Georg Menne war als Messdiener in den 70er Jahren mehrere hundert Male missbraucht worden und hatte gegen das Bistum geklagt.
Missbrauch im Erzbistum KölnUrteil über 300.000 Euro Schmerzensgeld rechtskräftig
Das, was der „Kölner Stadt-Anzeiger“ bereits berichtet hatte, ist jetzt auch offiziell: Das Erzbistum Köln muss einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Ein entsprechendes Urteil vom 13. Juni sei rechtskräftig, sagte eine Sprecherin des Landgerichts Köln am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Innerhalb einer einmonatigen Frist nach Zustellung des schriftlichen Urteils seien keine Rechtsmittel eingelegt worden.
Es ist das erste Mal, dass ein deutsches Gericht einem Opfer von sexualisierter Gewalt in der Kirche einen Anspruch auf Schmerzensgeld zubilligt. Geklagt hatte der ehemalige Messdiener Georg Menne, der einem inzwischen gestorbenen Priester vorwirft, ihn in den 1970er Jahren mehrere hundert Male missbraucht zu haben. Das Erzbistum hatte in dem Fall darauf verzichtet, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen.
Missbrauchsopfer Menne: „Ich bin aufgestanden und habe der Kirche Grenzen aufgezeigt“
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, sagte der „Rheinischen Post“ (Dienstag), mit dem Urteil sei erstmals gerichtlich die Frage der Amtshaftung durch Institutionen für Missbrauchstaten geklärt worden. „Das wird sicherlich Auswirkungen haben auf das Entschädigungs- beziehungsweise Anerkennungssystem, wie es aktuell von den Kirchen praktiziert wird.“
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Sowohl Menne als auch das Erzbistum hatten bereits in der vergangenen Woche öffentlich erklärt, keine Rechtsmittel einzulegen. Menne machte für seine Entscheidung laut „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesundheitliche Motive geltend. Es sei ihm in dem ganzen Verfahren nicht in erster Linie um Geld gegangen, sagte der 64-Jährige der Zeitung. „Mir war es wichtig, dass es zu einem Urteil kam. Ich bin aufgestanden und habe der Kirche Grenzen aufgezeigt.“
Woelki: Erzbistum übernimmt Mitverantwortung
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki hatte schon unmittelbar nach dem Urteil die Entscheidung des Gerichts begrüßt und erklären lassen, dass das Erzbistum für das erlittene Unrecht und das Leid der Opfer die institutionelle Mitverantwortung übernehme.
Dem Urteil wird grundsätzliche Bedeutung für weitere Verfahren zugemessen, die Missbrauchsopfer gegen die Kirche angestrengt haben und in Zukunft anstrengen könnten. Mennes Anwalt hatte vor kurzem Klage für die Pflegetochter eines aus dem Klerikerstand entlassenen Priesters eingereicht. Für die an ihr begangenen Verbrechen fordert die Frau vom Erzbistum ein Schmerzensgeld von 830.000 Euro sowie 20.000 Euro im Vorgriff auf den Ausgleich künftiger immaterieller Schäden.
Auch könnte das Urteil Auswirkungen haben auf das kircheninterne System für Zahlungen an Missbrauchsbetroffene, die von vielen als zu niedrig empfunden werden. Die für die Zahlungen verantwortliche Unabhängige Kommission zur Anerkennung des Leids (UKA) orientiert sich nach eigenen Angaben „am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder“. Die Kommission hatte sich offen für höhere Zahlungen gezeigt, wenn das Kölner Urteil rechtskräftig werde.
Menne hatte im Rahmen dieses kircheninternen Systems 25.000 Euro erhalten. Diese müssen laut Gericht auf die Schmerzensgeldzahlung angerechnet werden. (kna)