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Inferno vor 40 JahrenBrand am Fühlinger See war der größte der Kölner Nachkriegszeit

Lesezeit 5 Minuten
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Ein Hubschrauber fliegt an der großen Rauchwolke vorbei.

Köln – Mitten im „Deutschen“ Herbst 1977 dachten viele an einen Anschlag der RAF. Doch ausnahmsweise sorgten keine Links-Terroristen für Schlagzeilen: Das Feuer, das als bisher größte Brandkatastrophe Kölns nach dem Zweiten Weltkrieg gilt, war „nur“ auf fahrlässige Brandstiftung zurückzuführen. „Beispielsweise durch Rauchen oder offenes Feuer“, wie es in einem Bericht der Kölner Berufs-Feuerwehr hieß. Kein Terrorakt also, sondern Unachtsamkeit.

Sorge um Kollegen

Als am 20. Oktober 1977 das „Zentrale Ersatzteilelager“ der Kölner Ford-Werke an der Edsel-Ford-Straße in Merkenich in Flammen aufging, stand Erwin Klein in etwa 200 Metern Entfernung am Fühlinger See auf einem Hügel und hatte beim Anblick der riesigen schwarzen Rauchsäulen und explodierender Teile ein „beklemmendes Gefühl“.

Was ist mit den Kollegen, die in der 109 000 Quadratmeter großen Halle arbeiteten? Was wird aus ihren Arbeitsplätzen? „Keiner wusste, wie es weitergeht“, sagt Klein. Bernd Tuchen fuhr gerade über die Autobahn 61 in Richtung Köln und sah den Rauch schon von Weitem über der Stadt aufsteigen. Er erfuhr aus dem Radio, dass sein Arbeitsplatz gerade in akuter Gefahr war.

Bernd Tuchen

Zeitzeuge Bernd Tuchen.

Beide Zeitzeugen waren bei Ford beschäftigt und blieben es danach noch lange. Aber die Unsicherheit war am 20. Oktober 1977 groß. Erwin Klein, damals 28 Jahre alt und bei Ford Lkw-Fahrer, sollte an diesem Nachmittag in Merkenich Ersatzteile abholen.

Stattdessen beobachtete er drei, vier Stunden lang zusammen mit Kollegen, wie 250 Feuerwehr-Leute gegen das Inferno ankämpften. Bernd Tuchen, Mitarbeiter in der Werbe- und Verkaufsförderung im Ersatzteilelager, versuchte, an den Brandort zu gelangen, wurde aber von einem Polizisten weggeschickt. Er fuhr nach Hause und verfolgte die Katastrophe im Fernsehen.

Schutt türmte sich meterhoch

Als die Feuerwehr nach Stunden die Gewalt des riesigen Brands gebrochen hatte, schien die Trümmerwüste grenzenlos zu sein: Meterhoch türmte sich der Schutt auf, die Reste des Daches hingen in Streifen zerrissen darüber.

Von den Ersatzteilen, die im Kölner Norden für Ford-Händler in Deutschland und ganz Europa vorgehalten wurden, war nichts mehr übrig geblieben. Der geschätzte Gesamtschaden laut Ford: 425 Millionen D-Mark. In anderen Quellen ist von 500 Millionen D-Mark Sachschaden die Rede. Dazu kamen etliche Millionen Verlust durch Umsatzeinbußen. Der Verursacher des Brandes konnte nie ermittelt werden.

„Es gab laute Explosionsgeräusche“

Um 14.35 Uhr rückte die Ford-Werkfeuerwehr aus, nachdem ein Sprinkler angesprungen war. Sechs Minuten später wurde die Kölner Berufsfeuerwehr zur Unterstützung angefordert. Am Ende waren neun Löschzüge der Berufsfeuerwehr, zwei Werkfeuerwehren, mehrere Löschgruppen der Freiwilligen Feuerwehr und einige Einheiten der Katastrophen-Hilfsdienste im Einsatz. Eine halbe Stunde lang konnten die Brandbekämpfer innerhalb der Halle löschen, dann folgte der überstürzte Rückzug ins Freie.

