen haben.“
Noah Rademacher: „Ich halte Rechtspopulismus für eine große Gefahr“
Wahrscheinlich hat sein Geschichtslehrer einen gewissen Anteil daran, dass Noah Rademacher an diesem Nachmittag im Griechenmarktviertel auf ein Mäuerchen steigt, um an einem Laternenmast ein Wahlplakat anzubringen. Im Leistungskurs hätten sie oft über Politik gesprochen, sagt der 18-jährige Abiturient. Die Diskussionen in kleiner Runde hätten sein grundsätzliches Interesse noch verstärkt, so dass er vor knapp einem Jahr in die SPD eingetreten ist. „Um einen funktionierenden Sozialstaat aufzubauen, braucht man Sozialdemokratie“, begründet er seine Entscheidung.
Deutschland dürfe keinesfalls dahin kommen, wo sich beispielsweise die USA befänden, mit denen er sich im Englisch-Unterricht beschäftigt habe. „Der Staat muss sich um die Menschen kümmern“ – das ist einer der Leitgedanken des angehenden Studenten der Politik- und Rechtswissenschaften.Er nennt einen weiteren Grund, sich in einer Partei zu engagieren: „Ich halte Rechtspopulismus für eine große Gefahr.“
Für programmatische Diskussionen im Ortsverein findet sich vor der Bundestagswahl kaum Zeit. Flyer verteilen, Kandidaten bei Veranstaltungen vom Publikum aus unterstützen, Verteilaktionen auf Wochenmärkten – gefragt ist handfeste Hilfe.
Im Gespräch mit Noah Rademacher fällt mehrfach der Begriff „Sozialstaat“. Kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni, soziale Absicherung, wenn es mal nicht so gut läuft, vernünftige Renten, dafür wolle er sich einsetzen; sollte es sich irgendwann ergeben, möglicherweise auch in einer Bezirksvertretung oder im Stadtrat. Ganz allgemein wünscht er sich mehr junge Leute in der Politik. Vorbilder? „Ich finde, Justizminister Heiko Maas macht einen extrem guten Job. Und Willy Brandt ist mein Hintergrundbild bei Whatsapp.“
Benedikt Ball: „Von Zeit opfern kann keine Rede sein“
Jedes Mal, wenn Benedikt Ball jemanden vorbeigehen sieht, der prall gefüllte Einkaufstüten mit sich trägt, denkt er an die Folgen der Konsumgesellschaft. „Die Abhängigkeit unseres Wirtschaftssystems von stetigem Wachstum macht echte Nachhaltigkeit unmöglich“, sagt er. Und weil er daran etwas ändern will, ist er vor einem halben Jahr in die Linke eingetreten und hilft vor der Bundestagswahl an deren Stand auf der Schildergasse mit.
Die Linke sei „die einzige Partei im Bundestag, die sich für eine echte Solidarität in der Gesellschaft stark macht und gegen die zunehmende Spreizung von Einkommen und Vermögen angeht“. Dass man das auch anders sehen kann, hat der 23-jährige Student der Psychologie und der Philosophie in den zurückliegenden Wochen regelmäßig zu hören bekommen. „Viele von denen, für die wir uns einsetzen, sind überhaupt nicht offen für unsere Partei.“
Er erlebe ganz allgemein, „dass die Leute nicht darauf brennen, sich über Politik zu unterhalten“; zumindest nicht an einem Wahlkampfstand der Linken inmitten einer belebten Fußgängerzone. Dennoch findet es der Wahlkampf-Neuling spannend, um Stimmen zu werben. Nicht zuletzt deshalb, weil „die Linke den Mut hat, sich angreifbar zu machen“. Er selber wolle nicht mehr bloß zuschauen, wenn andere entscheiden. „Viele glauben, sie seien dem Leben ausgeliefert und könnten nicht viel ändern.“
Dabei müsse sich jeder selber fragen, wie viel er zu tun bereit ist, um die Gesellschaft mitzugestalten. Er betrachte seine Mitarbeit in einer Partei jedenfalls als Bereicherung. „Ich lerne sehr viel dazu, es ist eine intellektuelle Herausforderung.“ Von Zeit opfern könne keine Rede sein. „Ich fühle mich einfach besser dabei.“
Stephanie Bethmann: „Wir sind da und kümmern uns“
Stephanie Bethmann verlässt die Parteizentrale der Grünen am Ebertplatz mit einem Packen Wahlkampfzeitungen in den Armen und macht sich auf den Weg nach Chorweiler. Für Botendienste darf man sich nicht zu schade sein an der Basis, vor allem, wenn es um das Überleben der eigenen Partei im Bundestag geht.
