Lösungen für eine nachhaltige Mobilität. Darum geht es im Experten-Forum „Radkomm“, das am kommenden Samstag, 20. Juni, zum sechsten Mal in Köln stattfindet.
Mitbegründerin Ute Symanski spricht über die Situation für Radfahrer in Köln – und erklärt, was aus ihrer Sicht in Sachen Kölner Radverkehr noch zu tun ist.
Köln – Frau Symanski, freut es Sie, dass die Corona-Pandemie in vielen Städten dazu geführt hat, dass die Menschen häufiger das Fahrrad benutzen?
Ja, natürlich. Ich finde es super, aber es wundert mich auch überhaupt nicht, denn was läge näher, als jetzt aufs Fahrrad zu steigen.
Aber es ergaben sich Probleme, weil es auf bestimmten Strecken enger geworden ist, dadurch dass mehr Menschen mit dem Rad unterwegs sind.
Ich würde nicht von Problemen sprechen, sondern davon, dass jetzt die Unzulänglichkeiten deutlicher zutage treten. Das Dilemma war und ist natürlich die ungerechte Flächenverteilung, die daraus entstand, dass den Radlern auf der Straße jahrzehntelang kaum Platz eingeräumt wurde. Jetzt aber benötigen wir – bedingt durch die nötig gewordenen Abstände – genauso viel Platz wie ein Auto. Da zeigt sich, dass die Straßen überhaupt nicht für den Menschen gemacht sind. Die Lösung des Problems gibt es schon.
Spielen Sie auf das Konzept der Neuverteilung des Raums auf der Straße an?
Genau davon ist die Rede. Sie ist schon an vielen Orten der Welt umgesetzt , etwa in Bogotà, Paris oder Groningen – nur in Köln nicht. Pop-up-Radwege, also Radwege, die in einer akuten Gefahren- oder Krisensituation oder bei plötzlich veränderten Rahmenbedingungen im Straßenverkehr beispielsweise schnell für mehr Platz und Sicherheit im Radverkehr sorgen, wären sehr leicht umzusetzen, sind auch von der Straßenverkehrsordnung her gedeckt. Das Einzige, was man dafür braucht, ist den Willen, es zu tun. Den vermisse ich in dieser Stadt.
Vor fünf Jahren haben Sie das Kölner Forum Radverkehr, kurz die „Radkomm“ mitbegründet. Ist die Stadt in Sachen Infrastruktur für den Radverkehr seitdem vorangekommen?
Sagen wir mal: Jein. Wir haben auf einer Ebene viel erreicht, indem wir es geschafft haben, dass es ein wertschätzendes Miteinander und neue Kommunikationswege gibt und dass Mitarbeiter der Verkehrsverwaltung gerne unser Forum besuchen. Blicken wir aber auf die Straße, stellen wir fest, dass sich nicht wirklich etwas verändert hat. Nach wie vor dominieren die Autos die Straßen in Köln.
Bestes Beispiel: Ringfrei. Das Radverkehrskonzept sollte 2016 abgeschlossen sein.
Jetzt sind wir vier Jahre weiter und es ist immer noch nicht fertig. Wäre ich zynisch, würde ich sagen: Wir haben erreicht, dass wir in Köln mit der unzureichenden Infrastruktur untereinander besser gelaunt klar kommen. Das finde ich enttäuschend. Schon vor uns haben der ADFC, der VCD und viele andere viel getan und sind weiter sehr aktiv. Leider müssen wir alle feststellen, dass wir mit unseren unterschiedlichen Ansätzen bisher noch nicht erreicht haben, dass Köln keine reine Autostadt mehr ist.
Ihr größter Erfolg ist die Initiative Aufbruch Fahrrad, die das Fahrradgesetz für Nordrhein-Westfalen gefordert hat. Die Landesregierung hat dazu in diesen Tagen erste Eckpunkte formuliert. Sind Sie damit am Ziel Ihrer Wünsche?
Nordrhein-Westfalen-weit haben wir tatsächlich mehr erreicht als für unsere Stadt. Wir haben uns auch gefreut, dass Verkehrsminister Hendrik Wüst für ein zweistündiges Interview zu uns gekommen ist. Die Initiative für das Fahrradgesetz war auch der Versuch, von höherer Stelle aus Druck auf die Stadt und ihre Verkehrspolitik auszuüben.
Das Fahrradgesetz spricht vor allem von neuen Radwegen. In Köln sind aber auch die bestehenden Wege stark sanierungsbedürftig. Sollte man nicht eher da ansetzen?
Nein, ich glaube, dass die Lösung wirklich darin liegt, die vorhandene Straßenfläche neu zu verteilen. Das gilt für Köln und für ganz NRW. Es macht in meinen Augen auch keinen Sinn, neue Straßen zu bauen und dafür Flächen zu verbrauchen oder gar Bäume zu fällen. Schon aus Klimaschutzgründen nicht.