Weil Dachteile herunterfielen und sich Feuer und Hitze ständig vergrößerten, verließen die Hilfskräfte die Halle und ließen – zwangsläufig – Geräte im Wert von 20.000 D-Mark zurück.„Es gab laute Explosionsgeräusche“, erinnert sich Erwin Klein: „Andauern flogen Farb- und Spraydosen in die Luft.“

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Feuerwehrmänner blicken mit Abstand auf das Feuer.

Die Nähe des Ersatzteil-Lagers zum Fühlinger See erweist sich als Glücksfall. Weil die Druckwasserversorgung wegen geplatzter oberirdischer Rohrleitungen in der Halle zusammen brach, pumpt die Feuerwehr 15.000 Liter Seewasser pro Minute in das Feuer. Das angrenzende Verwaltungs- und Sozialgebäude mit wertvollen Computeranlagen für die Lagertechnik kann sie vor Zerstörung bewahren, doch die acht Meter hohe Ersatzteilhalle ist hinüber – inklusive Stahlblechen, Lenkrädern, Konsolen oder Gummi-Matten von Modellen wie Taunus, Granada, Capri oder Escort.

Was nicht verbrennt, schwimmt im Wasser

Auch das so genannte Drucksachenlager mit tausenden Ersatzteilkatalogen und Bedienungsanleitungen verbrennt. Nur eine Schreinerei und zwei in die Ersatzteilhalle integrierte Großraumbüros werden kein Raub der Flammen, dafür sammelt sich hier massenhaft Löschwasser. „Am Tag nach dem Feuer sind wir mit Gummistiefeln reingegangen, um unsere Sachen zu retten“, sagt Bernd Tuchen, der seinen Schreibtisch räumen muss. Er und viele andere Angestellte ziehen für einige Jahre in ein Gebäude der Rheinischen Braunkohle AG an der Apostelnstraße um.

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Ein Hubschrauber fliegt an der großen Rauchwolke vorbei.

Die Ford-Händler werden unterdessen vom englischen Zentrallager Daventry und von kleineren Übergangs-Lagern in Köln und Umgebung bedient. „Wir haben wenige Tage nach dem Brand Zeitungs-Anzeigen geschaltet, in denen ein englischer Lkw einen deutschen Händler beliefert“, sagt Bernd Tuchen: „Um zu dokumentieren, dass die Belieferung weiter geht.“ Trotzdem müssen viele Werkstatt-Kunden lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Und Tuchen und seine Kollegen arbeiten in den folgenden Wochen fast pausenlos, um den Verwaltungsapparat wieder ans Laufen zu kriegen.

Inferno kostete keine Menschenleben

Menschen kamen zum Glück nicht ums Leben, die 1100 Beschäftigten der Halle und 300 Büroangestellte konnten rechtzeitig evakuiert werden. Am Ende erlitten lediglich drei Angehörige der Werkfeuerwehr Rauchvergiftungen. Der Wiederaufbau der neuen und größeren Halle ging äußerst schnell vonstatten, schon nach einem Jahr konnten in den neuen Gebäuden 60 Prozent der Ersatzteil-Lieferungen abgewickelt werden.

Die Sicherheits-Vorkehrungen wurden verschärft – unter anderem durch den Einbau eines verbesserten Sprinkler-Schutzes. In einem Bericht von 1978 kam die Feuerwehr zu dem Ergebnis, dass die abgebrannte Halle zwar mit diversen Brandschutzeinrichtungen ausgestattet war, dass am Ort des Brandausbruchs die Sprinkleranlage aber nicht ausreichend für die dort herrschenden Risiken dimensioniert war. Die Ersatzteile hätten dort in sechs Meter hohen Regalen gelegen. Gemessen an der Kapazität der Sprinkleranlage hätten sie aber nur 3,5 Meter hoch gestapelt werden dürfen, so die Experten.

Für Besitzer alter Ford-Autos hat das Kölner Großfeuer bis heute Konsequenzen. Es seien auch viele Teile älterer Ford-Modelle zerstört worden, die später nicht mehr nachproduziert wurden, sagt Erwin Klein. „Ohne den Brand wäre es für Ford-Oldtimerbesitzer heute leichter, Ersatzteile aufzutreiben.“ Als Eigentümer eines Fords von 1957 weiß er, wovon er spricht.