Für viele Menschen gehören Drogen zum Feiern dazu. Unsere Autorin begleitete einen MDMA-Konsumenten bei einer Partynacht in Köln.
„Ich schwebe über dem Boden“Wie ein MDMA-Konsument eine Partynacht in Köln erlebt
Es ist Samstagnacht, Sonntagmorgen. In einem kleinen, urigen Keller in Köln stehen hunderte Menschen nach vorne ausgerichtet, zum Mischpult. Melodische Elektromusik brummt, summt, scheppert durch den Raum. Im Takt tanzen die Feiernden gen DJ. Sie sind in ihrem eigenen kleinen Kosmos und durch die Musik miteinander verbunden – distanzierte Nähe.
Mittendrin tanzt Hannes S. (Name geändert), ausgelassen, lächelnd, mit geschlossenen Augen. Sein Körper bebt im Takt, seine Arme imitieren die Schwingungen, sein Kopf schwingt zur Melodie. Er scheint die Musik mehr zu fühlen als viele um ihn herum. Der Grund ist seine Liebe zu Techno, vermutlich auch 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin, kurz MDMA. Eine synthetische Partydroge, die seine Nervenzellen im Gehirn stimuliert, seine Stimmung und Wahrnehmung verändert.
MDMA ist nicht gleich Ecstasy
Seine erste Erfahrung mit Partydrogen hatte der Kölner Student 2018. „Da habe ich ein Teil in die Hand gedrückt bekommen, das zerbrochen, mit einem Freund geteilt und es einfach ausprobiert“, erzählt Hannes in einem Vorgespräch in der Wohnung einer Freundin. Neugier habe ihn angetrieben und der Drang, mit seinem Körper zu experimentieren. Andere Drogen wie Alkohol, Cannabis oder LSD hatte er schon ausprobiert, als er die Ecstasy-Pille entgegennahm. Was wirklich in der Pille war und vor allem wie viel, wusste er nicht.
Während MDMA und Ecstasy häufig synonym verwendet werden, liegt zwischen ihnen ein triftiger Unterschied: MDMA ist die reine Substanz, der reine Wirkstoff. Ecstasy beinhaltet meistens MDMA, es sind aber auch andere Inhaltsstoffe wie Koffein, Speed oder Ephedrin beigemischt. Diese sorgen hauptsächlich dafür, dass die Konsumenten nicht nur euphorisiert, sondern auch wacher werden. Sie erhöhen laut der amerikanischen Forschungsbehörde National Institute on Drug Abuse (NIDA) auch das Risiko gesundheitsschädlicher Auswirkungen.
Was Hannes 2018 genommen hat, weiß er bis heute nicht. Er weiß nur: Er hatte keine schöne Erfahrung damit. „Ich war in einem Tunnel, einem Film, in dem Zeit und Raum verflossen sind“, erinnert er sich, „ich hatte zwar noch Kontrolle über meinen Körper, aber die Erinnerung ist sehr betrübt“. Ihm hat dieses trübe Gefühl nicht gefallen. Es gefällt ihm auch heute nicht. Anders ist es bei der Wirkung von reinem MDMA in Kristallform, wie er ein Jahr später feststellt. „Es hat mir richtig gut gefallen, meinen Körper so intensiv zu spüren“, erzählt der 26-Jährige.
Mittlerweile konsumiere Hannes meistens, wenn er zu Techno Feiern geht, was in der Regel ein bis zweimal im Monat sei. Er könne auch ohne MDMA Party machen, ihm gefalle es aber mit noch besser. Nach intensivieren Phasen, wie beispielsweise Festivals, mache er längere Pausen, um seinem Körper Ruhe zu geben. Der regelmäßige, hohe Konsum der Droge könne zu Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Depressionen, Herzerkrankungen und Impulsivität führen, schreibt NIDA.
Kontrolle durch Dosierung
Das Wichtigste sei für ihn, die Partydroge bewusst zu nehmen, sagt Hannes. Das bedeute, dass er sich nicht betäube, den Konsum vor- und nachbereite und nur konsumiere, wenn er sich wohlfühlt: „Mir ist es wichtig zu wissen, dass mich die Droge nicht aus einer schlechten Laune holen kann“, sagt er, „sie intensiviert alles, also auch negative Gefühle“. Er achte deshalb auf eine sichere Umgebung und kontrolliere die Dosierung stark. Eine hohe Dosierung kann laut NIDA zu Symptomen wie Bluthochdruck, Ohnmacht, Panikattacken und in schweren Fällen Bewusstseinsverlust und Krampfanfälle führen.
An dem Samstag präpariert Hannes beim Vorglühen mit einer Freundin und einem Freund die kristalline Droge für sich – die beiden anderen konsumieren Alkohol, kein MDMA. Es sieht aus wie grobes Meersalz, „schmeckt auch ein bisschen so, nur chemischer“, meint Hannes. Auf einem alten Briefumschlag zerhackt er die kleinen Kristalle mit einem Küchenmesser und füllt sie in Kapseln – circa 50 Milligramm, abgewogen auf einer kleinen, alten Waage, die für das Abwiegen von Cannabis bekannt ist.
