Köln – Seit mehr als zwei Stunden sitzt Ivo in seinem Mercedes am Taxistand in der Innenstadt und wartet auf Fahrgäste. Vergebens, wie so oft in den vergangenen Wochen. Der Dezember ist sonst eine einträgliche Zeit, erzählt er. Menschen wollen schwer beladen mit Geschenken nach Hause oder zu Weihnachtsfeiern und Verwandten. „Jetzt bin ich froh, wenn ich drei Fahrten am Tag habe. Und damit mache ich Minus, davon kann ich die laufenden Kosten nicht bezahlen“, sagt Ivo, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Denn er schäme sich ein bisschen, erklärt er. „Weil ich arbeite und trotzdem nichts verdiene.“
Kölner Taxi-Ruf: „Situation ist katastrophal“
Die Corona-Pandemie hat auch die Taxibranche in eine schwere Krise gestürzt. Die Gastronomie geschlossen, Kulturveranstaltungen und Messen abgesagt, Feiern kaum möglich, es gelten strenge Reisebeschränkungen und überhaupt sind die Menschen angehalten, möglichst zu Hause zu bleiben – in der Folge bleiben die Passagiere aus. „Die Situation ist katastrophal“, sagt Oguzhan Ogul, Vorstandsmitglied des Taxi-Rufs Köln, der mit Abstand größten Taxizentrale der Stadt. Im Durchschnitt verzeichnet der Taxi-Ruf rund 4500 Fahrten pro Tag. „Sonst haben wir das Vierfache“, sagt Ogul. An den eigentlich lukrativen Wochenenden verdiene ein Fahrer täglich zwischen 30 und 100 Euro, anstatt bis zu 500 Euro. Ogul fährt ab und zu selbst noch Kunden. Sein persönlicher Minusrekord aus den vergangenen Tagen: Neun Stunden warten, 6,70 Euro eingenommen. Es kam ein einziger Kunde.
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Von den mehr als 1000 im Taxi-Ruf angeschlossenen Wagen fahren derzeit nur 600 durch die Stadt, sagt Ogul. Die Besitzer der anderen 400 Taxis haben eine „Befreiung von der Betriebspflicht“ beantragt, denn Taxis sind als Teil des Öffentlichen Personennahverkehrs eigentlich verpflichtet, zu fahren. Aber der Betrieb lohnt sich derzeit einfach nicht, die Autos stehen in Garagen, während die Fahrer bessere Zeiten herbeisehnen.
Kampf an Kölner Taxiständen
Stammkunden, ein bisschen was kommt durch Krankenfahrten rein, auch die ein oder andere Botenfahrt – etwa von Corona-Tests von Krankenhäusern zu medizinischen Laboren – ist dabei. „Aber das sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Ogul. In ihrer Verzweiflung bieten einige Fahrer einen Einkaufsservice an und holen für die Kunden Lebensmittel aus dem Supermarkt, erzählt Ogul. An den Taxiständen tobt ein Kampf um die wenigen Fahrten. „Wenn die Kollegen am einen Stand hören, dass woanders mehr los ist, fahren sie fast schon in Panik dort hin“, berichtet Ogul. „Die Existenzangst macht einen kaputt.“
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Einzig die finanziellen Corona-Hilfen für das Taxi-Gewerbe, KfW-Kredite und Kurzarbeitergeld halte die Branche am Leben, sagt Ogul. Doch bei einigen kommen diese Hilfen nicht an. Ein Kollege, erzählt Ogul, habe im Januar, kurz vor Ausbruch der Pandemie, ein Taxi gekauft und seinen Betrieb gestartet. Wer Unterstützung bekommen möchte, muss aber sein Gewerbe bereits 2019 angemeldet haben, weshalb der wegen des Taxikaufs verschuldete Mann nun leer ausgehe. „Er hält nur deshalb noch durch, weil er von seiner Familie unterstützt wird“, so Ogul.
„Die Situation war noch nie so dramatisch“, sagt auch Alexander Tritschkow, Geschäftsführer von Taxi 17. Von 80 Wagen, die über das Unternehmen vermittelt werden, fahren derzeit 35. Aktuell liege der Umsatz 70 Prozent niedriger als an den Vorjahren. „Manche fangen an, ihre Altersvorsorge aufzubrauchen, andere haben ihre Ersatzfahrzeuge verkauft. Auch sind einige Fahrer gegangen, weil sie mit dem Kurzarbeitergeld nicht auskamen“, sagt Tritschkow. Anders als der Taxi-Ruf stehen Tritschkows Wagen nicht an prominenten Stellen wie dem Hauptbahnhof, dem Flughafen oder an großen Hotels. Einnahmen kommen auch hier vor allem durch Stammkunden, Kranken- und Botenfahrten sowie Passagiere, die an der Straße einen Wagen heranwinken, zustande. Für die Silvesternacht macht sich Tritschkow keine Illusionen: „Das ist sonst einer der umsatzstärksten Tage im Jahr. Da war alles auf der Straße, was Räder hatte. Aber dieses Mal wird das kaum etwas einbringen.“
Auswirkungen auch nach der Pandemie
Tritschkow glaubt, dass die Pandemie auch nach ihrem Ende auf das Taxigewerbe wirken wird. „Das Mobilitätsverhalten hat sich geändert. Die Menschen werden zum Beispiel sicherlich nicht mehr so viel reisen.“ Durch Homeoffice und Videokonferenzen etwa, die derzeit häufig Präsenz-Meetings ersetzen, werden so einige Geschäftskunden ausbleiben. Car-Sharing-Unternehmen und Mietroller setzten der Branche überdies zu, auch wenn das nicht erst seit Corona der Fall ist. Auch Ogul blickt sorgenvoll in die Zukunft: „Ich glaube, 40 bis 50 Prozent des Taxigewerbes stirbt.“