Ebenso wenig ergibt es Sinn, nur die maroden Radwege zu sanieren.
Stattdessen müsste der Radverkehr auf die Straße verlegt werden, indem man den Autos Spuren wegnimmt. Der Verkehrsrückgang während der Corona-Krise wäre eine gute Gelegenheit gewesen, dies umzusetzen. Aber Politik und Verwaltung in Köln wollen das einfach nicht.
Es gibt politische Beschlüsse, den Radverkehrsanteil in Köln auf durchschnittlich 25 Prozent zu erhöhen. In dieser Hinsicht ist die Stadt doch auf einem guten Weg?
Ja, diese Beschlüsse gibt es, aber wir vermissen Ansätze, diese Beschlüsse auch ernsthaft umsetzen zu wollen. Es müssten nun mutige und weitreichende Maßnahmen erfolgen, aber die sehe ich nicht.
Sie finden, Köln tut insgesamt zu wenig für den Fahrradverkehr?
An dieser Stelle möchte ich gerne betonen, dass nicht um DIE Radfahrenden, also um die Interessen einer vermeintlichen Gruppe geht, sondern darum, dass Köln überhaupt nicht für die Klimaerhitzung gewappnet ist. Hier sterben die Bäume, wir haben unfassbar schlechte Luft, Kinderärzte warnen, dass Schwangere nicht am Clevischen Ring entlang gehen sollten. Radkomm e.V. ist ein Umweltschutzverein mit dem Schwerpunkt nachhaltige Mobilität. Wir sind keine Lobbygruppe für Fahrradfahrende. Wir glauben, dass der Verkehr im Kampf gegen die Klimaerhitzung ein wahnsinnig wichtiger Faktor ist und einer, den wir alle so leicht beeinflussen könnten.
Werden diese Versäumnisse bei der kommenden Radkomm Thema sein?
Die nächste Radkomm steht unter dem Motto „Wir sind Bewegung“ und stellt die Radentscheidbewegung in den Vordergrund. Die Radkomm ist ja kein stadtbezogener Kongress mehr – es reisen Menschen von überall her an. Wir Organisatorinnen suchen eine gute Mischung zwischen bundesweiten und lokalen Themen. Die Bürgerbegehren für eine bessere Fahrradinfrastruktur, von denen es mittlerweile 35 gibt, sind zu einer starken Bewegung geworden. Es gibt inzwischen 800 000 Unterschriften im ganzen Land. Hier spielen übrigens die Fridays-for-Future-Aktiven eine wichtige Rolle, die dieser Bewegung Rückenwind geben. Daher haben wir uns für dieses Motto entschieden. Dennoch werden Kölner Themen bei der Podiumsdiskussion im Vordergrund stehen.
Die Kölner Radkomm
Die Kölner Wählergruppe „Deine Freunde“ gründete 2015 die Radkomm, Vorläufer war das Projekt „RadExpressWegeKöln, mit dem „Deine Freunde“ 2013 für die Forderung eines innerstädtischen Radschnellwegs einen Kölner Stadtentwicklungspreis gewann. 2015 fand auch der erste Radkomm-Kongress statt. Ein Jahr später gründete sich der Verein Radkomm e.V..
RingFrei ist eine im Oktober 2015 gegründete Bürgerinitiative, die sich für eine bessere und sichere Mobilität für Fußgänger und Radfahrer stark macht – und für eine höhere Aufenthaltsqualität an den Kölner Ringen. 2019 wurde RingFrei mit dem Deutschen Fahrradpreis 2019 ausgezeichnet. In einem 10-Punkte-Plan fordert Initiative unter anderem die Verlagerung des Radverkehrs vom Gehweg auf die jeweils rechte Spur der Fahrbahn, eine eigenständige und durchgängige Radspur vom Bayenturm bis zur Bastei, die Neuordnung des Parkens zugunsten von Ladezonen und Fahrradabstellplätzen und ein Tempo 30-Gebot. 2016 gingen die Forderungen von RingFrei in das Radverkehrskonzepts für die Kölner Innenstadt ein. Inzwischen sind wesentliche Forderungen, wie die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht, zwei Abschnitte und eine Pilotstrecke umgesetzt. Abgeschlossen ist das Konzept jedoch noch nicht.
Das Forum Radkomm 2020 geht als reine Online-Veranstaltung über die Bühne und kann am Samstag, 20. Juni, ab 11 Uhr per Live-Stream verfolgt werden. Ute Symanski und Michael Adler werden den Kongress um 11 Uhr eröffnen, es folgt ein Gespräch mit den Aktivistinnen Pinar Pinzuti (Fancy Women Bike Ride) aus Italien, Leonie Bremer (Fridays For Future) und Denis Petri (Changing Cities). Um 12. 15 Uhr spricht NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst ein Grußwort zum Fahrradgesetz, ab 14 Uhr werden Workshops und Diskussionen geboten.