Der durchschnittliche Wirkstoffgehalt von Ecstasy-Pillen lag laut Statista 2019 bei gut 170 Milligramm. So viel brauche er nicht, um die Wirkung zu haben, die er spüren will, sagt Hannes. Über die Jahre hat er sich ausprobiert, herangetastet und festgestellt, dass er am liebsten zum Einstieg in den Abend 40 bis 50 Gramm nimmt. „Das ist für mich die beste Dosis, um voll und ganz in meinem Körper zu sein, ihn intensiv zu spüren, die Musik wahrzunehmen und trotzdem klar zu sein“, sagt er, „nachlegen kann ich immer noch, wenn ich einen stärkeren Effekt haben möchte“.
Er packt sich deshalb die zwei Kapseln ein, nimmt sie mit in den Club, aus dem der Bass bereits nach außen drückt. Kontrolliert wird Hannes nicht, nur seine Handykamera wird abgeklebt. „Es ist eine Art unausgesprochenes Gesetz, dass nicht kontrolliert wird“, erzählt er, „der Club soll ein Safespace sein und jede, jeder kann machen, was sie, er will, solange niemanden etwas getan wird“.
„Mein Körper, meine Bewegungen fühlen sich flüssiger an“
So nimmt Hannes eine Kapsel, spült sie mit Mate herunter, stellt sich einen Timer – der Konsum ist immerhin sein ständiges Experiment – und hüpft auf die Tanzfläche, auf der die Menschen bereits in ihren eigenen Kosmos tanzen. Wer Drogen konsumiert hat oder nicht, ist nicht zu erkennen. Alle sind auf ihrem eigenen halben Quadratmeter in der Musik versunken, friedlich, in naher Distanz. Geht man auf Toilette, verschwinden immer wieder Leute für halbe Minuten zu zweit in der Kabine, ohne sie abzuschließen, sprechen einen an. Auch Hannes wird gefragt, ob er etwas verkauft. Ein Thema, das außerhalb des Clubs, außerhalb der Szene gemieden, verschwiegen wird, ist hier Normalität.
Nach 24 Minuten spürt Hannes erste Veränderungen in seinem Körper, das Rauschmittel hat langsam seine Nervenzellen erreicht. Er fühle sich gut, eine Mischung zwischen klar und beschwingt. „Es breitet sich ein warmes Gefühl aus. Mein Körper, meine Bewegungen fühlen sich flüssiger an“, erklärt Hannes glücklich über die laute Musik. Er setzt seine Sonnenbrille auf, versinkt wieder in der musikgeleiteten Trance.
40 Minuten später hat sich die Wirkung weiter entfaltet. „Sie ist jetzt im ganzen Körper und auch im Kopf angekommen“, beschreibt Hannes: „Ich fühle mich schwebend, als wäre ich einen Zentimeter über dem Boden“. Der Bass verteile sich in seinem Körper und nicht nur in seiner Brust. „Er verteilt Wellen, sodass ich mich bewegen muss“. Sein gesamter Körper tanzt, er bewegt nicht nur Beine und Arme, sondern lässt alle Körperteile beben.
MDMA wirkt entwässernd und temperaturssteigernd
Als er eineinhalb Stunden nach Einnahme das Okay-Zeichen mit seinen Fingern formt, tanzt er es bis in die letzte Fingerspitze aus. Laut PsychonautWiki, eine offene Inhaltsplattform, die über die Wirkung von Drogen informiert, ist Hannes nun in der Hochphase von MDMA. In der Zeitspanne ist die Intensität der Wirkungen der Substanz am höchsten. Eine Wasserflasche steckt mittlerweile dauerhaft in seiner Westentasche. Er will hydriert bleiben, ein weiterer Aspekt, um so bewusst und sicher wie möglich zu konsumieren.
MDMA wirkt laut NIDA entwässernd und temperatursteigernd. Die bedeutendste akute Gefahr beim Konsum ist deshalb Überhitzung. MDMA kann auch andere gesundheitsschädliche Wirkungen haben. NIDA gibt beispielsweise unwillkürliches Zusammenpressen der Kiefer, Appetitlosigkeit, leichte Selbstvergessenheit, unlogische oder ungeordnete Gedanken, unruhige Beine, Übelkeit, Hitzewallungen oder Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Schwitzen und Muskel- oder Gelenksteifheit an.
„Mein Zeitgefühl ist mittlerweile verzerrt. Die erste Stunde hat sich mega kurz angefühlt“, sagt Hannes gut zweieinhalb Stunden nachdem er die verkleinerten MDMA-Kristalle heruntergeschluckt hat. Er spüre die Wirkung intensiv: „Ich bin happy mit der Dosis und muss nicht mehr nehmen heute“. Er will nur noch die Musik und den Bass spüren, sich fallen lassen. Und so tanzt Hannes ohne Pause, während seine Nervenzellen im Gehirn durch das MDMA Serotonin ausschütten und Noradrenalin und Dopamin freisetzen.
Gut dreieinhalb Stunden nach Einnahme beschließt Hannes zu gehen. Das MDMA wirkt zwar noch, aber er spürt, dass er müde wird, die Musik nicht mehr fühlt, sie sei mittlerweile zu monoton. „Das ist das Gute an der kontrollierten Dosierung“, meint er, „ich spüre, dass mein Körper schlapp macht, kann jetzt einfach nach Hause gehen und schlafen“. Am nächsten Tag fühlt er sich gut, aber schlapp, erzählt er, „das kann auch an dem ganzen Tanzen liegen“.