Der Bezirk Chorweiler, in dem die 37-jährige IT-Expertin wohnt, zählt ohnehin nicht zu den Wohlfühlzonen der Grünen, die Zahl der aktiven Mitglieder ist überschaubar. „Nachdem ich im Frühjahr in die Partei eingetreten bin, bin ich direkt in den Landtagswahlkampf hineingesogen worden“, sagt Bethmann. Jetzt also die Bundestagswahl: Vor dem Einkaufszentrum am Pariser Platz Zeitungen verteilen und versuchen, mit Leuten ins Gespräch zu kommen, von denen viele „mit der Politik abgeschlossen haben“.
„Es geht für uns darum, den Menschen in Chorweiler zu zeigen, wir sind da und kümmern uns“, sagt Bethmann. Sie wolle der AfD etwas entgegensetzen, die zwischen den Hochhäusern gezielt Russlanddeutsche anspräche. „Da wird Schwach gegen Schwach ausgespielt“, findet die dreifache Mutter.
„Nachhaltigkeit“ sei ihr wichtig, Menschen gegenüber wie auch der Natur. Für sie bedeute das: ein schonender Umgang mit den Ressourcen, ein von Respekt und Achtung geprägtes Miteinander in der Arbeitswelt.
Als Kind einer Arbeiterfamilie glaubt sie, „dass die Grünen mehr Aufsteiger brauchen, die aus schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen stammen, und nicht nur Angehörige des Bürgertums“. Das Mitreden in Arbeitskreisen, mitentscheiden bei Abstimmungen, der Einsatz im Wahlkampf, all das gebe ihr „ein sehr zufriedenes Gefühl“, sagt sie. „Ich erlebe, da sind Leute, die nicht alles verloren geben und sich engagieren.“
Catherine Casser: „Dinge, die Deutschland durchrütteln“
Die schriftlichen Jura-Prüfung hat sie vor kurzem bestanden, die mündliche steht im Oktober an. Man könnte Catherine Casser also am Schreibtisch vermuten, stattdessen steht sie vor einem blau-gelben Blechcontainer am Neumarkt. Hier hält sie Passanten Informations-Broschüren entgegen und freut sich, wenn sie jemanden in ein blau-gelbes Gespräch ziehen kann. Anfang des Jahres ist die 26-Jährige in die FDP eingetreten, jetzt hilft sie zum ersten Mal im Wahlkampf mit.
„Ich war schon immer politisch infiziert, ich fand es wichtig, mich dafür zu interessieren“, sagt die Tochter einer Architektin und eines Anwalts. Im Studium habe sie Einblicke in Staatsrecht und Verfassungsrecht bekommen. Von da an habe sie den Politbetrieb „mit geschulterem Auge wahrgenommen, so dass ich nachvollziehen konnte, was da passiert“. Seit zwei Jahren arbeite sie ehrenamtlich in einem Flüchtlingscafe. Letztlich seien es eine Reihe von Ereignissen gewesen, die sie dazu bewogen, sich einer Partei anzuschließen. Neue Strömungen wie die AfD, die Flüchtlingspolitik, der Brexit: „In letzter Zeit sind Dinge passiert, die Deutschland durchrütteln“. Und sie habe „das Gefühl, dass es momentan enorm wichtig ist, in der Politik mitzumachen“.
Eine andere Partei als die FDP wäre für Catherine Casser kaum in Frage gekommen. „Mir gefällt das liberale Konzept, es entspricht meiner Lebenseinstellung.“ Ihr Ideal sei „ein Staat, der nicht zu viel reguliert, einen aber auffängt, wenn man mal stolpert“. Häufig sei von der Politik- und Parteienverdrossenheit der Jugend zu hören. Das finde sie unfair. „In meinem Bekanntenkreis wird sehr viel über Politik diskutiert, wenn wir uns treffen und in den sozialen Medien. Aber vielleicht nehmen das die Älteren nicht so wahr.“