Eine weitere Zeugenaussage belastet den Kardinal. Aus der Politik kommen bereits Forderungen an Woelki, sein Amt ruhen zu lassen.
Ermittlungen in KölnWeiterer Zeuge belastet Kardinal Woelki
Kardinal Rainer Woelki gerät wegen des Verdachts einer Falschaussage an Eides statt weiter unter Druck. Nachdem die Staatsanwaltschaft Köln am Mittwoch ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Woelki eröffnet hat, stützen Angaben des früheren Interventionsbeauftragten des Erzbistums, Oliver Vogt, den Verdacht gegen den Kardinal. Aus der Landespolitik kamen Forderungen, Woelki solle sein Amt bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen lassen.
Vogt bestätigte im WDR Angaben der Bistumsmitarbeiterin Hildegard Dahm, dass Woelki im Januar 2015 eine von ihr erstellte Liste mit 14 damals aktuellen Missbrauchsfällen erhalten habe. Die Liste sei Woelki übergeben worden. „Er hat sie gesehen.“ Vogt selbst nahm an der Besprechung teil, in die Dahms Vorgesetzter, Personalchef Stephan Weißkopf, die Liste für Woelki nach Dahms Schilderung mitgenommen haben soll.
Auf der Liste steht der Name des früheren „Sternsinger“-Präsidenten Winfried Pilz, den Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, nach Missbrauchsvorwürfen mit einer Geldstrafe und einem Kontaktverbot zu Minderjährigen belegt hatte. In einem Rechtsstreit mit der „Bild“-Zeitung und dem Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller versicherte Woelki, er sei mit dem Fall Pilz erst Ende Juni 2022 befasst worden. Dem trat Dahm in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ entgegen.
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Rücktrittsangebot Woelkis liegt seit Februar beim Papst
„Ich habe ihn befasst. Ganz eindeutig“, sagte sie mit Hinweis auf die Liste. Die Staatsanwaltschaft Köln sah aufgrund dieser Angaben einen hinreichenden Anfangsverdacht für eine strafbare Falschaussage des Kardinals und leitete Ermittlungen ein. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ fanden bereits am Mittwoch erste Befragungen durch den zuständigen Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn statt.
„Der Name Pilz stand auf der Liste drauf“, sagte nun auch Vogt. So sei es eher unwahrscheinlich, dass Woelki „unter Umgehung der ganzen Vorgaben, die es damals gab, nicht davon gewusst hat“.
Der emeritierte Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, ein Ruhenlassen des Bischofsamtes aus eigener Entscheidung sei in der Kirche nicht vorgesehen. „Das ist allein Sache des Papstes.“ Lüdecke verwies aber darauf, dass der Hamburger Erzbischof Stefan Heße nach einem Rücktrittsgesuch im März 2021 die Amtsgeschäfte im Erzbistum bis zum ablehnenden Bescheid des Papstes von seinem Generalvikar wahrnehmen ließ. Ein Rücktrittangebot Woelkis liegt dem Papst seit diesem Februar vor. Franziskus hat darüber noch nicht befunden.
Erzbistum droht Dahm mit rechtlichen Schritten
Das Erzbistum tat Dahms Angaben in einer Pressemitteilung als reine Spekulationen „ins Blaue hinein“ ab. Dahm könne gar nicht wissen, ob der Kardinal „diese, eine andere oder gar keine Liste gesehen“ habe. Woelki-Sprecher Jürgen Kleikamp vermutete eine gegen den Kardinal gerichtete Kampagne.„Wie bereits mehrfach mitgeteilt, wurde der Erzbischof erstmals im Juni 2022 mit den Msgr. P. betreffenden Vorwürfen befasst“, erklärte das Erzbistum.
Gleichzeitig drohte das Erzbistum Dahm in der Pressemitteilung mit arbeitsrechtlichen Schritten, weil sie mit Wissen „aus dem sensiblen Bereich der Personalführung“ an die Öffentlichkeit gegangen sei. „Das ist streng untersagt, und das kann kein Arbeitgeber dulden. Schon allein im Interesse der vielen Mitarbeitenden nicht, die sich immer korrekt verhalten.“
Pilz ist der prominenteste Priester des Erzbistums, gegen den Missbrauchsvorwürfe erhoben wurden. Über die gegen ihn verhängten Maßnahmen informierten weder Kardinal Meisner noch Kardinal Woelki das Bistum Dresden-Meißen, wo Pilz bis zu seinem Tod 2019 lebte. Das ist ein Verstoß gegen die kirchlichen Leitlinien zum Umgang mit Missbrauchsfällen. Das Erzbistum sprach im Zuge einer Nachmeldung von einem bedauerlichen Versäumnis.
SPD fordert Entlassung von Woelki
Woelki macht geltend, er habe mangels Kenntnis des Falles keine Veranlassung gehabt, vor 2022 in der Sache Pilz tätig zu werden. Die Akte sei laut Erzbistum bereits 2014 geschlossen gewesen. Dahms Liste belegt allerdings, dass noch 2015 Ratenzahlungen der gegen Pilz verhängten Geldstrafe ans Erzbistum offen waren. Dies räumte auch das Erzbistum ein.
Auch in der Landespolitik hat der Vorgang eine Debatte ausgelöst. Der SPD-Politiker Sven Wolf forderte den Rückzug von Woelki: „Ich habe kein Verständnis mehr. Kardinal Woelki hat für einen so großen Vertrauensverlust in beiden Kirchen gesorgt, dass nur noch seine Entlassung die logische Folge sein kann“, sagte Wolf unserer Zeitung. Es reiche auch nicht, das Amt nur ruhen zu lassen. „ Er ist schließlich schon einmal zurückgekehrt und hat danach nur alles schlimmer gemacht. Daher kann es nur die eine Konsequenz geben.“
Die Grünen äußern sich ähnlich: „Es macht mich fassungslos, dass nun erneut der Verdacht besteht, dass Kardinal Woelki Missbrauchsverbrechen nicht aufklären wollte“, sagt der religionspolitische Sprecher Benjamin Rauer. „Sollte sich der Verdacht bestätigen, sollte Kardinal Woelki persönliche Konsequenzen ziehen.“ Der Schaden, den Woelki anrichte, beziehe sich nicht mehr nur auf das Bistum Köln sondern auf die Kirche als Ganze.
Martin Sträßer, Beauftragter der CDU-Fraktion für die katholische Kirche, mahnt dagegen Zurückhaltung an. „Solange die Staatsanwaltschaft ermittelt, gilt für den Kardinal die Unschuldsvermutung. Dass er die fragliche Liste tatsächlich gesehen hat, ist ja offensichtlich nicht eindeutig geklärt“, sagte Sträßer auf Anfrage. „Für die gesamte katholische Kirche sind die Vorwürfe unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt belastend.“