Als viele noch nicht wussten, wie man „Quarantäne“ überhaupt schreibt, steckte der 53-Jährige im März 2020 schon mittendrin.
„Hat mich geprägt“Feuerwehrmann Dirk Irmen infizierte sich als einer der ersten in Köln mit Corona
Den Aschermittwoch vor fünf Jahren hat Dirk Irmen noch gut in Erinnerung. „Ich hatte einen 24-Stunden-Dienst. Wir sind ziemlich viele Einsätze gefahren an dem Tag, haben oft im Fahrzeug gesessen.“ Als Wachabteilungsführer der Feuerwache 5 in Weidenpesch ist der feste Platz des 53-Jährigen im Löschfahrzeug eigentlich vorne rechts, aber da sitzt an diesem Tag ein Praktikant. Irmen nimmt ausnahmsweise hinten bei der Mannschaft Platz.
Direkt neben ihm: ein Kollege, der elf Tage vorher an einer Karnevalssitzung teilgenommen hat. „Kappensitzung“ hieß die Veranstaltung, eine beliebte Feier in Gangelt, einem 13.000-Seelen-Ort im Kreis Heinsberg nahe der niederländischen Grenze. Manche verpassen dem Ort später das Etikett „Deutsches Wuhan“, nach der 14-Millionen-Einwohner-Stadt in China, wo Corona Ende 2019 vermutlich seinen Ursprung nahm.
Köln: Angesteckt bei einem Kollegen, der in Heinsberg Karneval gefeiert hat
Die „Kappensitzung“ wird Mitte Februar 2020 zum ersten „Superspreader“-Event in Deutschland. Denn mitten unter den 450 Gästen feiern auch zwei Karnevalisten, die mit dem Sars-Cov-2-Virus infiziert sind, das aber nicht wissen. Fast 200 Menschen erkranken an diesem Abend an Corona. Unter ihnen auch der Kölner Feuerwehrmann, der an Aschermittwoch – ebenfalls unwissentlich – seinen Kollegen Dirk Irmen ansteckt.
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Die beiden Brandbekämpfer waren der zweite und dritte bestätigte Corona-Fall in Köln. Als „Patientin Null“, also Ersterkrankte, gilt eine 28 Jahre alte Frau aus Nippes. Auch sie hatte Kontakt zu den Jecken in Gangelt. Auf der Isolierstation des St. Vinzenz-Hospital in Nippes wird ihr am 28. Februar, dem Freitag nach Aschermittwoch, das Ergebnis ihres Corona-Tests mitgeteilt: positiv.
Am Samstag spürt auch Dirk Irmen erste Symptome. Er ist mit seiner Frau auf Kurzurlaub in St. Peter-Ording, als die Nase zu laufen beginnt. Irmen hustet, hat Kopfschmerzen, fühlt sich unwohl. Vom Corona-Virus hat er da natürlich schon gehört, die erste Infektion in Deutschland, in Bayern, ist einen Monat her, die Feuerwehr Köln hatte ihre Einsatzkräfte bereits sensibilisiert. „Es hieß sinngemäß, dass das wahrscheinlich auch nach Köln kommen wird“, sagt Irmen. Aber es gab zu dem Zeitpunkt noch keine staatlichen Auflagen, keine Tests, keine besonderen feuerwehrinternen Schutzmaßnahmen. „Alles steckte noch in den Kinderschuhen“, erinnert sich der Brandamtsrat im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Am Donnerstag dieser Woche sitzt Dirk Irmen an einem Besprechungstisch in der Führungsetage bei der Kölner Berufsfeuerwehr in Weidenpesch. Inzwischen hat er drei Corona-Infektionen hinter sich, aber die erste, sagt er, war die schwerste. Nach drei, vier Tagen seien die Symptome abgeklungen. Dass er einer der ersten war, die in Köln an dem Virus erkrankten, nennt er heute „prägend“, die Zeit in der häuslichen Isolation „beklemmend“. Irmen sagt: „Welche Einschränkungen da auf einmal alle auf einen einprasselten – das hat mich schon gewundert und mir eine andere Sicht aufs Leben gegeben.“
Köln: Infizierter Feuerwehrmann verbrachte vier Wochen in Isolation
Eine weltweite Pandemie war in jenem Frühjahr 2020 für alle neu, aber für den Kölner Feuerwehrmann in besonderem Maße. Denn während viele noch unsicher waren, wie man „Quarantäne“ überhaupt schreibt, steckte der 53-Jährige schon mittendrin. Zusammen mit seiner Frau, die er angesteckt hatte. Zwei seiner erwachsenen Kinder quartierten sich sicherheitshalber aus dem gemeinsamen Haus im Rhein-Erft-Kreis aus, die beiden anderen blieben daheim, aber stets mit Abstand zu den Eltern. Sie wurden nicht infiziert.
Nach zwei Wochen Isolation, einem Hausgrundputz, ungezählten Runden im eigenen Garten und vielen Stunden auf Netflix durfte Irmen sich erstmals freitesten. Die Feuerwehr verlangte damals zwei negative Tests in 24 Stunden. Der erste war negativ, der zweite positiv. Irmen musste weitere zwei Wochen zu Hause bleiben. „Das hat mich wirklich geärgert“, erinnert er sich. „Aber so waren eben damals die Regeln.“
Hatte er anfangs Sorge vor der Infektion und den Folgen? „Nein. Meine Frau ist Kinderkrankenschwester, ich bin Berufsfeuerwehrmann. Wir können Krankheiten ganz gut einschätzen.“ War er sauer auf seinen Kollegen aus dem Löschfahrzeug? Irmen lacht. „Um Gottes Willen, nein.“ Hatte er ein schlechtes Gewissen gegenüber seinen Kollegen? Immerhin mussten alle 20 Mann aus seiner Abteilung vorsichtshalber in Quarantäne, wenngleich nur ein weiter von ihnen letztlich infiziert wurde. „Nee, auch nicht“, sagt Irmen. Blöde Sprüche habe er sich trotzdem anhören müssen, als er nach vier Wochen wieder in den Dienst zurückkehrte.
Denn da war die Welt auf der Wache plötzlich eine andere. Auf dem Löschfahrzeug herrschte Maskenpflicht, die Feuerwehr hatte Nebengebäude angemietet, damit sich die Dienstgruppen aus dem Weg gehen konnten. Gegessen wurde nur in kleinen Gruppen, die Aus- und Fortbildung lag brach, Dienstsport und Treffen mit Kollegen anderer Wachabteilungen waren untersagt. Die morgendliche Besprechung, die für gewöhnlich im Stehen in der Fahrzeughalle stattfand, wurde jetzt in der Sporthalle abgehalten – im Sitzen, mit zwei Metern Abstand. „Toll, den schicken Stuhlkreis haben wir dir zu verdanken“, frotzelten die Kollegen.
In seinem Wohnort im Rhein-Erft-Kreis war Irmen der erste mit Corona. Das sprach sich schnell herum. „Ich habe viele Anrufe und Whatsapp-Nachrichten bekommen, teilweise auch unschöne.“ Freunde und Bekannte reagierten zurückhaltend, erinnert er sich. Als er schon längst wieder negativ war, habe eine Verkäuferin im Ort ihn trotzdem nur durch den Türspalt bedient. Die allgemeine Verunsicherung war groß.
Heute sieht Dirk Irmen das gelassen. Auch wenn die Corona-Zeit herausfordernd gewesen sei – „alles in allem“, findet er, „sind wir am Ende doch noch ganz gut da durchgekommen.“